Umwelt | Gülle

Ein Testfall für die Politik

Die Politik spricht vom Erhalt der Artenvielfalt – derweil geht deren Zerstörung in Südtirol ungehemmt weiter. Die Umweltschutzgruppe Vinschgau schlägt Alarm.
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Foto: Umweltschutzgruppe Vinschgau
Kürzlich wurden auf den über 1600 m hoch gelegenen Arluiwiesen bei Graun im Vinschgau erstmals große Mengen an Gülle ausgebracht. Dieser bei Biologen bekannte Hotspot der Biodiversität droht nun ebenfalls der modernen „landwirtschaftlichen Praxis“ zum Opfer zu fallen. 
Ein anderer Fall: Vor kurzem wurde wiederholt um die Planierung von Rojer Wiesen bei Reschen auf 2000 m Meereshöhe angesucht mit der Argumentation, dass ohne Rationalisierung der Arbeit die Bergwiesen nicht erhalten werden können. Sowohl bei starker Düngung als auch bei der Planierung geht Biodiversität unweigerlich verloren. Das Gravierende dabei ist, dass dies auf den letzten verbliebenen extensiv bewirtschafteten Bergwiesen der Gemeinde Graun, die zu den artenreichsten des ganzen Vinschgaus gehören, passiert. Damit teilen die Arluiwiesen das Schicksal zahlreicher anderer Bergwiesen Südtirols.
Die Umweltschutzgruppe Vinschgau schlägt jetzt Alarm. „Wir haben  Verständnis für die Arbeitswelt der Bauern, die auf den Ertrag ihrer Wiesen angewiesen sind. Auch das Argument der Arbeitserleichterung kann bis zu einem gewissen Maß nachvollzogen werden“, heißt es in der Aussendung. Und weiter: „Aber es muss in einem reichen Land wie Südtirol Wege geben, um die Bauern für eine eventuelle Minderung des Ernteertrags oder für einen zusätzlichen Zeitaufwand zu entschädigen und so zu angemessenen Arbeitsformen zu motivieren. Dazu braucht es aber einen attraktiven, längst schon überfälligen, gegebenenfalls auch verpflichtenden Vertragsnaturschutz.
 
 
Die Umweltschutzgruppe verweist darauf, dass Landesrat Arnold Schuler hat vor Monaten die „Ökologisierung der Landwirtschaft“ angekündigt, während Landeshauptmann Arno Kompatscher gemeinsam mit den Schuler und Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer Südtirol als das Land der Artenvielfalt“ ausgerufen habe. Die SVP hat kürzlich in einer Aussendung die vorgeschlagene Ausrufung des Klimanotstandes abgelehnt mit den kernigen Worten: „Wir rufen nicht. Wir handeln.“ „Nun ist Gelegenheit zum Handeln da, denn die Realität holt anhand nüchterner Fakten permanent die Vision vom Erhalt der Biodiversität in Südtirol ein“, schreiben die Vinschger Umweltschützer. 
Die Umweltschutzgruppe Vinschgau fordert die Landesregierung auf, anhand dieser konkreten Beispiele sofortige Maßnahmen in die Wege zu leiten, dass Bauern ohne wirtschaftliche Verluste ihre Bergwiesen im Sinne der Biodiversität pflegen können. Bergwiesen müssen ihre in Jahrhunderten entwickelte Biodiversität bewahren können. Sie dürfen nicht einer falsch verstandenen Rationalisierung und sogar Entsorgung von überschüssigen Nährstoffen zum Opfer fallen.
Ein Marshallplan gegen die Klimakrise mag für Afrika global durchaus gut gedacht sein, aber lokal handeln soll darüber nicht vergessen werden“, heißt am Ende der Ausssendung.
 

Grüner Applaus

 
Auch die Südtiroler Grünen haben auf diesen „eklatanten Fall von fehlgeleiteter Landwirtschaftspolitik“ reagiert. „Gülle auf Bergwiesen stinkt zum Himmel und zerstört die Artenvielfalt. Wir fordern die Landesregierung auf, diesem Unfug Einhalt zu gebieten“, schreiben Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba und Hanspeter Staffler.
 
 
Die Südtiroler Landwirtschaftspolitik fördere seit Jahrzehnten die intensive Milchwirtschaft mit öffentlichen Geldern. Das Ergebnis seien viel zu viele Rinder für die vorhandenen Wiesen und Weiden, ungefähr die Hälfte der notwendigen Futtermittel (Heu und Kraftfutter) müsse daher aus dem Ausland und aus Übersee importiert werden. Überschüssige Gülle und Mist sind aber im Land zu entsorgen.
Die Ausbringung der Gülle auf Bergwiesen ist – für die Grünen - eine Verzweiflungshandlung, weil die Bauern nicht mehr wissen, wohin damit. Der Mehrertrag an Heu könne vernachlässigt werden, die Zerstörung der Bergblumen sei fatal. Es verschwinden damit auch unzählige Schmetterlinge, Wildbienen und andere Insekten, die auf diese Bergkräuter angewiesen sind.
Die Südtiroler Landwirtschaftspolitik ist in einer Sackgasse gelandet, da sie maßgeblich für den massiven Rückgang der Artenvielfalt verantwortlich ist. Wir stehen für ein sofortiges und radikales Umdenken“, erklären die Südtiroler Grünen.
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Sepp.Bacher Do., 22.08.2019 - 17:51

Wenn man den Frevel auf den Fotos sieht, dann kommt einem zum Kotzen. Und auch jedem vernünftige und naturverbundene Bauer muss bei der Ansicht ganz anders werden. Der Aussendung der Umweltgruppe und der Grünen ist da nichts mehr hinzu zufügen!

Do., 22.08.2019 - 17:51 Permalink
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Eduard Gruber Fr., 23.08.2019 - 15:18

Wenn alle naturverbunden und vernünftig wären, bräuchten wir keinen Umweltschutz und Gesetze zum Schutz der Natur. Leider ist bei so manchem das Hemd näher als der Rock, und für ein bisschen mehr Heuernte nimmt man auch die negativen Folgen der Gülleausbringung in Kauf. Eigentlich schade, dass hier die Politik/irgendjemand eingreifen muss, um so ein Handeln zu vermeiden. Der Natur-und Umweltschutz muss in den Köpfen der Menschen vorhanden sein, ansonsten wird das nie was. Alle ihr da draußen, denkt an eure Kinder und Enkel, und nicht an eurem Geldbeutel. Und bedenkt: die Natur braucht den Menschen nicht, aber der Mensch kann nicht ohne Natur.

Fr., 23.08.2019 - 15:18 Permalink
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Peter Gasser Mo., 26.08.2019 - 19:25

Antwort auf von Eduard Gruber

„Ihr da draußen“???
Nein, alle, auch Sie da drinnen. Nicht die 4 % Bauern zerstören die Natur sondern die 96% Arbeiter und Angestellten mit ihrem Anspruch des Luxuslebens, der billigen Fortbewegung, der billigen Kleidung und billigsten Nahrung, ständig neuem Auto und Handy, und dem Anspruch an eine Spass-, Event-, Freizeit- und Urlaubsgesellschaft.
Man zeigt permanent auf den kleinen Bevölkerungsanteil der Bauern, die euch „da drinnen“ billigst Nahrung und Kleidung zur Verfügung stellen müssen, und ihr zeigt dann auch noch mit dem Finger auf diese.
Ethik, du bist verloren gegangen im Anspruch auf Billignahrung, Billigkleidung, Billigurlaub und Luxus-Suv.

Mo., 26.08.2019 - 19:25 Permalink