Gesellschaft | Editorial

Irgendwann ist genug!

Müssen wir uns ständig von ungehobelten Kommentatoren beschimpfen lassen? Nein. Warum ich schweren Herzens für die Schließung des Kommentarbereichs auf salto.bz bin.
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Foto: upi
Die Mail ist kurz und aussagekräftig:
 
„Mir reicht's. Ich hab keine Lust mehr, mich im neuen Jahr weiter beschimpfen zu lassen, egal wie gscheit oder blöd ich schreib. Ich nehme an, ihr wisst, was ich meine. Bin ja nicht besonders delikat, aber irgendwann ist genug.“
 
Es ist der angekündigte Abschied einer Salto-Kolumnistin. Sie ist nicht das erste Opfer einer ungehobelten und inakzeptablen Bande von Schreibtischtätern und – täterinnen, die seit Jahren (zum größten Teil) unter dem schützenden Deckmantel der Anonymität ihr Unwesen auf Salto.bz treiben. Bereits im Frühjahr haben uns die beiden Blogger Marcella und Hartwig Heine verlassen, zwei ausgezeichnete politische Analysten der ersten Stunde. Aus ähnlichen Gründen.
Einer der bekanntesten Südtiroler Journalisten, ein Salto-Fan der ersten Stunde, der immer wieder auch Beiträge für dieses Onlineportal verfasst hat und es weiterhin gerne tun würde, sagte mir vor einigen Monaten. „Ich würde gerne schreiben, aber diese Vollidioten, die in ihren Kommentaren ausschließlich unter die Gürtellinie zielen...nein, das muss ich mir nicht antun“.
Immer wieder werde ich auch auf der Straße angesprochen. Salto.bz erhält dabei meistens viel Lob. Sehr oft läuft das Gespräch dann aber in dieselbe Richtung: „Oft habe ich schon überlegt, einen Kommentar zu schreiben“, sagen meine Gegenüber sinngemäß, „aber in dieser Gesellschaft macht das einfach keinen Sinn“.
Seit langem ertappe ich mich dabei, dass ich den Kommentarbereich jenes Mediums meide, für das ich presserechtlich verantwortlich bin. Warum? Weil ich mich einfach schäme für die verbalen Ergüsse, die sehr oft unter den Artikeln stehen. Dabei geht es nicht um Kritik oder Lob. Sondern es geht um den Stil, die Kinderstube, die mangelnde Diskussions- und Streitkultur und vor allem den fehlenden Respekt.
 
Ich hab keine Lust mehr, mich im neuen Jahr weiter beschimpfen zu lassen, egal wie gscheit oder blöd ich schreib.
 
Einer der Grundgedanken bei der Gründung von salto.bz vor knapp sechs Jahren war der sogenannte Bürgerjournalismus. Die Überlegung dahinter: Journalismus, Information und Meinung sollten nicht nur von Profis gemacht werden, sondern auch der Mann und die Frau von der Straße sollten mitgestalten, mitrecherchieren und mitschreiben. Vor diesem Hintergrund sollte die Community zu einem der zentralen Bestandteile dieses Projekts werden.
Das Vorhaben ist nicht ganz aufgegangen. Sicher: Aus der Community werden immer wieder hervorragende und interessante Blogs publiziert. Und ich kann Sie nur ersuchen: Getrauen Sie sich und veröffentlichen Sie ihre Meinung, ihre Kritik, ihre Analysen. Unter ihrem Namen und - wenn sie wollen - auch mit ihrem Profilbild.
Dazu aber kommt die Möglichkeit, dass User und Userinnen jeden Artikel kommentieren können. Eine schöne und sinnvolle Funktion - wenn man davon ausgeht, dass dieser Bereich zu einem Diskussionsforum wird, in dem die Leserinnen und Leser kritisieren, anmerken, richtigstellen oder weiterdenken.
Genau das aber passiert im Kommentarbereich von Salto.bz nur selten. Der Grund dafür: Eine Gruppe von Fanatikern hat mit ihren inzestuösen, niveaulosen und zumeist auch völlig sinnlosen Diskussionen diesen Raum in Beschlag genommen. Ihre Lieblingsbeschäftigung: untereinander zu streiten. Dabei schaffen Sie es schnell, jeden „normalen“ Kommentator hinauszumobben.
Dass der Großteil dieser Kommentare dabei mit dem jeweiligen Salto-Artikel nicht das Geringste zu tun hat, sei hier nur angemerkt.
Eine Gruppe von Fanatikern hat mit ihren inzestuösen, niveaulosen und zumeist völlig sinnlosen Diskussionen diesen Raum in Beschlag genommen.
Salto.bz hat – völlig unbescheiden – rund ein Dutzend hervorragender Autorinnen und Autoren, die für diese Online-Portal als Kolumnisten tätig sind. Ich darf mir erlauben, hier aus dem Nähkästchen zu plaudern: Alle arbeiten und schreiben für uns unentgeltlich.
Sie alle könnten durchaus bei bekannteren, publikumswirksameren und renommierteren Zeitungen und Medien gegen Bezahlung arbeiten - und manche tun es auch. Es ist aber ihre Art, mit ihren Namen, ihrem Gesicht und ihren Gedanken und Meinungen dieses Projekt zu unterstützen. Diese Menschen machen uns damit weit mehr als nur eine Liebeserklärung: Ihre Mitarbeit ist einer der wichtigsten Bausteine für das wirtschaftliche und publizistische Überleben diese Mediums. Und es ist ein Geschenk, das Salto.bz zu einem Qualitätsmedium macht.
Es ist mehr als nur ein Zumutung, dass ausgerechnet diese Kolumnisten unter ihren Beiträgen lesen müssen, wieviel sie angeblich mit ihren Artikeln verdienen und dass keines ihrer Worte auch nur einen Cent wert sei.
Dass diese kommentierenden Genies nicht gemerkt haben, dass sie seit Jahren täglich völlig kostenlos Salto.bz konsumieren, und uns vorhalten, wir würden auch noch Steuergelder verschwenden und diese Plattform zum Mülleimer ihres ungenießbaren Senfs machen, macht deutlich, auf welchem geistigen Niveau man sich inzwischen bewegt.
Vielleicht kommt es vor diesem drastischen Schritt doch noch zu einem Akt der Zivilcourage. 
 
Es gibt innerhalb Salto.bz kontroverse und völlig unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema. Wir haben das Problem vor einigen Monaten auf einer Klausurtagung mit der Redaktion und dem Verwaltungsrat andiskutiert. Es gab dabei vehemente Stellungnahmen für das Ausschalten der Kommentarfunktion. Aber auch überzeugte Plädoyers für das Festhalten daran und die Wichtigkeit der User-Kommentare. 
Ich würde sagen, noch überwiegt letztere Position. Der Verwaltungsrat hat eine Arbeitsgruppe einberufen, die sich mit dieser Problematik auseinandersetzt und eine neue Netiquette entwirft, die – nach Ansicht aller – dringend notwendig ist.
Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Und Sie alle werden zeitgerecht über Neuerungen informiert werden.
Diese Gedanken sollen Anregung zu Überlegungen und zur Diskussion sein. Aber auch eine Art Weckruf.
Deshalb sind diese Gedanken ausschließlich meine persönlichen Überlegungen als Chefredakteur von Salto.bz. 
Sie sollen Anregung zu Überlegungen und zur Diskussion sein. Aber auch eine Art Weckruf.
Mir jedenfalls reicht´s. 
Ich habe kein Problem damit, kritisiert zu werden. Wer austeilt, der muss auch einstecken können. Aber es gibt Grenzen.
Salto.bz ist kritisch, unbequem, wir machen Fehler, wir schlagen manchmal auch über die Stränge. Aber eines ist für uns unerlässlich: Respekt vor dem Menschen. Dieser Respekt ist ein roter Faden, der sich durch alle Artikel und Beiträge der Redaktion, aber auch der Kolumnisten zieht. Es ist unsere Richtschnur. Und um einem möglichen Pseudoargument der verbalen Wüteriche zuvorzukommen: Ja, auch in der Rubrik "Pollo der Woche" - egal, wie man dazu stehen will - bestand dieser Respekt stets.
Deshalb können und müssen wir auch Respekt vor uns und unserer Arbeit verlangen. Vor allem von jenen Zeitgenossen, die nicht einmal die Courage haben, mit ihrem richtigen Namen und ihrem Gesicht zu ihrem verbalen Gepöbel zu stehen. 
Mein Wunsch für das neue Jahr ist deshalb die Schließung des Kommentarbereichs. Es ist ein Wunsch, den ich schweren Herzens äußere. 
Aber vielleicht kommt es vor diesem drastischen Schritt doch noch zu einem Akt der Zivilcourage. 
Und Sie schreiben und kommentieren und machen deutlich, dass die Anhängerschaft von Salto nicht nur aus diesen Trollen besteht!
 
In der Hoffnung, dass Sie uns - so oder so - auch 2019 als Leser, Abonnenten, Unterstützer, Werbekunden und Wegbegleiter treu bleiben, darf ich Ihnen ein gutes neues Jahr wünschen.
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Profil für Benutzer Frei Erfunden
Frei Erfunden Mo., 07.01.2019 - 16:04

Mein Vorschlag wäre (falls technisch durchführbar):

Jede userin sollte für sich entscheiden können , ob die Kommentare eines anderen users zu ihr durchdringen oder nicht
(und die individuelle Sperre wiederum sollte dem jeweiligen gesperrten User mitgeteilt werden).

D.h. ich lese dann Salto im eingeloggten Zustand (in dem ich auch kommentieren kann) , sehe dass mich MarioPincopallino beschimpft oder dass er/sie/es mich einfach nicht interessiert und lasse daraufhin diesen user für mich sperren , sehe also in Zukunft seine Kommentare nicht.
MarioPincopallino wird dann für mehrere oder gar alle user nicht mehr aufscheinen, dies wird ihm dann auch mitgeteilt,
es steht ihm aber weiterhin frei zu trollen , rülpsen und furzen wie lang es ihm eben beliebt.

Mo., 07.01.2019 - 16:04 Permalink
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Profil für Benutzer Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher Mo., 07.01.2019 - 16:28

Antwort auf von Frei Erfunden

interessante Idee, wenn auch algorithmisch etwas rechenaufwendiger, O(n^2). Ich fände es allerdings sehr befremdlich, wenn andere Leser nicht mitbekommen, dass Fr°g die Beiträge von PincoPallino gar nicht sehen kann. Alternativ könnte man User dazu befähigen, es gewissen anderen Usern zu untersagen (also technisch zu disabeln) , auf die eigenen Beiträge zu antworten. Wie wär das?

Mo., 07.01.2019 - 16:28 Permalink
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Peter Gasser Mo., 07.01.2019 - 17:12

... das veranlasst mich jetzt schmunzelnd zu bemerken, dass Sie in diesen „Dingen“ viel eigene Erfahrung zu haben scheinen... Mit freundlichen Grüßen PG

Mo., 07.01.2019 - 17:12 Permalink
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Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Mo., 07.01.2019 - 17:34

... mein Gottchen, ich hab‘ ein bißchen geschmunzelt, und diese Gefühlsregung rübergebracht (zu der ich stehe).
Nicht mehr und nicht weniger - und dabei will ich es auch belassen.

Mo., 07.01.2019 - 17:34 Permalink
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Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Mo., 07.01.2019 - 18:35

Ich schreibe nirgends von "Bereicherung" und ich meine auch nicht bestimmte Kommentatoren, sondern ich schreibe davon, dass das Schreiben unter seinem eigenen, richtigen Namen weniger dazu verleitet, sich im Ton zu vergreifen. Verantwortung greift vielfach erst, wenn man sein Gesicht zeigen muss.
Ich bin aber ebenfalls der Meinung, dass es mit Klarnamen allein nicht getan ist und dass Moderation wohl auch sein muss.
Und nochmals: Wenn jemand etwas Interessantes in annehmbarer Form darbringen kann, muss er sich nicht hinter einem Pseudonym verstecken.

Mo., 07.01.2019 - 18:35 Permalink
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Profil für Benutzer Benjy Kompasser
Benjy Kompasser Di., 08.01.2019 - 12:20

Ja, ich bin auch für die Schließung. Leider. Es ist richtig, dass Leserbriefe durch diese Kommentare ersetzt wurden, allerdings war es früher auch bedeutend mühsamer einen Brief zu verfassen und veröffentlicht zu bekommen. Hier tippt jeder drauf los. Manchmal sind die Kommentare in einem so schlechten Deutsch geschrieben, dass sich die Absicht kaum erschließt. Auf das inhaltliche Niveau möchte ich nicht eingehen, aber wahrscheinlich ist den meisten Schreibern gar nicht bewusst, was sie da verfassen. Manchmal würde ein wenig Nachdenken oder Nachlesen hilfreich sein, aber meistens wohl nicht.
Ich bin durchaus oft nicht einverstanden mit einem Artikel, und manchmal stören mich wertende Aussagen, die in einem Kommentar, nicht aber in einem Bericht Platz finden sollten. Grundsätzlich hat ja jeder die Möglichkeit sich zu äußern, aber es sollte in transparenter und immer wertschätzender Form erfolgen. Ich muss nicht alles lesen, ich muss nicht alles gut heißen, und ich respektiere sehr wohl, dass es unterschiedliche Meinungen und Ansichten gibt. Und manchmal ändern sich Meinungen auch.
Ich lese fast täglich in salto.bz, und grundsätzlich interessieren mich auch die Meinungen der Leser, aber was sich hier so an Kommentatoren versammelt, die sich gegenseitig beleidigen, in holprigem Deutsch und mit falsch verwendeten Fremdwörtern die Meinung anderer diskreditieren und sich selbst hervortun wollen, das verleidet mir zuweilen das Lesen, vor allem, weil sich mir manchmal die Frage aufdrängt, ob das Medium etwa für solche Geister gedacht ist. Dann möchte ich aber nicht Teil der Gemeinschaft sein. Dann lieber ein Medium ohne Kommentar-Funktion, in welchem jeder, der sich zu erkennen gibt, auch schreiben darf. Und ich wähle dann aus, welche Autoren es sich für mich zu lesen lohnt.
Und nicht zuletzt: es sind die Unflätigen, Beleidigenden, aus dem Verborgenen Schießenden, die es am Ende soweit kommen lassen, dass alle einen Schaden davon tragen. Denn schließlich stellt am Ende unsere Demokratie ja alle unter Generalverdacht.

Di., 08.01.2019 - 12:20 Permalink