Schwimmbad
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Gesellschaft | Fritto Misto

Confessiones

Der Vorwurf, sie sei zu hartherzig, zwingt unsere Autorin zur fastenzeitlichen Introspektion. Und zu Enthüllungen, die sie wohl lieber vergessen hätte.
Am vergangenen Wochenende gönnte ich mir einen Wellness-Tag mit einer lieben Freundin. Der Mann war von langer Hand darüber informiert und hatte sich psychisch und physisch gestählt, einen ganzen Tag alleine mit den Kindern zu verbringen. Und es war, wie erwartet: Wunderbar. Diese Ruhe.  Dieses Ambiente. Dieses Essen, das ich zu mir nehmen konnte, ohne dass kleine Hände darin herumpantschten und versuchten, es mir in irgendwelche Körperöffnungen zu stecken. Kurzum, es war paradiesisch. So, ja genau so muss es sich im Himmel anfühlen, dachte ich, während wir am Dachpool lagen und, in flauschige Bademäntel gehüllt, die Frühlingssonne genossen. Da holte mich meine liebe Freundin jäh auf den Boden der Tatsachen zurück. „Also, ich könnte das ja nicht“, meinte sie, apropos gar nichts. „Deine Kolumne. Leute so niedermachen. Ich meine, du hast ja recht, aber trotzdem.“
„Also, ich könnte das ja nicht“, meinte sie. „Deine Kolumne. Leute so niedermachen. Ich meine, du hast ja recht, aber trotzdem.“
Ich war irritiert. Auf meiner nach oben offenen Gehässigkeitsskala hatte ich bislang doch höchstens Stufe 1-2 erreicht. Das war der Rede gar nicht weg.  „So schlimm bin ich doch gar nicht“, protestierte ich. 
„Na ja, mag sein. Aber du weißt ja nicht, wie es die Betroffenen aufnehmen. Die stecken das vielleicht nicht einfach so weg.“ Sprach’s und schloss die Augen, um sich wieder zufrieden dem süßen Schlummer hinzugeben, nachdem sie mir erfolgreich den Stachel des schlechten Gewissens reingerammt hatte. Ich kam ins Zweifeln. Was, wenn sie recht hatte? Wenn sich meinetwegen Menschen Nacht für Nacht in den Schlaf weinten? Schluchzend eine Voodoo-Puppe mit meinem (vielleicht gar nicht schmeichelhaften) Antlitz malträtierten? Sich nicht mehr unter die Leute wagten, weil ich sie gebrandmarkt hatte? Plötzlich war es gar nicht mehr gemütlich auf der Dachterrasse. Ein frisches Lüftchen zog durch, und mich fröstelte, während meine liebe Freundin nichts von alledem mitzubekommen schien. Ich zog kurz in Betracht, sie vom Dach zu stoßen, schließlich hatte ich mich so lange auf diesen Tag gefreut, und sie hatte ihn mir eben versaut.  Dann aber schien mir, dass das,  erstens, eventuell alles nur noch schlimmer machen würde, ich, zweitens, ziemlich sicher Hausverbot bekommen würde, und, drittens, es nun auch nichts mehr ändern würde. The damage was done. Die Unbeschwertheit des Moments war vorbei. Verdammt.
 
 
Den Rest gab mir der Aufguss in der Sauna ein wenig später: Jede Hitzewelle, die mir der muskulöse Saunameister mit seinem überdimensionalen Fächer zuwedelte, schien mir wie ein softer Vorgeschmack auf das, was mich irgendwann in der Hölle erwarten würde. Es nahm mir beinah den Atem, da kam schon die nächste Fuhre. Und grinste er nicht diabolisch dabei? Sah er, schweißüberströmt, glatzköpfig und in seiner roten Pluderhose, nicht wie ein Höllenknecht aus? Das alles konnte kein Zufall mehr sein. 
Es gab nichts, mir blieb nur ein Weg. Ich musste Buße tun. Wenn ich eines im Religionsunterricht bei Schwester Caritas a.k.a. „Die an den Zöpfen zieht“ gelernt hatte, dann, mich schuldig zu fühlen und meine Sünden zu bekennen. Zudem haben wir ja auch noch Fastenzeit. Es ziemt sich also nichts mehr, als das Büßergewand überzustreifen, die Geißel auszupacken und loszulegen mit meinen Verfehlungen. Auf dass mir Katharsis vergönnt sei und Ihnen die Genugtuung , den „obersten moralischen Inquisitor“, wie mich ein Kommentator jüngst betitelte, entblößt zu sehen. Im übertragenen Sinne, versteht sich. Es folgt eine kleine Auswahl aus meinem persönlichen Best of Blamage, auf dass Sie sehen, ja, auch sie ist menschlich und keinen Deut besser als wir. Anzi.
Die letzte ist recht frisch, da wollte ich im Wellness-Hotel einen Schrank betreten, weil ich glaubte, dass darin eine Sauna sei. Wirklich.
Ich bin  den lieben langen Tag lang mit Milchpulver an der Nase durch die Stadt gelaufen war. Ich hatte morgens dem Kind ein Fläschchen gemacht und mir dann wohl ins Gesicht gefasst. Wofür meine Mitmenschen das Pulver gehalten hatten, darüber kann ich nur mutmaßen.
Dann, auch noch nicht lange her, ein Park-Dilemma. (Ein Leser im fernen Eisacktal wird nun wissend und leidgeprüft nicken). Ich hatte es geschafft, eine schmale Parklücke zu besetzen, hätte nun aber beim Wegfahren, mich etwa zwanzig Meter rückwärts einspurig an anderen geparkten Autos hinausmanövrieren müssen. Ich halte mich für eine passable Autofahrerin, sah mich aber schon innerhalb kürzester Zeit etwa zehn Autos und mindestens fünf Fahrräder schwer beschädigen, wenn ich das jetzt durchzog. Also ließ ich das Fenster runter und schrie, ganz hysterisches Weib: „Hilfe, ich komme nicht mehr raus!“. Ich bin nicht stolz darauf, aber das tat ich.  Ein Mann mittleren Alters, der meine lächerlichen Ausparkversuche bereits skeptisch und mit wachsender Alarmstimmung beobachtet hatte, stürzte sogleich herbei, schrie „Jeden Tag eine gute Tat!“ ins Wageninnere, ergriff das Lenkrad und wies mich im breitesten Vinschger Dialekt an: „Gib loungsom Gas oubrr schaug, dass nirgets straafsch, i lenk drrn aussi!“. Und so wurde das dann auch gemacht. Schaulustige blieben stehen, eine Frau zeigte mir mitleidig den Daumen nach oben.  Ich möchte mich bei dem Herrn auf diesem Weg bedanken, ohne ihn stünde ich wohl immer noch dort.
Aus meiner Anfangszeit als Lehrerin: Ich geriet in eine Wasserschlacht zwischen Schülern, unglücklicherweise genau ins Schussfeld eines Schülers, der einen besonders potenten Strahl aus seiner Wasserflasche drückte. Mitten in mein Gesicht. In Folge saß ich triefnass mit versteinerter Miene am Pult, während der Schüler kreidebleich und mit zittrigen Händen versuchte, mich mit einem Tempotuch abzutrocknen und Entschuldigungen stammelte, während der Rest der Klasse sich nicht zwischen Lachkrampf und Ohnmachtsanfall entscheiden konnte. Sehr schön.
Oder als ich abends in den Spiegel schaute und feststellen musste, dass ich den lieben langen Tag lang mit Milchpulver an der Nase durch die Stadt gelaufen war. Ich hatte morgens dem Kind ein Fläschchen gemacht und mir dann wohl ins Gesicht gefasst. Wofür meine Mitmenschen das Pulver gehalten hatten und zu diskret waren, mich darauf hinzuweisen, darüber kann ich nur mutmaßen. Aber, Sie haben eh gehört.
Mea Culpa, bessern werde ich mich nicht, aber für besser halte ich mich auch nicht, und das ist ja auch schon mal was.
Schon länger her, aber nicht minder peinlich: Als ich Rezeptionistin bei einer irischen Produktionsfirma war, und das ganze Haus nervös auf einen Anruf von Patrick Bergin  wartete, der als schwierig galt und für ein Projekt begeistert werden sollte. Ich schaffte es, Herrn Bergin ganze drei Mal aus der Leitung zu katapultieren, bevor ich ihn weiterverbinden konnte. Immer noch habe ich sein eisiges „It’s Beeeeergin. Again!“ im Ohr.
Genug, Sie sehen, auch ich bin nicht frei von Makeln, die Liste ließe sich noch weiterführen, aber Sie haben die Intention verstanden und erteilen mir nun hoffentlich die Absolution, auf dass ich beim nächsten Mal wieder ohne schlechtes Gewissen loslegen kann. Mea Culpa, bessern werde ich mich nicht, aber für besser halte ich mich auch nicht, und das ist ja auch schon mal was. Falls Sie sich ebenfalls die Blöße geben wollen, im Kommentarbereich ist reichlich Platz dafür. Machen Sie sich frei, es ist Wellness für die Psyche. Reinigende Fastenzeit wünsche ich!
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Stereo Typ Mi., 20.03.2019 - 22:48

"Dieses Essen, das ich zu mir nehmen konnte, ohne dass kleine Hände darin herumpantschten und versuchten, es mir in irgendwelche Körperöffnungen zu stecken." Was die Autorin damit meint?

Mi., 20.03.2019 - 22:48 Permalink
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Herta Abram Do., 21.03.2019 - 08:55

Antwort auf von gorgias

Esprit, Humor, Witz, erkennen des Wesentlichen, Selbstbewußtsein, Mut, großes Ausdrucksrepertoire, Intelligenz, Herz- Hirn und Hand, die Fähigkeit über sich selbst zu lachen, Reflektiertheit, ein realistisches Selbstbild, eine dem Leben zugewandte Haltung, ein emanzipiertes-anstrebenswertes Menschen- und Weltbild.
Alle diese Fähigkeiten und Einstellung gilt es, in der heutigen Zeit, zu verstärken.
Sie, Frau Kienzl, weisen uns in Ihren Geschichten darauf hin! Ich denke einige Frauen werden durch Sie noch mutiger....

Do., 21.03.2019 - 08:55 Permalink
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gorgias So., 24.03.2019 - 19:45

Antwort auf von gorgias

Dass das Ganze humoristisch angelegt ist streite ich nicht ab. Wenn man über die eigene Tollpatschigkeit lachen kann ist das Schön und Gut. Doch in der ersten Erzählung geht es nicht darum, sondern ob diese Kolumne zu bissig sei. Und da ist es eine Frau, die der anderen den Floh ins Ohr setzt und die andere steigt dabei voll ein. Hier wird etwas humoristisch kaschiert, was leider oft Tatsache ist: Frauen sabotieren sich selbst und gegenseitig.
Wenn diese Kolumne etwas wert ist, ist weil sie Biss und Treffsichheit besitzt.
Über die Geschite vom Einparken und den Rest soll jeder schmunzeln wer will. Es ist aber etwas anderes.

So., 24.03.2019 - 19:45 Permalink
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Klaus Egger Do., 21.03.2019 - 07:43

Eine Anwaltskanzlei. 7 Männer, 3 Frauen. 9 Uhr. Seminarbeginn. Ich als junger Trainer mit ersten Erfahrungen mit Seminargestaltung, Gruppendynamik, Medieneinsatz, Zeitmanagement und vieles mehr absolvierte eines meiner ersten Seminare in einer gefühlt sehr konservativen Runde. Dazu musste logischerweise der neueste Anzug her wobei ich mich in Jeans und T-shirt bedeutend wohler fühlte. Nach der Aufregung der ersten 30 Minuten bemerkte ich, dass etwas nicht stimmen konnte. Blicke die komisch hin un her schweiften, kleines Schmunzeln. Es dauerte ganze 60 Minuten bis ich merkte, dass mein Hosenstall offen stand und sich eine bunte Unterhose nicht mit einem dunkelblauen Anzug vertrug. Als mir Jahre später ein ähnliches Mißgeschick passierte (mit einer im "in die Hocke gehen" gerissenen Hose) konnte ich schon gemeinsam mit den Teilnehmern lachen. Dieser Augenblick am Beginn meiner Erfahrung ließ aber alle meine Gehirnsynapsen in Blockadestellung verfahren bis sich zwei Hände krampfartig daran machten die Lücke zu schließen. Und ich weiterfuhr als wäre nicht geschehen. Bilder die man nicht mehr aus dem Kopf kriegt.
Danke Alexandra, nun kann ich meine Fastenzeit ad acta legen:-)

Do., 21.03.2019 - 07:43 Permalink
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Alexandra Kienzl Do., 21.03.2019 - 09:02

Antwort auf von Klaus Egger

Das Selbe vor Jahren an der Uni: Der altehrwürdige Prof sitzt mit weit gespreizten Beinen auf dem Pult, führt einen hochphilosophischen Diskurs, aus dem sperrangelweit offenen Hosenschlitz lugt fürwitzig die Feinripp-Altherrenunterhose. Die StudentInnen winden sich. Das Schlimmste, als er es bemerkte, den Rest der Stunde hinter dem Pult verbrachte und versuchte "unauffällig" das Hosentürl zuzumachen. Und wir konnten uns nichts anmerken lassen.

Do., 21.03.2019 - 09:02 Permalink
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Elisabeth Garber Sa., 23.03.2019 - 14:48

Da erinnre ich mich (u.v.a…) an eine der häufigen U-Bahnfahrten in Wien. Gedankenverloren saß ich im Abteil, laute Musik vom ‚Walkman‘ in den Ohren. Den Mann, der sich vor mir aufgestellt hatte und auf mich einredete, ignorierte ich zuerst bewusst und dabei denkend: "Na bitte nit, irgend a gschtörtr Wianr". Der Unbekannte gab nicht nach, wurde immer harnäckiger in seinem stummen Auf-mich-Einreden bis er schließlich souverän gestikulierte, ich solle mir gefälligst die Kopfhörer abnehmen. Also nahm ich wohl oder übel demonstrativ genervt die Kopfhörer ab. „Die Fahrkarte, bitteschön“, kam es mir triumphierend entgegen (die ich nicht hatte…).

Sa., 23.03.2019 - 14:48 Permalink