Gesellschaft | Unaufhaltsam?

Fakten zum Höfesterben

Wir bräuchten kleine, regionale Kreisläufe und gerechte Preise für gesunde Lebensmittel statt Massenproduktion verseuchter Lebensmittel. Allerdings...
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Bauernhof
Foto: Seehauserfoto

Die Aussagen junger Bergbauern in Rai-Südtirol am 4.3.2019 zeugen von bewundernswertem Einsatz gegen drohenden wirtschaftlichen Untergang. SolcheMenschen liegen mir ebenso am Herzen wie die Malser Bürger, die für eine pestizidfreie Landwirtschaft kämpfen. Von Herzen vergönnt seien jedem Einzelfall festliche Prämierungen und Preisgelder wie dieser Tage beim SBB, sowie insgesamt allen Bergbauern die Landesbeihilfen für die Erschließung/ Förderung der Berglandwirtschaft. ABER! die europäischen Bauernbünde setzen sich nicht wirklich für die Kleinbetriebe ein, denn sie hängen  in der Hauptsache an der EU- Subventionspolitik und die ist nur gut für die Großen. Ich zitiere aus der offiziellen EU-Seite „Das tut Europa für mich“: Durch die europäische Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums und die EU-Mittel zur Stützung der landwirtschaftlichen Einkommen sind von 2008 bis 2015 mehr als 560 Millionen Euro dorthin (nach Südtirol, Anm. KG) geflossen. Darüber werden durch das europäische Gütesiegel der geschützten geografischen Angabe Äpfel und Speck aus Südtirol geschützt und gefördert.“ – also Speck und Äpfel - Punkt! Die Situation der Kleinbetriebe in Europa beschreibt der folgende Artikel über das Höfesterben im Agraratlas2019

Die EU-Statistik teilt die Agrarbetriebe in fünf Kategorien ein, die sich nach Flächen und Betriebseinkommen richten: sehr kleine, kleine, mittlere, große und sehr große. Noch sind sehr kleine und kleine Familienbetriebe nach Anzahl der Höfe und Arbeitskräfte in der Mehrheit. Aber ihre Zahl ist stark rückläufig. Große sowie sehr große Betriebe gewinnen an wirtschaftlicher Bedeutung. Unternehmen mit über 100 Hektar Fläche machen nur drei Prozent aller EU-Agrarbetriebe aus. Ihre Zahl aber ist in zehn Jahren um 16 Prozent gestiegen, und sie nutzen nun 52 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Wo sich Großbetriebe ausbreiten, geht dies Hand in Hand mit dem Verlust von Arbeitsplätzen, mit weniger vielfältigen Anbausystemen und -produkten, mit intensiver Landwirtschaft und entsprechender Belastung der Umwelt.

Auf der anderen Seite machen kleine Höfe mit weniger als zehn Hektar und einer zumeist vielfältigen Produktionrund 80 Prozent aller Agrarbetriebe in der EU aus. Doch sie nehmen nur zehn Prozent des verfügbaren Landes in Anspruch. Ihre Zahl sinkt rasant: 96 Prozent der Betriebe, die zwischen 2003 und 2013 verschwunden sind, verfügten über weniger als zehn Hektar. Die Kleinbe-triebe leiden meist an denselben Problemen: Die niedrigen Lebensmittelpreise decken kaum die Produktionskosten. Die Gewinne machen nicht die Produzentinnen und Produzenten, sondern vor allem die Verarbeitungs- und Handelsunternehmen.

Diese Trends gehen auch auf die Liberalisierung der Agrarmärkte und die EU-Agrarpolitik mit ihren Subventionen und Marktregeln zurück. Produkt- und branchenspezifische Zahlungen haben in der Vergangenheit die Spezialisierung der Betriebe gefördert. Seit 2003 erhalten sie von der EU Direktzahlungen pro Hektar, das heißt, Landwirtinnen und Landwirte bekommen umso mehr Geld, desto mehr Land sie besitzen. Wenn diese Beihilfen einen wesentlichen Teil des Einkommens ausmachen, schafft dies einen Anreiz, mehr Land zu erwerben. Etablierte Großbetriebe, die bereits viel Land bewirtschaften, verfügen entsprechend über mehr Kapital und haben damit die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen und weiter Land hinzuzukaufen. Neueinsteiger und Neueinsteigerinnen, die erst noch auf der Suche danach sind, haben solche Vorteile nicht. ......

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Erstaunlicherweise wollen trotzdem immer mehr Menschen in die Landwirtschaft einsteigen, ob mit oder ohne Unterstützung durch die Agrarpolitik. So manche profitieren von neuen Ideen wie etwa Hilfen für Agrar-Start-ups, Landerwerb in Gemeinschaftsbesitz oder Agrargenossenschaften. Viele neue Höfe sind innovativ und betreiben zum Beispiel ökologischen Landbau, liefern direkt an städtische Kundschaft, engagieren sich in der solidarische Landwirtschaft oder verarbeiten die produzierten Lebensmittel auf dem eigenen Hof. All dies erhöht die Wertschöpfung und trägt zur Versorgung mit Lebensmitteln aus der Region bei sowie zu mehr Arbeitsplätzen und Umweltschutz. Zielgerichtete Mechanismen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene zur Förderung solcher neuen Betriebe würden den Generationenwechsel fördern, die bäuerlichen Strukturen in Europa aufrechterhalten, Arbeitsplätze schaffen und den agroökologisch ausgerichteten Umbau unserer Ernährungs- und Anbausysteme fördern.

Soweit die Zitate auf den Seiten 18-19  vom Agraratlas 2019 der sozialdemokratischen Böll-Stiftung.

Die kapitalintensive industrialisierte Landwirtschaft mit ihren Monopolbetrieben ist eigentlich nur Spielball der großen Nahrungsmittelkonzerne am liberalisierten Weltmarkt mit dem Ziel der Massenproduktion. Das ist der Ruin der kleinbäuerlichen, arbeitsintensiven, kleinstrukturierten ökologischen Landwirtschaft.

Wir bräuchten kleine, regionale Kreisläufe und gerechte Preise für gesunde Lebensmittel statt Massenproduktion verseuchter Lebensmittel. Allerdings bedeutete das eine völlige Umstellung auch im Verbraucherverhalten.

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ceteris paribus Mo., 11.03.2019 - 19:29

...oder aber eine EU-Förderungspolitik, die dem oben Beschriebenen Rechnung trägt.

Was lässt sich leichter umstellen, Verbraucher*innen oder Politiker*innen?

Mo., 11.03.2019 - 19:29 Permalink
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Klaus Griesser Sa., 16.03.2019 - 15:10

Antwort auf von ceteris paribus

Die Umstellung wird von der EU ausgehen müssen sprich Abschaffung aller Subventionen für industrialisierte Monokulturbetriebe mit großen Landflächen, Abschaffung der Exportprämien, Subventionen stattdessen für ökologischen Landbau und zwar vorwiegend für Kleinbetriebe in regionalen Kreisläufen. Auf frische Erdbeeren zu Weihnachten werden die VerbraucherInnen verzichten müssen, stattdessen dürfte es mehr jahreszeitlich bedingte Feinkost geben! Ökologischer Landbau heißt sorgsamer Umgang mit den Böden (die derzeitige Methode behandelt fruchtbare Böden mit Milliarden von Mikroorganismen wie Dreck), ohne Chemie und Pestizide, das bedeutet gleichzeitig kleinräumig viele Mischkulturen, viel Kleinarbeit, die aber bezahlt werden muss. Dementsprechend werden die Verbraucher mit viel höheren Preisen rechnen müssen, was sich aber auszahlen wird wegen der gesünderen Lebensweise und dadurch sinkender Gesundheitskosten.
Das werden die Nahrungsmittel- und Chemieindustrie- gesteuerten Politiker nicht gerne tun, und es dürfte eine ziemliche Umstellung für die VerbraucherInnen erfordern!

Sa., 16.03.2019 - 15:10 Permalink
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Peter Gasser Sa., 16.03.2019 - 15:49

Antwort auf von Klaus Griesser

eben hier („die aber bezahlt werden muss“ ... „mit viel höheren Preisen“) habe ich meine Sorgen: dann fehlt dem Konsumenten das Geld für die Freizeit-/Event-/Tourismusindustrie sowie für Elektronik und das immer wieder neue Auto... daher wird es weiter billigste Nahrungsmittel aus indutrialisierten Betrieben geben... das ist schlecht, das ist negativ: aber eine Änderung würde VORHER eine Umstellung der Art zu leben bedeuten... ich bin dafür.

Sa., 16.03.2019 - 15:49 Permalink
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Sepp.Bacher Fr., 15.03.2019 - 16:05

Vorweg ist einmal zu bemerken, dass diese katastrophale Eu-Landwirtschaftspolitik die christlich konservativen Parteien zu verantworten haben, von denen man behaupten kann, dass sie von Lobbys dominiert werden. In diesen Reihen befinden sich auch SVP und ihr Vertreter Dorfmann - und eben dann auch noch unser Bauernbund!

Was ich an der Südtiroler Bauern- sowie Verbands- und Genossenschaftspolitik besonders kritisiere ist, dass es um immer mehr Leistung und Mengen geht z.B. bei Milch, die Milchprodukte dann nach Moskau oder nach Ostasien - alles per Flugfracht - vermarktet werden und dann noch von ökologischer Landwirtschaft geredet wird. Für diese Vermarktung braucht es raffinierte und sündteure Marketing- und Werbekampagnen, die indirekt dann wir Steuerzahler bezahlen (Lohn- und Rentenbezieher der Mittelschicht). Bergbauern zahlen ja kaum oder keine Steuern - auch nicht bei Direktvermarktung und Urlaub auf dem Bauernhof. Wir Verbraucher bezahlen genannte Produkte in Südtirol aber teuer und wir sind die Leidtragenden! Ich möchte gerne erfahren, für welchen geringen Preis die Bergmilch ihre Produkte im Osten verkauft und wer die Transportkosten bezahlt? Wahrscheinlich durch Exportförderung, die dann auch wieder mit Steuergeldern geschieht!

In einer Doku wurde berichtet, dass in Gegenden wie z.B. Niederösterreich traditionelle Biobauern mit den Großbetrieben, die riesige Flächen mit großen Maschinen bearbeiten, preislich nicht mehr mithalten können und existenz gefährdet sind.
Es ist alles so vertrackt und die betroffenen Bauern spielen über die Verbände und gewählten Parteien mit - und merken es nicht!

Fr., 15.03.2019 - 16:05 Permalink