Politik | Schule

Grüne Zerstörungswut?

Die Grünen legen einen neuen Gesetzentwurf für eine mehrsprachige Schule vor. Die Südtiroler Freiheit tobt: “Die wollen alles Deutsche und Tirolerische vernichten!”
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Foto: Pixabay

In wenigen Tagen geht wieder ein Schuljahr zu Ende. Und eine altbekannte Diskussion beginnt wieder von vorne. Die Grünen Landtagsabgeordneten haben einen neuen Gesetzentwurf für eine mehrsprachige Schule vorgelegt. Die Südtiroler Freiheit läuft Sturm.

 

Neuer Versuch

 

Am Donnerstag Vormittag präsentieren die Grünen ihren Gesetzentwurf “Recht auf Mehrsprachigkeit im Bildungssystem des Landes”. Noch bevor die Aussendung dazu verschickt ist, meldet sich Myriam Atz Tammerle zu Wort. “Grüne wollen deutsche Schule zerstören!” So die Alarmbotschaft der Landtagsabgeordneten der Südtiroler Freiheit (STF). Und: “Lassen wir uns unsere hart erkämpften Autonomierechte nicht von einer Partei zerstören, der es lediglich darum geht, alles Deutsche und Tirolerische zu vernichten!”

Die mehrsprachige Schule – ein Vernichtungsschlag gegen “alles Deutsche und Tirolerische”? Ob man sich bei der STF den Gesetzentwurf durchgelesen hat, ist nicht bekannt. Jedenfalls ist darin von der mehrsprachigen Schule als Zusatzangebot die Rede.
Es ist nicht der erste Versuch der Grünen. Bereits vor drei Jahren hatten sie einen Landesgesetzentwurf ausgearbeitet, der im Landtag von der damaligen Mehrheit SVP-PD abgelehnt wurde. Einen entsprechenden Gesetzentwurf legte auch Ex-Senator Francesco Palermo im Parlament vor.

“Wir haben unseren Landesgesetzentwurf von 2016 überarbeitet und wieder vorgelegt”, erklären nun Brigitte Foppa. Riccardo Dello Sbarba und Hanspeter Staffler.

 

Zusätzlich und freiwillig

 

Was sieht der neue Grüne Vorschlag für Kindergarten und Schule vor?

  • Die Einschreibung in zweisprachige Abteilungen basiert auf Freiwilligkeit und ersetzt nicht das bestehende Kindergarten- und Schulangebot. Dieses bliebe in jedem Fall gesichert.
  • Eine mehrsprachige Abteilung bzw. Klasse wird nur eingerichtet, wenn genügend Nachfrage besteht. Parallelklassen sollen eingerichtet werden, wenn sich mindestens 14 (Kindergarten) bzw. 15 (Schule) Kinder pro Jahrgang dafür einschreiben.
  • In diesen Abteilungen bzw. Klassen kommt Personal beider Sprachgruppen zum Einsatz.
  • Der Fachunterricht erfolgt in einer der beiden Landessprachen Deutsch bzw. Italienisch. Um einen ausreichenden Fachwortschatz zu garantieren, wird die Sprache im Laufe der Schulkarriere gewechselt. Wann und wie oft dieser Wechsel stattfindet, wird von den autonomen Schulen festgelegt. In den Bewertungsbögen wird vermerkt, in welcher Sprache der Unterricht jeweils stattgefunden hat.
  • In der Unterstufe kann auch ein jahrgangsübergreifendes mehrsprachiges Angebot entwickelt werden, in der Oberstufe und den Landesberufsschulen kann der mehrsprachige Schwerpunkt auch in einzelnen Modulangeboten erfolgen.
  • Zusätzliche Aus- und Weiterbildungsangebote für das Personal in mehrsprachigen Abteilungen, soll dieses auf die neue schulische Situation vorbereiten.

 

Schutz und Freiheit vereinen


Ihnen gehe es um die Wahlfreiheit der Familien und Eltern, erklären die Grünen. “Viele Familien wünschen sich, dass ihre Kinder gemeinsam mit den Kindern der jeweils anderen Sprachgruppe in der Klasse sitzen und das schulische Angebot nutzen können.” Daher sei die Zeit mehr als reif für ein mehrsprachiges zusätzliches Bildungsangebot. Unter anderem verweisen die Grünen auf Art. 3 des Rahmenabkommens zum Schutz nationaler Minderheiten, das 1995 vom Europarat unterzeichnet wurde. Dieser besagt: “Jede Person, die einer nationalen Minderheit angehört, hat das Recht, frei zu entscheiden, ob sie als solche behandelt werden möchte oder nicht; aus dieser Entscheidung oder der Ausübung der mit dieser Entscheidung verbundenen Rechte dürfen ihr keine Nachteile erwachsen.”

Der Gesetzentwurf wird in der nächsten Sitzung des I. Gesetzgebungsausschusses behandelt werden “und wir hoffen darauf, dass die Mehrsprachigkeitsbeschwörungen vieler Parteien während des Wahlkampfs nun in eine breite Zustimmung münden”, sagen die Grünen. Bei der Südtiroler Freiheit ist die Empörung riesig. “NEIN zu einer freiwilligen Assimilation!” stimmt Melanie Mair in die Kritik von Myriam Atz Tammerle ein. Als Vizesprecherin der STF-Jugendoranisation sei “klar gegen die mehrsprachige Schule”, so Mair – “zum Schutz unserer deutschen Minderheit in einem fremden Staat”.

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Patrick Daldos Mo., 17.06.2019 - 14:37

Ich möchte auch 2 Aspekte anmerken:
im Unterland gibt es bereits ziemlich flächendeckend die zweisprachige italienische Schule. Allerdings schreiben Eltern ihre (nicht deutschsprachigen) Kinder immer noch unverändert oder sogar noch vermehrt in die deutschsprachige Schule ein.
Was ich daraus ableite: dieses zweisprachige Schulmodell funktioniert nicht.

Anders ist es mit Montessori-Schulen, Waldorfschulen, .. diese funktionieren meistens sehr gut, weil die Kinder, die sie besuchen, gut ausgewählt und auch die Eltern entsprechend motiviert sind und mitarbeiten und die Kinder begleiten.

Eine begrenzt angebotene zweisprachige oder mehrsprachige Schule kann funktionieren, wenn dort wirklich eine gute Auswahl getroffen wird und auch die Eltern zur Mitarbeit und/oder Begleitung der Kinder verpflichtet und motiviert werden.
Wenn man diesen Punkt ausser acht lässt, dann wird die mehrsprachige Schule nicht funktionieren, ansonsten kann sie in einem begrenzten Rahmen als Sonderangebot funktionieren.

Allerdings generell zum Sprachenerwerb: warum sind die Englischkenntnisse unserer Oberschüler besser als die Zweitsprachenkenntnisse (jeweils Italienisch oder Deutsch) - also bei halb so vielen (oder teilweise noch viel wenigern) Unterrichtsstunden ist der Erfolg grösser.
Das liegt sicherlich an der Motiviation, aber auch an der Qualität des Unterrichts. Dort ist meiner Meinung nach der gravierendste Unterschied, wo man mal schauen sollte was man besser machen kann.

Mo., 17.06.2019 - 14:37 Permalink
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Elisabeth Garber Do., 11.07.2019 - 23:02

Wenn man am Schulende, am Ende der Kräfte und wohl wissend, dass der Staat/das Land von Jahr zu Jahr im Bildungssektor irgendwo und irgendwie einspart - trotz gegenteiliger Notwendigkeiten (-> Inklusion/Migration/Jugendliche mit psychischen Störungen/Lehrpersonen mit Burnoutsyndrom), was sich notgedrungen auf die Unterrichts-Qualität auswirkt... wenn man dann zusätzlich beobachtet, dass sehr viele Jugendliche in der Landessprache bzw. der Hochsprache große Defizite aufweisen (Wortschatz, Ausdruck, RS)...dann tickt man innerlich fast aus, wenn man von so kostspieligen(!) und noblen schulischen Sonderwünschen der Partei der Grünen liest.
In welcher Welt leben die Grünen(?) oder noch zielgenauer wäre die Frage, in welcher Welt lebt denn die Bildungspolitik? Inzwischen scheint die Kluft zwischen Theorie und Praxis dermaßen gewachsen zu sein, dass man anscheinend vergisst, dass es im bestehenden Schulsystem schon erhebliche Engpässe und Mängel an Ressourcen gibt.
Abstand gewinnen ist gefragt. Deshalb kommt mein Kommentar zu diesem Thema so spät, obwohl er längst geschrieben ist.
Mir fehlen zu diesem Artikel - wie üblich - Stimmen aus dem Bereich der Schule jeder Altersstufe...und/oder jeder Kompetenzstufe.

Do., 11.07.2019 - 23:02 Permalink
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Sepp.Bacher Do., 11.07.2019 - 23:31

Antwort auf von Elisabeth Garber

Ja Frau Garber, Parteien stellen hochgestochene Forderungen und die Realität zeigt, was möglich ist. Da würden dann die Schulleute jeder Stufe mitreden, denn die müssen es ja umsetzen.
Am billigsten wäre, die Übernahme des gut erprobten und erfolgreichen ladinischen Schulmodells. Diese Schulen besuchen Kinder der Ladiner, Deutschen, Italiener und Migranten/Gastarbeiterinnen. Man hört nie von Problemen analoger Art. Oder was meinen Sie genau, was nicht realisierbar wäre?

Do., 11.07.2019 - 23:31 Permalink
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Elisabeth Garber Fr., 12.07.2019 - 01:03

Antwort auf von Sepp.Bacher

Ich habe von fehlenden Ressourcen gesprochen Herr Bacher ( = Geld=Personal) und von prinzipiellen Sprachmängeln, nicht mehr und nicht weniger.
Das ladinische Modell kenne/kannte ich nicht. Es gibt also Studien dazu, dass es erprobt und gut ist, wird stimmen. Dann verstehe ich nicht, warum das Modell nicht landesweit angewendet wird, oder etwa doch? Glauben Sie da wären alle einverstanden? Italiener wie Deutsche? Zum Beispiel die Lehrpläne betreffend...oder die 5-oder 6tage Woche?
Glaube Ladinien ist nochmal ein Kapitel für sich - Ladiner haben durch ihre ganz eigene Sprache schon a priori einen besseren Zugang zu Deutsch und Italienisch.

Fr., 12.07.2019 - 01:03 Permalink
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Sepp.Bacher Fr., 12.07.2019 - 07:32

Antwort auf von Elisabeth Garber

Ich meinte, die dritte wählbare Schiene müsste man nicht erst erfinden, sondern es gibt bereits ein erfolgreiches Modell einer paritätisch zweisprachigen Schule. Und die dritte Schiene würde die deutsche Schule entlasten, denn dann würden viele Schüler, die nicht aus deutschen oder zweisprachigen Familien stammen, nicht mehr in die deutsche Schule gehen.

Fr., 12.07.2019 - 07:32 Permalink
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Sepp.Bacher Fr., 12.07.2019 - 08:18

Antwort auf von Sepp.Bacher

Ergänzung, zum besseren Verständnis des ladinischen Schulmodells:
https://www.salto.bz/de/node/1690
Vor Jahren hat sogar Durnwalder im Zusammenhang mit der Überlastung der deutschen Schule durch nicht deutschsprachige Schüler einen ähnlichen Vorschlag gemacht - meine Stellungnahme dazu:

https://www.salto.bz/de/article/06062013/zweisprachige-schule-fuer-und-…

Fr., 12.07.2019 - 08:18 Permalink
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Elisabeth Garber Fr., 12.07.2019 - 09:37

Antwort auf von Sepp.Bacher

Wenn das aber eine dritte wählbare Schiene wäre ( prinzipiell gut) dann wäre diese dritte Schiene doch wohl mit erheblichem Zeitaufwand und Kosten verbunden. Es gibt für mich wichtigere Dinge ( Klima/Umwelt/Migration u. Rechtsruck/u.a.) auf der derzeitigen Tagesordnung der Politik. Diese meine Meinung müssen Sie mir aber lassen!

Fr., 12.07.2019 - 09:37 Permalink