Gesellschaft | Jugendarbeit

Ein Haus nur für die Deutschen?

In Bozen ist eine Polemik um das Haus der Jugend entstanden. Die Italiener fühlen sich ausgesperrt. Doch was passiert im Goethe-Haus wirtklich?
Haus der Jugend
Foto: LPA/Peter Natter

Es hätte eigentlich ein freudiger Tag für alle sein können. Doch mit der Eröffnung des Haus der Jugend am Freitag ist nun eine Polemik losgetreten worden, die für Verwunderung sorgen kann – und die mancher nicht einfach so hinnehmen will.

In Bozen begehren die Vertreter der italienischen Sprachgruppe dagegen auf, dass das “Goethe-Haus” angeblich nur für die deutschsprachige Jugendarbeit da ist. 2017 hat das Land die Gebäude in der Goethestraße Nr. 40 und 42 angekauft, um die Jugendarbeit unter einem Dach unterzubringen. Der Kaufpreis belief sich auf knapp 9 Millionen Euro (7,35 Millionen Euro + 1,62 Millionen Mehrwertsteuer). Nach den Umbauarbeiten sind dort seit Freitag die vier Jugendorganisationen Südtiroler Jugendring, n.e.t.z. – Offene Jugendarbeit, Arbeitsgemeinschaft der Jugenddienste sowie die Fachstelle Jugend des Forum Prävention untergebracht.

“Das Haus der Jugend ist eine verpasste Chance, um die Begegnung zwischen Jugendlichen verschiedener Sprachgruppen zu ermöglichen”, kommentiert der Bozner Sozialstadtrat Juri Andriollo am Samstag auf Facebook. In den italienischen Medien kommt am Wochenende auch Bürgermeister Renzo Caramaschi zu Wort. “Noto che c’è chi continua a tenere la testa rivolta all’indietro, preda di una visione esclusivista della cultura e della società. In cui i tedeschi lavorano da una parte e gli italiani dall’altra”, schimpft Caramaschi im Alto Adige. Und auch die Opposition macht mobil. “La casa per le associazioni in via Goethe solo in lingua tedesca è solo l’ennesimo di una serie di episodi prevaricanti. Perché la rappresentanza in lingua italiana è destinata, una volta di più, a rimanere nell’angolo? Il mondo va avanti e l’Alto Adige torna indietro”, wettert der FI-Gemeinderat Alberto Sigismondi. Und sogar Giuliano Vettorato als neuer Landesrat für italienische Bildung und Kultur wird angehört: “Ich hoffe, dass so etwas nicht mehr passiert. Aber ich frage mich, wie das überhaupt hat passieren können…”

 

Bedarf vor allem von einer Seite

Der Beschluss zum Ankauf der Gebäude in der Goethestraße trägt das Datum vom 28. Dezember 2017. Ausdrücklich heißt es darin: “In diesem Bürogebäude sollen ein Zentrum für Jugendarbeit und andere Jugend- und Kulturvereine für alle drei Sprachgruppen unterkommen.” Dass nun “nur deutschsprachige” Organisationen eingezogen sind, wie nun beanstandet wird, erklärt Ex-Landesrat Christian Tommasini im Corriere dell’Alto Adige so: “L’esigenza nasceva da alcune associazioni tedesche che pagavano affitti alti per le loro sedi, ma noi ci eravamo comunque inseriti. Chi poi abbia partecipato al bando non lo so, ma va detto che i centri giovanili italiani a Bolzano sono più o meno sistemati e non sentivano la stessa esigenza.”

Doch abgesehen davon, wollen einige das Bild der “rein deutschsprachigen” Jugendarbeit zurechtrücken. Das Goethe-Haus sei vielmehr als Büro- und Dienstleistungszentrum gedacht und weniger als Ort, wo Jugendarbeit im eigentlichen Sinne stattfindet, erklärt der Grüne Gemeinderat Tobe Planer. “Die Polemik scheint mir übertrieben.” Auch Peter Koler, Direktor des Forum Prävention, will klar gestellt wissen: “Das Forum Prävention arbeitet seit Beginn seiner Tätigkeit vor fast 20 Jahre zwei- bzw. dreisprachig und steht für alle Menschen, die in Südtirol leben, unabhängig von ihrer Sprache und Herkunft zur Verfügung. Im Haus Goethe arbeiten italienisch- und deutschsprachige Mitarbeiter/innen. Auch wird das Haus Goethe als Sitz der Streetworker/innen des Forum Prävention für Bozen eine wichtige Rolle einnehmen und für belastete Jugendliche, egal welcher Herkunft, eine Ort der Hilfe und Unterstützung sein.” Ebenso werde auch das geplante Kulturprojekt im Keller des Hauses “für alle Interessierten offen sein”, erklärt Koler.

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Mensch Ärgerdi… Mo., 25.02.2019 - 11:08

Für mich stellt sich hierbei eher die Frage ob das Land für diese Organisationen im Stadtzentrum von Bozen für 9 Millionen Euro ein Gebäude kaufen muss. Wenn das Land selbst keine leerstehenden Räume hat und schon kaufen muss, wieso genau im teuersten Pflaster des Landes, einen Steinwurf vom Waltherplatz entfernt, dort wo sonst Anwälte, Notare, private Ärzte oder namhafte Wirtschaftsprüfer ihre Büros und Praxen haben?

Mo., 25.02.2019 - 11:08 Permalink
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Daniele Menestrina Mo., 25.02.2019 - 21:25

Ist das nicht das Gebäude das Durnwalder kurz vor seinem Abschied noch bestimmt hatte für die Eurac anzukaufen und dessen effektiven Ankauf durch das Land dann Kompatscher gestoppt hat, weil das ein reiner Gefälligkeitsankauf zu Gunsten des Besitzers zu sein schien ? Es hiess der Bau sei ungeeignet für Büros oder sowas.

Mo., 25.02.2019 - 21:25 Permalink
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Fidi Ellmenreich Di., 26.02.2019 - 12:34

Was mich von Anfang an betroffen gemacht hat ist die Tatsache dass von deutscher oder italienischer Jugendarbeit gesprochen wird!! (gibt es eigentlich auch ladinische Jugendarbeit in Bozen?) Nun hat Koler sicher Recht, wenn er beteuert, wir sind ja für alle da, was ja effektiv stimmt, denn die machen einen tollen Job, aber es geht ja wieder mal um die Wahrnehmung. Aber Fakt ist ja dass wir deutsche oder italienische Vereine, Sportclubs, Stadtviertel, Bars, und und und haben, die entweder effektiv nur das eine oder andere sind, oder so wahrgenommen werden, wenn es dann auch oft nicht der Wahrheit entspricht. Aber Tatsache ist doch dass es diese Realität gibt. Das einzige wo es nicht mehr so klar ist sind Kindergärten und Schulen! Eigentlich paradox. Zweisprachigkeit, wo bist du? Ich spreche von der "selbstverständlichen" Zweisprachigkeit, jene die man voraussetzt und die einfach da ist, weil man was dafür getan hat, weil es einem wichtig ist. Und jetzt kommt der Standardsatz: die Politik ist gefragt, daran was zu ändern, aber eigentlich sind ja wir Bürger die Politik, oder? Also wann endlich der Kindergarten für alle, einzige Voraussetzung im Kindergartenalter zu sein??

Di., 26.02.2019 - 12:34 Permalink
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Fidi Ellmenreich Mi., 27.02.2019 - 14:14

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

DAS ist ja der Punkt, aber ich denke dass ich falsch verstanden werde. Jeder kann/soll tun und lassen was er will. Lassen wir das Private außen vor. Aber es geht um die Vorstellung, dass wir hier oder dort "unter uns sind", wenn eben dieses UNS als entweder das eine oder andere empfunden wird. Aber die Tatsache, dass es diese Trennung in unseren Köpfen noch viel zu viel gibt, finde ich problematisch, wobei ich mich eigentlich nur auf die Städte beziehe. Und dort müssten es uns die da oben vormachen, wie richtige Zweisprachigkeit funkionieren kann und demzufolge das Wohlfühlzusammenleben. Und wir, das Volk, müssen uns dafür einsetzen, dass es in die richtige Richtung geht. Jetzt kann man natürlich einwerfen: Was ist die richtige Richtung? Leider, von meinem Standpunkt, noch viel zu viel und zu oft: wir hier, die "anderen" da!

Mi., 27.02.2019 - 14:14 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Mi., 27.02.2019 - 14:35

Antwort auf von Fidi Ellmenreich

Ich hab da irgendwie den Eindruck, dass Sie diese Trennung größer machen als sie eigentlich ist. Ich bin zweisprachig aufgewachsen. Ich war und bin in deutschen wie italienischen Vereinen Mitglied, ist der Verein deutsch spricht man deutsch und ist er italienisch dann italienisch und zugleich redet man mit den Deutschen im italienischen Verein deutsch und mit den Italienern im deutschen Verein italienisch. Das ist Zweisprachigkeit! Dann kann es gut sein, dass es Vereine oder Bars gibt wo die Leute nur unter sich sein wollen, solche Orte meide ich dann einfach.

Mi., 27.02.2019 - 14:35 Permalink
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Fidi Ellmenreich Mi., 27.02.2019 - 14:55

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

Dann sind wir ja im gleichen Boot! Ein Musterbeispiel für Zweisprachikkeit! So wie ich, italienische Frau, die perfekt Deutsch spricht, die Kinder kein Thema. Aber um uns geht es ja hier nicht, denn dass es in Sachen gelebte Zweisprachigkeit noch viel zu tun ist, werden Sie mir jetzt aber nicht abstreiten, oder doch? Und bevor Sie mir gegebenfalls antworten, versuchen wir uns daran zu erinnern, was das Thema des Salto Artikels war.

Mi., 27.02.2019 - 14:55 Permalink