Gesellschaft | Tagebuch aus Alpbach

Wohin gehst du, Südtirol?

Junge SüdtirolerInnen schreiben über ihre Eindrücke am Europäischen Forum Alpbach. Heute Greta Sparer* über die Frage, warum Südtirol mehr Geisteswissenschaftler braucht.
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Foto: Casa Alpbach
Südtirol braucht Fachkräfte, in Technik, Pflege etc. Das sind Bedürfnisse, die befriedigt werden wollen. Aber was ist mit einer Vision, die darüber hinausgeht? Was sind unsere langfristigen Ziele, wirtschaftlich, aber auch kulturell und politisch? Wer fühlt sich verantwortlich für diese langfristige Vision? Ich finde, wir sollten die Geisteswissenschaftler(innen) dafür zur Verantwortung ziehen und sie ins Land (zurück)holen. Das habe ich unserem Landeshauptmann bei den Tiroltagen in Alpbach vorgeschlagen.
Das habe ich unserem Landeshauptmann bei den Tiroltagen in Alpbach vorgeschlagen.
Immer wieder fragen mich Freundinnen in Wien, ob ich auch wie alle anderen Südtiroler irgendwann wieder zurückkehren werde nach Südtirol. Ich sage dann: Ich weiß nicht, was ich da soll. Ich bin keine Technikerin und auch sonst keine Fachkraft im klassischen Sinne. Ich bin Literaturwissenschaftlerin, also Geisteswissenschaftlerin, und Betriebswirtin. In Wien lebe ich seit zehn Jahren.
Zurzeit bin ich mit dem Club Alpbach Südtirol Alto Adige, CASA, beim Europäischen Forum Alpbach in Tirol und ich muss sagen, bei aller Internationalität hier beim Forum, ist es auch schön, wieder einmal unter Südtiroler(innen) zu sein. Vielleicht gibt es ja in Südtirol doch noch einen Platz für mich?
Unser Landeshauptmann meint ja. Arno Kompatscher ist ein eloquenter Redner, ein reflektierter Denker und ein charismatischer Landeshauptmann. Das haben wir, Club Alpbach Südtirol Alto Adige (CASA), bei unserem Kamingespräch mit ihm hier in Alpbach sehen und hören können. Auf meine Frage, wie man die Geisteswissenschaftler(innen) (zurück) ins Land holen könnte, konnte er mir aber keine befriedigende Antwort geben.
 
Ich glaube, Südtirol braucht Geisteswissenschaftler(innen), die den Blick für das große Ganze haben, analytisch sind und vorausdenken, nicht nur auf die unmittelbaren Bedürfnisse reagieren.  
Investitionen in so etwas wie Nachhaltigkeit und eben Geisteswissenschaften seien schwer durchzusetzen, weil es da halt nichts zum Angreifen gibt und kein Band zum Durchschneiden. Außerdem habe sich das Land damals für keine „Volluni“ entschieden. 
Einige Leute sind nach dem Kamingespräch zu mir gekommen, um mir zuzustimmen, nicht nur solche aus den Geisteswissenschaften. Jakob (Ökonom) etwa findet es wichtig, den ländlichen Raum für alle Menschen attraktiv zu machen und zu verhindern, dass ein Teil von ihnen abwandert und nicht zurückkehrt, weil er sich nicht gebraucht fühlt.
Ich glaube, Südtirol braucht Geisteswissenschaftler(innen), die den Blick für das große Ganze haben, analytisch sind und vorausdenken, nicht nur auf die unmittelbaren Bedürfnisse reagieren.  
Ich finde, Südtirol könnte sich heute eine Investition in die Geisteswissenschaften leisten, zum Beispiel in ein Uni-Institut für Literatur und italienische, deutsche und ladinische Sprache. Da gäbe es dann auch ein medienwirksames Band zum Durchschneiden. Und ich überlege mir dann, nach Südtirol zurückzukommen.
 
 
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Pseudo Nym Sa., 24.08.2019 - 07:02

Ein Institut gründen, wo man 15-25 Versorgungsposten für Geisteswissenschaftler schaffen kann klingt nicht nach Zukunft, sondern nach Vergangenheit.

Klüger wäre die Schaffung von besseren Bedingungen für junge Gründer. Die Zukunft wird nicht in einem Institut für Sprachen geformt, sondern im Silicon-Valley. Ich sage nicht, dass das gut ist, aber wir müssen dieser Realität ins Auge sehen.

Ich hoffe dieses Thema wird auch in Alpbach besprochen und im Rahmen dieser Tagebuch-Serie aufbereitet.

Sa., 24.08.2019 - 07:02 Permalink
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Sepp.Bacher Sa., 24.08.2019 - 08:29

Antwort auf von Pseudo Nym

Möglicherweise denkt Kompatscher an etwas anderes bei Geisteswissenschaften. Greta Sparer verbindet damit ihre Literaturwissenschaften bzw. Sprache. Kompatscher sagt: "Ich glaube, Südtirol braucht Geisteswissenschaftler(innen), die den Blick für das große Ganze haben, analytisch sind und vorausdenken, nicht nur auf die unmittelbaren Bedürfnisse reagieren." Da meint er wohl Philosophen!

Sa., 24.08.2019 - 08:29 Permalink