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Dreck am Ende des Tunnels

Salto.bz hätte gerne über die Pressekonferenz von Raffaele Zurlo berichtet. Doch wir wurden vorsorglich nicht eingeladen. Trotzdem: hier die Anklage des BBT-Vorstandes.
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Foto: BBT SE
Raffaele Zurlo hat losgelegt. Am Montagnachmittag gab der italienische Vorstand der BBT SE am Bozner Sitz des Unternehmens eine Pressekonferenz. Zurlo legte dabei seine Sicht der Dinge zum Konflikt beim BBT und zu seiner und Konrad Bergmeisters bevorstehender Ablösung als Vorstand dar.
Es wurde eine Generalabrechnung mit Österreich, den dortigen Aufsichtsräten und vor allem mit Konrad Bergmeister. Der Ingenieur der italienischen Eisenbahnen RFI bemühte Mafia-Vergleiche, stellte Bergmeister als (Halb)Kriminellen hin, Österreichs Aufsichtsräte als willfährige Helfershelfer, die Hunderte Millionen von Euro verschwenden. Zurlo tischte auch all jene schweren Vorwürfe gegen Bergmeister auf, über die salto.bz vor zwei Wochen exklusiv berichtet hatte. Dabei nannte er bewusst weder Ross noch Reiter. Sondern er deutete nur an.
34 Minuten lang redete der italienische BBT-Vorstand, flankiert von den beiden Verantwortlichen der italienischen BBT-Baustellen, Stefano Fuoco und Rosario Sorbello, sowie dem BBT-Presseverantwortlichen Thomas Albarello (vorgestellt als Personalchef). Das Trio diente als Staffage, denn es redete ausschließlich Zurlo.
Der Ingenieur aus Foggia präsentierte sich dabei selbst als Lichtgestalt, als Kämpfer für den Steuerzahler und Diener der Gerechtigkeit und Transparenz, der sich gegen ungenannte, finstere Mächte gestellt hat.
Die Hauptbotschaft dabei: Es gehe nicht um persönliche Befindlichkeiten, sondern um millionschwere Unregelmäßigkeiten und Machenschaften.
Der Ingenieur aus Foggia präsentierte sich dabei selbst als Lichtgestalt, als Kämpfer für den Steuerzahler und Diener der Gerechtigkeit und Transparenz, der sich gegen ungenannte, finstere Mächte gestellt hat. Und deshalb jetzt als Vorstand gehen muss.


Zurlos Transparenz

 
Transparenz ist bei der BBT SE ein Dogma“, erklärte Raffaele Zurlo gleich zu Beginn seiner Ausführungen. „Wir machen alles transparent, denn die Staatsbürger müssen korrekt informiert werden und wissen, wofür die Steuergelder verwendet werden.“
Wie diese Transparenz und die Unternehmenskultur unter Raffaele Zurlo allerdings aussehen, wurde bereits bei der Einberufung der Pressekonferenz deutlich. Pressesprecher Thomas Albarello hat am späten Montagvormittag telefonisch zur Pressekonferenz für 13.30 Uhr am BBT-Sitz eingeladen. Es gab weder eine formelle Ankündigung noch eine schriftliche Einladung. 
Vor allem aber wurden nur ausgewählte Medien eingeladen. So wurden weder die deutsche RAI-Redaktion noch die lokale Redaktion der Nachrichtenagentur ANSA eingeladen. Selbstredend erachtete man es auch nicht für nötig, salto.bz einzuladen - jenes Medium, das die ganze Geschichte enthüllt und detailliert dargestellt hat.
Bedenkt man, dass es sich bei dem Unternehmen BBT SE um eine öffentliche Institution handelt, wird allein an diesem Vorgehen klar, wie die Räder unter Raffaele Zurlo drehen.
 

Fake News

 
Das Ziel dieser Pressekonferenz ist es, den fake news entgegenzutreten, die ich in den vergangenen Tagen gelesen habe“, sagte Raffaele Zurlo. Um dann lang und breit darzustellen, dass es keinerlei persönliche Differenzen zwischen ihm und Konrad Bergmeister gebe. Von den Schreiduellen, die sich beide in Vorstandsitzungen und auch vor dem Aufsichtsrat geliefert haben, sagt Zurlo an diesem Tag nichts. Dafür bemüht er den Vergleich mit den Mafiamorden, die lange Zeit als Frauengeschichten verkauft wurden. Allein diese Wortwahl macht deutlich, welches Klima in dem Unternehmen herrscht.
Raffaele Zurlo artikuliert auf der Pressekonferenz ungefragt und schriftlich vorbereitet Sätze wie: „In den vergangenen 10 Jahren habe ich in Südtirol einige Verkehrsstrafen bekommen, die ich alle aus meiner Tasche bezahlt habe. Aber sonst habe ich keine Straftaten begangen.“
 
 
Oder: „Im Allgemeinen ist es ja so, dass man jene verstummen lassen will, die etwas aufdecken und das Licht auf dunkle Machenschaften hinlenken.“
Ganz am Ende dann ein Glaubensbekenntnis: „Ich glaube an die Gesetze des Staates, ich glaube an die europäischen Gesetze, ich glaube an die Staatsanwaltschaft und das Gericht sowie auch an den Europäischen Rechnungshof. Ich wünsche mir nur, dass die Staatsanwälte den Schuldigen für diese Kostenexplosion und Verschwendung öffentlicher Gelder bestrafen.
 

Der Schuldige

 
Fast eine Stunde lang (einschließlich der Fragen der Journalisten) schießt Raffaele Zurlo auf den Schuldigen: Konrad Bergmeister. „Es ist falsch, wenn jemand mir irgendwie eine Schuld zuschiebt, dass das Projekt nicht läuft“, sagt er. „Dieses Projekt ist ein italienischer Erfolg und ein europäischer Erfolg. Wenn es Probleme gibt, so sind die in Österreich. Das sind die Konsequenzen des Vertragsmanagements in Österreich, für das Bergmeister verantwortlich ist.
Während er den italienischen Bau als einzige Erfolgsgeschichte verkauft, zeichnet er ein Bild der österreichischen Verhältnisse, die verheerend sind. „Bergmeister hat Bauaufträge ohne Genehmigungen durchgeführt, Rechnungen ohne Genehmigungen bezahlt und Beauftragungen erteil, ohne die Regeln der BBT SE zu beachten. Und da musste ich mich schützen“, meint Zurlo.
 
 
Geschickt schmiert der italienische BBT-Vorstand Konrad Bergmeister dann Honig um das Maul, um ihn gleichzeitig zu demontieren: „Bergmeister ist eine sehr intelligente Person, extrem gut vorbereitet, er übt gleichzeitig prestigereiche Aufgaben aus und er hat viele politische Unterstützer.
 

Die Kostenexplosion

 
Raffaele Zurlo erklärt auf der Pressekonferenz, dass es im Nordtiroler Teil des BBT zu einer Kostenexplosion gekommen sei.
 
  • bei der Planung des Bauloses Tulfes-Pfons: +205%
  • bei der Planung des Bauloses Wolf: + 167% 
Wir sprechen hier von Kostensteigerungen von 210 Millionen Euro und wir befürchten, dass diese Zahl noch höher werden könnte“, meint Zurlo. Er und seine Mitarbeiter hätten schon auf der ganzen Welt gearbeitet, in Frankreich, in Afrika, so etwas hätten sie aber noch nie erlebt. Der BBT-Vorstand legt dann den Vergleich mit einem Autokauf vor, wo das Auto plötzlich das Doppelte kostet. „Nur:  Dieses Geld bezahlt der Steuerzahler“, fügt Zurlo hinzu.
 

 

Selbst der österreichische Rechnungshof habe im Jahre 2017 festgehalten, dass die BBT SE Ausschreibungen und Verträge gestalten sollte, um Mehrkosten zu vermeiden. Zudem hätte er selbst diese ungerechtfertigten Mehrkosten seit drei Jahren im Aufsichtsrat beanstandet.
Auch das Argument, dass man in Österreich ein dynamisches Vertragsmodell umsetze, das Umplanungen und Zusatzkosten vorsehe, lässt Zurlo nicht gelten. „Ein Modell, das erlaubt, Mehrkosten von 70% bis 200% zu machen? Das ist alles Blödsinn.

 

Seitenhieb auf Ausserdorfer

 
Raffaele Zurlo erlaubte sich auch einen Seitenhieb auf den Südtiroler BBT-Aufsichtsrat Martin Ausserdorfer. Ausserdorfer hatte auf Anfrage des Eisacktaler SVP-Abgeordneten Helmuth Tauber erklärt, dass die Arbeiten zum BBT nicht nur termingerecht und zügig vorangehen, sondern auch, „dass die Projektkosten in den letzten Jahren durch bauliche und logistische Optimierungen um rund 350 Millionen Euro reduziert werden konnten.
Laut Zurlo seien auch das Fake News. „Da gibt es wohl einige Optimisten, die sagen, wir hätten 350 Millionen Euro gespart, in Bezug auf eine Kostenschätzung von 9,73 Mrd. Euro.“, erklärt der italienische BBT-Vorstand. Doch das sei falsch. Denn die ursprüngliche Kostenschätzung sei längst revidiert worden. „Die italienische Regierung hat uns nur erlaubt, 8,38 Mrd. Euro auszugeben und keinen Cent mehr“, meint Zurlo. „Wenn dieser Trend aber anhält, werden wir noch Kostensteigerungen von 500 Millionen haben.
 

Welcher Abgang?

 
Wie genau es Raffaele Zurlo mit der Transparenz nimmt, wurde noch einmal ganz am Ende der Pressekonferenz deutlich, als mehrere Journalisten explizit nach seiner persönlichen Zukunft und seinem Abgang als BBT-Vorstand fragten. Zurlo bestritt, dass er als Vorstand abgelöst werden soll. „Ich wurde als BBT-Vorstand im Frühjahr für weitere drei Jahre bestätigt“, sagt er mehrmals. Kein Wort von einer geplanten Abberufung der beiden BBT-Vorstände. Davon wisse er nichts.
Als mehrere Journalisten nachfragen, sagte Raffaele Zurlo am Montag: „Schauen Sie, ich habe im Rahmen meiner Arbeit verschiedenste Problem zu lösen und mich unzähligen Aufgabe zu widmen, zum Glück muss ich mich nicht um die Ernennung der Verwalter kümmern. Dafür sind andere zuständig“.
Transparenz scheint für Raffele Zurlo ein Dogma zu sein. Solange es nicht um seine eigene Haut geht.
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Christian Mair Di., 27.08.2019 - 14:46

Wenn man sich das Prädikat eines sauberen und unabhängigen Journalismus ans Hemd hängt, sollte man nicht zuerst die Ergebnisse der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten, bevor Bergmeister & Co. vorschnell zu Erzengeln erklärt werden?
besser so? https://tirol.orf.at/stories/3008312/
Argumentationen wie Postenkumulation, steigende Baukosten u.ä. sind nicht ganz von der Hand zu weisen.
Eine fehlende Einladung an Salto als Beweis wie die Räder laufen, zeigt, wie sehr es bei Ch. Franceschini um eine persönliche Geschichte handelt. Irgendwie bemitleidenswert....

Di., 27.08.2019 - 14:46 Permalink
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Christoph Fran… Mi., 28.08.2019 - 08:30

Sehr, geehrter Herr Mair,
mit Verlaub es waren salto.bz & meine Wenigkeit, die nicht nur die Abberufung der beiden Vorstände enthüllt haben, sondern auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Dabei wurden auch detailliert die Vorwürfe dargelegt, die gegen Konrad Bergmeister in mehreren Eingaben gemacht wurden. Es sind zum Teil jene, die Raffaele Zurlo angedeutet hat.
Dass eine öffentliche Gesellschaft telefonisch nur gewisse Journalisten zu einer Pressekonferenz einlädt, halte ich für eine schwerwiegende Verletzung der Spielregeln. Hier geht es keineswegs - wie Sie unterstellen um eine persönliche Geschichte - sondern um Anstand und Ethik.
Ihr Mitleid können Sie sich ersparen, denn ich leide nicht, sondern mache meinen Job immer noch mit großer Freude.

Mi., 28.08.2019 - 08:30 Permalink
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Christian Mair Mo., 16.09.2019 - 10:59

"So lang die europäischen Bahnnetze nicht zentral, sondern von Nationalstaaten geplant und gebaut werden, bleibt die Transportverlagerung auf die Schiene Wunschdenken." (aus http://www.grampetcargo.at/gueterverkehr-der-sauteure-bahn-nationalismu…)

Die neuen Vorstände sind bestellt (https://www.tt.com/politik/landespolitik/16058402/neue-bosse-fuer-den-b…) und setzten doch nur dieselbe national organsierte, fehlerhafte Investitionspolitik fort. Und auch dies ist nur ein Schauplatz fehlender europäischer Integration.

Auf technischer Ebene bleiben Fragen offen, wie:
- Simulation mit Integration Lasten-, internationaler Schnell-und Regionalverkehr
- Interoperabilität Stromversorgung
- ECTS

Mo., 16.09.2019 - 10:59 Permalink