Politik | Landtag

Tyrolix und die Briten

Die Freiheitlichen wollen ein Gesetz mit dem die in Südtirol lebenden Briten nach dem Brexit den EU-Bürgern gleichgestellt werden. Was tut die SVP?
Großbritanien
Foto: upi
Der Landesgesetzentwurf, den die beiden freiheitlichen Landtagsabgeordneten Ulli Mair und Andreas Leiter Reber vor fünf Wochen im Südtiroler Landtag eingebracht haben, könnte ein Musterbeispiel dafür sein, wie klar und einfach Landesgesetze sein könnten.
Der Gesetzentwurf hat nur einen Artikel und auch der ist nur wenige Zeilen lang.
Der Text:
 
„Die Briten mit ordentlichem Wohnsitz in Südtirol werden auch nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union bei der Anwendung von Landesbestimmungen, die den Besitz einer Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaates verlangen, den in Südtirol lebenden EU-Bürgern gleichgestellt.“
 
Im Begleitbericht der freiheitlichen Landtagsabgeordneten heißt es dazu:
 
„In Südtirol leben ungefähr 150 britische Staatsbürger, die mit dem Austritt den Status eines EU- Bürgers verlieren werden und damit in verschiedenen Bereichen der lokalen Sozialbeihilfe Nachteile erleben können, wenn Landesbestimmungen für die Gleichstellung mit italienischen Staatsbürgern den Besitz der Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaates verlangen. ...(...)... Die rechtliche Gleichstellung der in Südtirol lebenden Briten soll sowohl für jene gelten, die bereits hier leben, als auch für jene, die in Zukunft nach Südtirol kommen.“
 

Historische Verbundenheit

 
Schaut man sich den Begleittext des Gesetzesentwurfe genauer an, so wird auch klar aus wessen Feder diese Gesetzesinitiative stammt. Denn die Freiheitlichen sprechen dort von „Geiste einer historischen Verbundenheit von Südtirolern und Briten“ und dass „Südtirol eng mit Großbritannien verbunden ist“.
 
 
Dafür werden zwei historische Beispiele angeführt:
 
  • Das Vereinigte Königreich ist Signatarmacht des Friedensvertrags mit Italien, unterzeichnet in Paris am 10. Februar 1947. Anhang IV enthält das Gruber-Degasperi- Abkommen („Pariser Vertrag“), das die Grundlage der Südtirol-Autonomie bildet und zu einer gedeihlichen Entwicklung Südtirols und einer Befriedung der Volksgruppen geführt hat. Damit wacht das Vereinigte Königreich über die Einhaltung des Gruber-Degasperi-Abkommens und übt auf diese Weise auch eine Art Schutzfunktion für uns Südtiroler aus. 
  • Die Briten haben im Jahr 1809 den Tiroler Aufstand gegen Unterdrückung und Fremdherrschaft mit Empathie betrachtet und uns damals auch finanziell unterstützt („Englische Subsidien“). 
Der Entwurf stammt vom Bozner Juristen und Historiker Otto Mahlknecht. „Es geht uns auch darum ein klares Signal zu setzten“, sagt der Freiheitliche Generalsekretär zu salto.bz.
 

Die Grundsatzfrage

 
Schon jetzt aber ist klar: An diesem Vorschlag wird sich im Landtag eine interessante Grundsatzdiskussion entwickeln.
Das zeigt die Stellungnahme des Rates der Gemeinden. Das Gremium, das zu allen Gesetzentwürfen des Landtages ein Gutachten abgeben muss, hat den freiheitlichen Vorschlag kurzerhand versenkt.
 
In Bezug auf den Landesgesetzesentwurf Nr. 15/19 „Gleichstellung der in Südtirol lebenden Briten“, eingelangt am 19.03.2019, erteilt der Rat der Gemeinden ein negatives Gutachten, da das Land Südtirol in diesem Bereich keine Gesetzgebungsbefugnis hat.“
 
Doch so einfach wird es nicht gehen. „Es gibt im Ausland mehrere Länder, die genau diese Initiative bereits umgesetzt haben“, sagt Mahlknecht.
So etwa hat der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) am 25. März 2019 angekündigt, dass das Land Kärnten ein eigenes Begleitgesetz für den Brexit beschließen wird, mit dem die in Kärnten lebende 600 Briten EU-Bürgern weitgehend gleichgestellt werden sollen. Ein ähnliches Gesetz will auch das Land Oberösterreich verabschieden.
Aber auch die Landesregierung des deutschen Bundeslandes Schleswig-Holstein bereitet sich auf einen geregelten, aber auch auf einen harten Brexit vor. „Wir müssen und auf alle Szenarien gefasst machen“, betonte Europaministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) bei der Debatte über ein „Brexit-Übergangsgesetz“, mit dem die Landesregierung Regelungen für einen geordneten Austritt Großbritanniens aus der EU treffen will.
Damit aber stellt sich die Frage: Ist das was in deutschen und österreichischen Bundesländer möglich ist, im autonomen Südtirol, das weit mehr Gesetzgebungskompetenzen hat, nicht machbar?
Man darf gespannt sein, wie sich die SVP im Landtag zu diesem Vorschlag verhalten wird.
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pérvasion Do., 18.04.2019 - 11:19

»Ist das was in deutschen und österreichischen Bundesländer möglich ist, im autonomen Südtirol, das weit mehr Gesetzgebungskompetenzen hat, nicht machbar?« Könnten Sie diese Aussage, bezogen auf deutsche Bundesländer, näher ausführen? Ich halte es jedenfalls für ein Märchen, dass Südtirol »weit mehr Gesetzgebungskompetenzen« hätte.

Do., 18.04.2019 - 11:19 Permalink
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Christian Mair Do., 18.04.2019 - 15:36

Die pragmatische Haltung der Freiheitlichen in dieser Frage ist zu befürworten.
Die historische Verbundenheit mit dem imperialistischen Land, das seit jeher seine Politik nach geostrategischen anstatt wertorientierten Gesichtspunkten ausrichtet, ist zumindest stark anzuzweifeln.
Zu nennen ist der Londoner Vertrag 1915, der Italien zum Kriegseintritt bewogen hat:
https://de.wikipedia.org/wiki/Londoner_Vertrag_(1915)

So muss auch diesmal, und gerade bei den Freiheitlichen, die Frage erlaubt sein:
Gibt es wirtschaftliche Interessen?

Do., 18.04.2019 - 15:36 Permalink
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Francesco Palermo Mo., 22.04.2019 - 15:41

Abgesehen vom politischen Hintergrund (die Briten sind [meistens…. nicht vergessen] weiß und wohlhabend, daher sind sie willkommen) ist die rechtliche Argumentation nicht so doof. Denn es stimmt, dass Südtirol über die Staatsbürgerschaft nicht befinden darf. Aber im Text heißt es, dass die Gleichstellung nur zwecks der „Anwendung von Landesbestimmungen, die den Besitz einer Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaates verlangen“ erfolgt. Die Formulierung ist nicht detailliert, was für einen Gesetzentwurf, der wahrscheinlich politisch keine Chance hat, auch nachvollziehbar ist. Sollte er irgendwie weiterverfolgt werden, sollte man dann den Anwendungsbereich der einzelnen Gesetze definieren und eine Liste davon erstellen. Jegliche Kompetenz grundsätzlich auszuschließen, ist allerdings etwas grob. Natürlich sollte man dann bereit sein, einen Streit vor dem Verfassungsgerichtshof in Kauf zu nehmen, der jedenfalls weitere Klarheit schaffen würde. Eine gewisse Kreativität in der Ausübung der Landeskompetenzen ist prinzipiell positiv, wenn man die Autonomie weiterentwickeln will. Unabhängig von der politischen Meinung zu den verschiedenen Vorschlägen und zu den historischen fantasievollen Gründen, die man angeben möchte.

Mo., 22.04.2019 - 15:41 Permalink