Umwelt | Zusammenleben?

Wolf lässt Wogen weiter hochgehen

Im Wipptal ist Feuer am Dach. Nach Wolfssichtungen fordern vor allem die Bauernvertreter die Politik auf, “mutige Entscheidungen” zu treffen – und üben Kritik am Land.
Wolf
Foto: Pixabay

“Wir brauchen Politiker, die in Sachen Wolf mutige Entscheidungen treffen!” Die Bauernbundvertreter sind hörbar erzürnt.
Im Wipptal ist Feuer am Dach. Über 400 Personen kamen am Donnerstag Abend ins Vereinshaus von Stilfes – der Fraktion jener Gemeinde, in der jüngst mehrere Wölfe gesichtet wurden: Freienfeld. “Sie sollen uns sagen, wie die Situation ist und wie wir mit dem Wolf umgehen sollen.” So die Forderung des Abends. Vorgebracht von Bauern, Kleintierzüchtern, Bürgern und Funktionären von Bauern- und Jagdverbänden und adressiert an die Volksvertreter, die der Bauernbundbezirk zum Informationsabend nach Stilfes geladen hatte. Gemeinsam mit Vertretern der Forst und des Amtes für Jagd- und Fischerei.

 

Drei Wölfe im Wipptal

In der Gemeinde Freienfeld wurden drei verschiedene Wölfe beobachtet, informierte Walter Rienzner von der Dienststelle für Jagd- und Fischereiaufsicht. Insgesamt neun Wildtierrisse durch Wölfe wurden dokumentiert. Rienzner stellte klar, dass die Wölfe von sich aus ins Wipptal kommen: “Wir sind in Südtirol umzingelt von Wolfsrudeln. Einzelne Tiere mache weite Wanderungen und können so überall hierzulande auftauchen.“

Auch Amtsdirektor Luigi Spagnolli war am Donnerstag vor Ort – ihm wurde, wie Walter Rienzner, von mehreren Teilnehmern der Veranstaltung vorgeworfen, Bürger und Gemeindeverwaltung zu wenig über Wolfsichtungen zu informieren. “Selbst wir als Bürgermeister bekommen ständig über alles Informationen, nur nicht über den Wolf”, kritisierte die stellvertretende Freienfelder Bürgermeisterin Verena Überegger.

Kritik am Amt gab es außerdem für das ungefragte Anbringen von Kameras auf Privatgrund und für fehlendes Verständnis für die Ängste der Bevölkerung vor dem Wolf. Spagnolli verteidigte das Vorgehen des Amtes und unterstrich, dass das Amt weder für noch gegen Wölfe sei. Für Entnahmen aber fehlten derzeit die rechtlichen Grundlagen.

 

Gegen den Minister

Vor Kurzem hat Umweltminister Sergio Costa (M5S) einen neuen “Plan zur Erhaltung und Bewirtschaftung des Wolfes in Italien” vorgestellt. Der Entwurf sieht 22 Maßnahmen vor, die darauf abzielen, das Zusammenleben von Wölfen und Nutztieren zu verbessern, zu beobachten, zu überwachen und die Bevölkerung zu informieren. Kontrollierte Abschüsse, die im Plan von 2017 noch vorgesehen waren, wurden gestrichen. Ein Zusammenleben zwischen Mensch, Nutztieren und Wölfen müsse auch ohne Tötung möglich sein, so Costas Credo. “Das ist Nonsens”, hatte bereits der EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann (SVP) gewettert. Er wirft Costa vor, vor den Umweltschützern eingeknickt zu sein. “In Italien leben rund 3.000 Wölfe. Diese riesige Population müsste längst verkleinert werden.”

 

Doch in Rom sei so schnell kein Umdenken zu erwarten, konstatierten Senator Meinhard Durnwalder und der Kammerabgeordnete Albrecht Plangger am Donnerstag in Stilfes. Beide zeigten sich, ebenso wie Dorfmann, unzufrieden mit dem Wolfsplan des Umweltministers. “Unser Weg läuft derzeit über die Lega und das Landwirtschaftsministerium”, berichteten die beiden Parlamentarier. So ist bereits durchgedrungen, dass Matteo Salvini künftig als Innenminister Abschüsse erlauben könnte – falls bestätigt werde, dass die Tiere eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen.

 

Kein Platz für den Wolf?

Von einem “eigenartigen Umgang in Italien mit dem Wolf” sprach Jagdverbandsdirektor Heinrich Aukenthaler. “Die Wolfszahlen steigen dramatisch, der absolute Schutzstatus entzweit die Bevölkerung und führt zu illegaler Selbstjustiz gegenüber dem Tier.” Auch Aukenthaler sprach von der Notwendigkeit legaler Regulierungsmaßnahmen.

Ebenso Thema war der Herdenschutz. Konrad Pfattner vom Amt für Bergwirtschaft informierte über Vor- und Nachteile von Zäunen, Hirten und Herdenschutzhunden. “Hunde schützen die Herde vor allen Eindringlinge. Dabei unterscheidet der Hund nicht zwischen Wolf und Wanderer”, gab Pfattner zu bedenken. Herdenschutz funktioniere nicht zu hundert Prozent und sei für kleine Tierhalter vom Aufwand her nicht immer zu stemmen. “Wir müssen uns fragen, was die Alternative ist.”

Die überwiegende Mehrzahl der Personen, die am Donnerstag Abend im Vereinshaus von Stilfes saßen, hat die Frage für sich bereits beantwortet: Freienfeld soll wolfsfrei werden – und mit ihm ganz Südtirol.

Bild
Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Sa., 06.04.2019 - 13:12

Das wäre das gleiche wie wenn man sämtliche Weinkellereien schließen würde, weil 10 Alkoholisierte einen Unfall verursachen. Wäre eigentlich noch vernünftiger, denn sie haben ja die Wahl nicht Alkoholiker zu sein. Der Wolf hat diese Wahl nicht;)

Sa., 06.04.2019 - 13:12 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Sa., 06.04.2019 - 14:22

Wildtierpopulationen in Kulturlandschaften, so die weltweite Erfahrung, müssen betreut und mit einem Management begleitet werden, inclusive Entnahme. Da die Populationen fruchtbar sind, ist ja keine Grenze in der Vermehrung gesetzt, es wird ja nicht bei 3.000 bleiben - und irgendwann wird die Kurve exponentiell und führt in die Katastrophe: die Natur regelt sich in von Menschen in hohem Maße veränderter Umgebung NICHT SELBST.
Auch zum Schutze des Wolfes selbst ist ein Management MIT Entnahme nötig: kommt der Wolf immer mehr in die Nähe des Menschen, wird es vermehrt zu Hybridformen mit dem Hund kommen. Das kann nicht das Ziel sein.

Sa., 06.04.2019 - 14:22 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Sa., 06.04.2019 - 15:45

Antwort auf von Ludwig Thoma

Sie gefallen mir (sofern ich persönlich sein darf), und Sie haben recht, ich kann manchmal mutiger sein: gleichwohl war es ja im Text versteckt, dass ich nicht extrem denke und die Ausrottung nicht befürworte. Zudem leben weder Wale noch Eisbären in menschlicher Kulturlandschaft.
Aber ja, auch als „entlaufener Bauerssohn“ muss ich Farbe bekennen. Ich gebe Ihnen Recht.
Da ich aber in freier Wildbahn zum Beispiel Bären entgegengestanden bin, spürte ich sozusagen deren Gefährlichkeit „auf der Haut“, sodass ich den kuscheligen Beschwichtigungen im Lande gegenüber Raubtieren nicht immer ruhigen Gewissens folgen kann.

Sa., 06.04.2019 - 15:45 Permalink