Umwelt | Pflanzen- "Schutz"?

Böden wie Dreck behandelt

Der Weltbiodiversitätsrat zeigt die Verantwortung der Landwirtschaft am raschen Artenschwund bei Tieren- und Pflanzenarten ÜBER der Erde auf. Und DARUNTER?
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Boden
Foto: upi

1. Die Anfänge des „Pflanzenschutzes“

Dass die Landwirtschaft mit den neuen Methoden falsch liege, hat schon der bekannte Bozner Schriftsteller Karl Felix Wolff vermutet. In einem genialen, tief empfundenen Weitblick in Richtung Ökologie – diese Richtung gab es damals noch nicht einmal! – griff er v.a. die Giftspritzerei an, aber auch andere Maßnahmen wie das Schleifen von Hecken.

Artikel in DER SCHLERN, Juli 1946:

  1. „Pflanzenschutz“ statt Bodenschutz

Der neueste, allarmierende Bericht über des Weltbiodiversitätsrates gibt K.F. Wolff’s Vorahnung recht, dass die Landwirtschaft mit den neuen Methoden falsch liege. 

Denn der Pflanzenschutz (sprich: Schutz der Produkte vorwiegend durch Chemie und Gentechnik) setzte sich stetig weiter durch, der Einfluss der „Giftkartelle“ (Frau Vandana Shiva, die Trägerin des Alternativen Nobelpreises, nannte so treffend die Monsantos- Bayer usw.) erfolgte auf  Geheiß des SBB und der Genossenschaften über „wissenschaftlich- praktische“ Anordnungen an den Beratungsring; nach und nach gaben die so geführten Bauern das Ausbreiten von reifem Mist – einer Vorstufe von Humus- auf, und haben all die Jahre ihre Böden wie eine Deponie für  Tonnen von synthetischen Substanzen (Giften und Kunstdüngern) und –last but not least-  für scharfe Jauche verwendet. Dies in krassem Gegensatz zu des Landesrats hehren Worten „Wir schauen auf unsren Boden als einen Schatz!“, womit er offensichtlich aber nicht den wahren Schatz unter der Erdoberfläche gemeint hat.

Die Giftkartelle haben die „Pflanzenschutzforschung“ synergetisch fortlaufend mit den Nahrungsmittelkonzernen ausgebaut und zunehmend in die Hand bekommen bis hin zum Verkauf  ihrer Sortenkonzessionen und dem vom Beratungsring koordinierten Ausbreiten der Chemiegaben. Dass durch zunehmende  Monokulturen und die gleichzeitig durchgeführten peniblen Flurbereinigungen das Habitat der Nützlinge zerstört und die Ausbreitung von Schädlingen gefördert wurde, wurde ein zusätzlicher Anstoss zur Erhöhung der Pflanzenschutzmittelumsätze. Was die Biodiversität im Boden für die Fruchtbarkeit der Pflanzen und  spezifisch bei den Fungiziden (ein Bodenleben ohne Pilze ist undenkbar!) eigentlich bewirkt, nämlich ein völlig gestörtes Gleichgewicht der Bodenwelt, war 2015 noch nicht völlig vergessen aber verschluckt:

Auf einer Landestagung mit dem Titel „Bodenbündnis – und Bodenschutzkonferenz“, anläßlich des International Year of Soils, hörte ich  zwar noch etwas über den Boden als Lebensgrundlage, gleichzeitig wurde aber auch leise bedauert, dass das EU- Projekt Atlas Soil Biodiversity gestoppt worden sei (sic!) und heute spricht meines Wissens kaum jemand mehr davon in diesen Kreisen. Ich glaube, dieses wertvolle Wissen wurde geopfert, zugunsten eines marktorientierten, immer „ausgefeilteren“ Pflanzenschutzes mit einem Gipfelprodukt wie dem „makellosen Hochglanzapfel“. 

Der Pflanzenschutz ersetzt also inzwischen den „Bodenschutz“, ohne Rücksicht auf die Kleinlebewesen. 

Dazu einen Gedanken zu einer Rai-Südtirol-heute- Meldung vom 29.4.2019: Das Land muss Böden für Uni-Gebäudebau (NOI-Park) sanieren, das wird doppelt soviel kosten wie ursprünglich/ vertraglich vorgesehen, nämlich 7 Mio €, wer zahlt das? Das Land sagt: es gilt das Verursacherprinzip! Soweit die Meldung. Meine Frage: gilt das auch in unseren landwirtschaftlichen Intensiv-Kulturen bzgl. Pestizid-Gift-Deponien für Schuler als Komplize, wenn er Pestizide als harmlos erklärt hat?

Am 7.5.2019 entzündete in mir der LR Schuler ein Glühwürmchen der Hoffnung mit dem  angekündigten Projekt über „Pflanzengesundheit“, das mir rein verbal eine Abkehr von der bisher vorherrschenden „Pflanzenschutz“-Realität in Aussicht stellt.

3. Der wahre Schatz im Boden

Das deutsche Umweltbundesamt  schreibt: Unsere Böden sind nicht öde und leer. Weltweit leben 1.000.000.000-mal mehr Bakterien im Boden als es Galaxien im Weltall gibt. In einem Teelöffel Boden können wir allein eine Million Bakterien, 120 Tausend Pilze und 25 Tausend Algen finden - alle mikroskopisch klein. Diese Kleinstlebewesen erfüllen wichtige Funktionen im Stoffkreislauf.

Es gäbe kein Leben auf der Erde ohne diese Lebewesen (podcast auf Rai Radio3 vom 22.04.2019, „Come sta il nostro pianeta“, im  Besonderen der Beitrag von Lorenzo Ciccarese).

Es ist davon auszugehen, dass diese unseren Augen verborgenen Kleinstlebewesen seit –zig Jahren systematisch und massenhaft diesen chemischen Mitteln ausgesetzt sind. Die Wirkungsweise der Biodiversität in den Böden ist nur ansatzweise erforscht, sicher ist, dass sie die Bodenfruchtbarkeit bestimmt. Sie zu untersuchen – bei Milliarden von Organismen- ist eine Sache von BigData. Und wir kommen nicht darum herum anzunehmen, dass die Biodiversität in den Böden dramatisch gestört ist. Wer wird für eventuelle Folgen  an der (weltweiten!) Bodenfruchtbarkeit gerade stehen?

Was zusätzlich die  Verantwortlichkeit der vorherrschenden Landwirtschaftsweise bzgl. der CO2-Emissionen in Rechnung stellt ist der Umstand, dass diese sehr effizient vom Humus absorbiert werden können. Nach Schätzung  von Lorenzo Ciccarese (ISPRA) sind in der Luft 800 Mrd Tonnen Kohlenstoff, in den Böden 1500 Mrd t gespeichert! Das bedeutet dass durch gezielte Humusproduktion weitere Mengen von CO2 gespeichert werden könnten.

Dies zum Thema Schaden für die Lebensmittelproduktion der Erde

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Klaus Griesser Do., 09.05.2019 - 16:08

Da bin ich Ihrer Meinung, mit einer Bemerkung: der "Kundengeschmack" ist so ein schicksalshaft verwendeter Begriff. Wenn endlich mal die Gesundheitsbehörde einschreiten und pestizidverseuchte Waren auf den Regalen verbieten wird, wird sich auch der "Geschmack" sofort ändern. Ein Beispiel: als die italienische Regierung das Rauchen in den öffentlichen Verkehrsmitteln und Lokalen verbot, schüttelte ich den Kopf und dachte: das werden die Italiener nie befolgen, aber weit gefehlt! Heute sehe ich sogar im Winter Leute die Balkone aufsuchen, um nicht die eigene Wohnung zu verseuchen.
Außerdem: der "makellose Hochglanzapfel" ist in den Köpfen der Apfelverkaufsmanager gewachsen, der ist geschmacklich überflüssig.

Do., 09.05.2019 - 16:08 Permalink
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Peter Gasser Do., 09.05.2019 - 19:33

Ja, den kenne ich auch. Sehr gut sogar. Schon der Genuss eines am Baum gereiften Apfels ist etwas, das heute kaum noch wer kennt.
Aber mit Obst von "Streuobstwiesen", so wohlschmeckend es ist, locken Sie - erstens - keinen heutigen Konsumenten ans Regal, und ernähren Sie - zweitens - gleichsam keine 8 Milliarden Konsumenten mit den heutigen Ansprüchen.
Da ist Realitätssinn nötig.

Do., 09.05.2019 - 19:33 Permalink
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Klaus Griesser Sa., 11.05.2019 - 18:29

Antwort auf von Papi llon

Es würde reichen, wenn die derzeitigen Subventionen für die industrialisierte Landwirtschaft/ Monokulturen gestrichen und dem kleinteiligen, für regionale Märkte produzierenden ökologischen Landbau zugeteilt würden. Das wäre ein gewaltiger Ansporn für ein BIOLAND SÜDTIROL!

Sa., 11.05.2019 - 18:29 Permalink
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Peter Gasser Do., 09.05.2019 - 19:52

... das Beispiel mit dem "Schlern" ist gut, und es öffnet Aug` und Geist.
WAS ABER würde der liebe & geschätzte Karl Felix Wolff wohl sagen, wenn er sähe, wie sehr Arbeiter & Angestellte die Atem-Luft von Stadt & Land mit Produktion und Betrieb ihrer Autos verpesten, um nur EIN Beispiel zu nennen?
Und schon haben wir wieder so etwas wie soziale Gerechtigkeit hergestellt.
Die geltenden Gesetze schaffen die Bürger Europas, unsere Gesellschaft, wir Konsumenten.
Nicht der einzelne Landwirt hat "Schuld": denn dann müssten Sie auch den Montagearbeiter in der Autofabrik verteufeln, weil er diese giftausstoßenden Motoren zusammenbaut und in Autos montiert, und diesen verdammten Arbeiter dort, diesen Verdrecker unserer Atem-Luft, endlich an den Pranger stellen? Tun Sie das?
Warum tun Sie es mit dem Arbeiter auf der Obstwiese, aber NICHT mit dem Arbeiter in der Fabrik?

Do., 09.05.2019 - 19:52 Permalink
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Peter Gasser Do., 09.05.2019 - 20:15

... ja, übertragen gemeint...
... ja, doch schon, allein schon wegen der Baumzahl... dann wegen der Arbeitsintensität, dann wegen der Produktionsunsicherheit... der mengenmäßige Ertrag im Durschnitt der Jahre ist KEINESFALLS auch nur annähernd vergleichbar. Da müssten die Etwerbs-Obstbauern ja allesamt Masochisten sein, wenn sie völlig umsonst Geld und ZEIT ausgeben für Bäume und Pflege, wenn ohne dasselbe zu erzielen wäre...

Do., 09.05.2019 - 20:15 Permalink
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Klaus Griesser Fr., 10.05.2019 - 09:03

Antwort auf von Peter Gasser

Sehen Sie , Herr Gasser, jetzt sind Sie vom für sie unangenehmen Konsumationspunkt "Hochglanzapfel"-"am Regal" wieder zurückgelaufen zur Produktion dieses Konsumationsartikels, womit Sie beweisen, dass die Produktion der Produkte das Entscheidende ist und mit welcher Argumentation Sie den Konsumenten die Schuld in die Schuhe schieben. Die Nahrungsmittelketten übernehmen natürlich gerne die industrialisierte Massenproduktion, die am meisten Profit bringt (der eigentliche, wahre Antrieb für die Produktion), sind aber immer mehr durch die Konsumenten gezwungen, auch biologische Produkte in ihre Warenbestände aufzunehmen. Wenn die Subventionierung für die industrielle Massenproduktion weg fiele und die Kostenwahrheit hergestellt wäre, würden viele - ich glaube die meisten!- Produkte von den Regalen verschwinden. Einen gesunden, guten Apfel produzieren kostet sicher mehr, vor allem wenn die Mehrarbeit dafür zu bezahlen ist. Die Pestizide sind eigentlich nur Mittel zur Reduzierung von Mehrarbeit, aber die damit zusammenhängende Produktion ist subventioniert. Wer zahlt die Subventionen, wenn nicht die Masse der steuerzahlenden Konsumenten. Und wie in meinem Kommentar gesagt, sie stören die natürliche Bodenfruchtbarkeit: ein gesunder Boden braucht für seinen Aufbau mehrere hundert Jahre! Alles zusammen ein riesiger Schaden für die Gemeinschaft, ein Riesengewinn für die Konzerne.

Fr., 10.05.2019 - 09:03 Permalink
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Peter Gasser Do., 09.05.2019 - 20:26

Da haben Sie Recht; bei der Stimmabgabe ist der Bauer eben auch Bürger & Konsument. Natürlich ist er mit allen anderen "dabei", außer der Herr Griesser, dem ich ohne weiteres zugestehe, dass er die richtige und seine Philosophie, soweit es ihm eben in dieser Gesellschaft möglich ist, auch lebt.
Ein Auto, ein Hemd, ein Handy und einen Computer wird aber auch er haben.

Do., 09.05.2019 - 20:26 Permalink
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roberto paiarola Mo., 13.05.2019 - 17:40

Grazie a Klaus Griesser per l'articolo. Potremmo prendere esempio dal Sikkim che è da alcuni anni il primo stato "biologico" del mondo. Desidero anche ricordare che Domenica 19. Maggio c'è a Caldaro (ore 10.00 vicino al Hotel Seegarten) la marcia "stop - pesticidi".

Mo., 13.05.2019 - 17:40 Permalink