Politik | Aus dem Blog von Oliver Hopfgartner

Vom Giftgas zur Demokratie?

Journalismus ist wichtig. Wie aktuell über die Syrienkrise berichtet wird, finde ich unseriös.
Die in meinen Augen wichtigste Frage wird nie gestellt: Wer würde von einem Giftgaseinsatz in Syrien profitieren?
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Transart23 Openinng
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Wäre ich Assad und wollte weiterhin Diktator bleiben, wäre Giftgas das Letzte, das ich einsetzen würde - schon gar nicht gegen Kinder. Selbst wenn ich blutrünstig wäre, wäre mir der Giftgaseinsatz zu aufwändig und zu riskant. 150 Menschen* kann man auch mit konventionellen Waffen ohne Probleme niedermetzeln.
Assad profitiert also nicht von einem Giftgaseinsatz. Wer dann?
Eigentlich kommen dafür nur Kräfte in Frage, die sich einen Krieg wünschen. Nun können wir wieder die Frage nach den Profiteuren stellen: einige der Rebellen würden sich wohl ein Eingreifen der USA wünschen. Vielleicht auch kurdische Extremisten, die im entstehenden Chaos eine Chance auf einen Kurdenstaat wittern? Das sind sehr gewagte Spekulationen, denen jegliche Grundlage fehlt. Dennoch müssen diese Fragen erlaubt sein.
Ich spare es mir, die „False-Flag-Attacks“ der letzten 100 Jahre zu recherchieren.
Uns muss folgendes klar sein: Nur eine kleine Minderheit wünscht sich diesen Krieg. Die Geschichte lehrt uns, dass kein Krieg der letzten 60 Jahre zu einer Verbesserung geführt hat. Wollen wir einmal mehr auf die Kriegstreiber hören?

Die Minderheit, die sich einen Krieg wünscht, würde sich dann einmal mehr durchsetzen. Wollen wir das?

*Diese Zahl bezieht sich auf Vofälle im Juni. Ich erwähne das hier, um niemanden mit von den aktuellen Berichten abweichenden Zahlen zu verwirren:

http://www.tagesspiegel.de/politik/chemiewaffeneinsatz-in-syrien-aktivisten-werfen-syrischer-armee-giftgaseinsatz-mit-hunderten-toten-vor/8660590.html

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salt & pepe Di., 27.08.2013 - 12:52

Lieber Oliver,
du hast recht, dass ein Giftgaseinsatz ja den USA und Großbritannien eine Steilvorlage für Luftangriffe bietet.
Nur ist die Frage, ob wir deshalb auschließen können, dass das Assad Regime diesen zu verantworten hat. Es ist ja auch nicht Präsident Assad persönlich, der den Krieg gegen die Aufständischen führt, sondern es gibt Armeeführung, Geheimdienst, Sondereinheiten, Elitetruppen, es gibt verschiedene, logischerweise auch rivalisierende Fraktionen, es gibt iranische Unterstützung und Zusammenarbeit für manche und manches, etc etc. Ob man in diesem Gewirr von verschiedenen Interessen immer noch so kategorisch ausschließen, dass jemand darunter diesen Angriff für sinnvoll erachtet?
Jedenfalls ist es besorgniserregend, wenn GB und US scheinbar nur auf diesen Vorfall gewartet haben, um Militärschläge durchzuführen; dass Berichte suggerieren, "es bestehen wenig Zweifel am Einsatz von Giftgas" (welches eigentlich genau?), aber dann gleich nachlegen, "Beweise vielleicht bereits zerstört"?
Also Vergeltung für ein Verbrechen, dass sich nicht mehr beweisen lässt.

Di., 27.08.2013 - 12:52 Permalink
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salt & pepe Di., 27.08.2013 - 20:20

Hallo Oliver,
Hier ist ein Bericht der unsere Frage noch komizierter machen koennte:
http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-08/syrien-giftgas-un-inspektoren
Und zwar wird berichtet, die beteiligten Offiziere hätten nicht gewusst, dass es sich um giftgasbestueckte Raketen handelt, sondern hätten angenommen, es seien konventionelle Waffen. Könnte sein, aber wer Hat dann angeordnet, die Sprengköpfe anzuliefern und einzusetzen?

Di., 27.08.2013 - 20:20 Permalink
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Frank Stein Di., 27.08.2013 - 21:00

und Univ. Prof. Dr. Günter Meyer im Live Interview auf Bayern 2 im Jänner 2012. gut dass es Live war, so konnte man es nicht zensieren:

http://www.youtube.com/watch?v=ZU1_7rCUUwk

Ich denke der Mann wird wissen wovon er spricht (http://www.blogs.uni-mainz.de/fb09wirtschaftsgeographie/mitarbeiter/gun…).

Wer die Chemiewaffen eingesetzt hat und ob sie überhaupt eingesetzt wurden ist nicht bewiesen. Die USA möchte die Beweise noch vorlegen, aber erst bombardiert man offenbar mal vorsichtshalber. Ein OK des UN-Weltsicherheitsrates zum Eingriff in Syrien liegt nach wie vor nicht vor.

Es erscheint mir unlogisch dass Assad, nachdem er Woche für Woche Erfolge in der Bekämpfung der Terroristen und Söldner vorwiesen konnte, gerade jetzt eine Rote Linie überschreiten sollte wo er um die Konsequenzen bescheid weiß.

Die Syrer tun mir unendlich leid. Aber ich bin fest der Meinung: sollten wir da wieder zuschauen wird uns das irgendwann auch mal so ergehen, da könnte ich drauf wetten.

Di., 27.08.2013 - 21:00 Permalink
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salt & pepe Mi., 28.08.2013 - 20:11

Antwort auf von Frank Stein

Lieber frank stein, so unerhört ist das, was Günter Meyer da von sich gibt aber auch wieder nicht, oder? Natürlich wird in den Mainstream-Medien oft eine unreflektierte Position und Ansicht vertreten, die sich mit den Interessen der jeweiligen Regierung, und deren Verbündeten (in unserem Fall Italien, USA, Israel) deckt. Das ist bedauerlich, aber nicht wirklich überraschend; die Medien sind nicht per se oppositionell, oder widerständig, sie geben nur allzu oft die Ideen der Herrschenden wieder.
Das ist auch in punkto Syrien der Fall.
Die EU ist in Bezug auf den Iran nicht so weit weg von USA/Israel, genauso in Syrien; gewiss, einige Staaten versuchen sich herauszuhalten (z.B. Österreich), aber sonst folgt man dem, was die Verbündeten vorgeben (z.B. Deutschland). Zumindest hält sich Außenministerin Bonino bisher zurück; sie hat eine Unterstüzung von einer UNO Resolution abhängig gemacht, die es wahrscheinlich nicht geben wird.

Mi., 28.08.2013 - 20:11 Permalink
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Frank Blumtritt Mi., 28.08.2013 - 20:31

Antwort auf von Frank Stein

Lieber Salz&Pfeffer, für mich ist es natürlich nicht so unerhört was der Meyer sagt, aber ich lese seit zig Jahren "il manifesto", "le Monde Diplomatique" und seit einigen Jahren "Internazionale", womit ich leider zu einer "unerhörten" Minderheit der Bevölkerung zählen dürfte. Das Gros nährt seinen Intellekt mit Dolomiten oder Alto Adige (bestenfalls) und in der Regel mit der Bildzeitung oder Gazzetta dello Sport. Erschreckend ist die Verbreitung von Publikationen wie "Libero" oder "il Giornale". Der Mainstream-Journalismus ist schuldhaft tendenziös und nicht nur einfach "unreflektiert"!
Ein Kommentar zum Thema Syrien gestern auf "Südtirol News" lautete ungefähr so: "leidtragend ist wie immer das friedliche und wirtschaftlich blühende Israel"... Da bleibt einem doch glatt die Spucke weg!

Mi., 28.08.2013 - 20:31 Permalink
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Frank Stein Mi., 28.08.2013 - 20:50

Antwort auf von Frank Stein

Tut mir leid ich kann diese Relativierungen und Verharmlosungen wirklich nicht mehr hören. Eine Presse ist keinesfalls gezwungen das zu schreiben was die Herrschenden möchten. Sie machen die Propaganda aber trotzdem und zwar Flächendeckend und permanent. Dies ist meiner Meinung nach nicht mehr wirklich zu erklären. Man muss hier fast schon von "gleichgeschalteter" Presse sprechen. Eine freie Mainstream hat scheinbar aufgehört zu existieren.

Wenn es für Sie in Ordnung geht dass dies so ist, dann ist das natürlich Ihre Meinung. Ich kann da allerdings nur mehr den Kopf schütteln...

Mi., 28.08.2013 - 20:50 Permalink
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Profil für Benutzer salt & pepe
salt & pepe Mi., 28.08.2013 - 21:00

Antwort auf von Frank Stein

Die Sache mit Israel als Leidtragenden ist wirklich ein großer Topfen, genau umgekehrt wäre es wahr.
Der unsägliche Edward Luttwak (http://www.nytimes.com/2013/08/25/opinion/sunday/in-syria-america-loses…;) hat die Sache ausgesprochen: Israel und die USA gewinnen, weil und so lange in Syrien sich vier ihrer Gegner gegenseitig fertigmachen: Die syrische Regierung, Hizbollah, der Iran, und die Jihadisten der al-Qaeda.
Für Israel insbesondere ist ein lange andauernder und zermürbender Bürgerkrieg in Syrien, der sowohl die Hizbollah, als auch die syrische Regierung bindet, und den Jihadisten einen Spielplatz gibt, wo sie sich aufreiben können, fast eine ideale Lösung.
Ich will gar nix relativieren oder verharmlosen, nur ist es nun Mal nix Neues dass die Mainstream-Medien nun mal auch die Ideen der Herrschenden transportieren. Zum Thema Syrien etwa gibt es aber auch jede Menge anderer Perspektiven, die ohne große Schwierigkeiten zugänglich sind, hier in Deutschland zum Beispiel das Neue Deutschland, wo nicht mit NATO-Scheuklappen in die Welt geblickt wird.

Mi., 28.08.2013 - 21:00 Permalink