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Politik | Vertrauensvotum

Das Tollhaus der Republik

Wenn der Senat zum Zirkus wird
Was fehlte, war nur die Zirkuskuppel. Sonst bot die Vorstellung im ehrwürdigen Palazzo Madama alles, was Auftritte dieser Art sehenswert macht. Mal segelten Blätter durch die Luft, mal klatschten die Lega-Senatoren mit den Händen auf ihre Tische und skandierten Sprechchöre dazu.
Angereichert wurde die show durch die Saalordner, die redliche Mühe hatten, den jeweiligen Protestierern Plakate und Spruchbänder zu entreissen.  "Vedo molte mummie della prima repubblica", stellte Lega-Chef Matteo Salvini mit genüsslichem Zynismus fest. Ob er damit seinen Parteifreund Roberto Calderoli meinte oder den vorbestraften Lega-Gründer Umberto Bossi, dem er bei der letzten Wahl trotz Schlaganfalls noch einen Sitz  im Senat ermöglicht hatte, blieb unklar. "Lei è inchiodato alla poltrona", warf Salvini seinem Gegenspieler Giuseppe Conte vor.
 
 
Dass der 46-jährige Lega-Chef seit einem Viertel Jahrhundert die Sessel der Macht wärmt und Conte erst seit 14 Monaten, spielte in der Hitze des Gefechts keine Rolle, in dem Schreiduelle und hysterische Auftritte nicht fehlten und die Präsidentin redliche Mühe hatte, die Kontrolle zu bewahren.
Begonnen hatte der Polit-Zirkus bereits tags zuvor mit der Kundgebung der Lega und der Fratelli d'Italia und den "Duce, duce"-Sprechchören vor  dem Parlament.  
Premier Conte wirkte bei seiner halbstündigen Regierungserklärung ermüdet und wurde dauernd von Zwischenrufen und Sprechchören unterbrochen. Die Vorstellung liess Schlüsse über den bedenklichen Zustand der Politik auf der Halbinsel zu. 
Eine Art Tanz auf der Titanic.  Wo jeder sein privates Rezept zur Rettung einer Republik in Schieflage vorstellt. Eines Landes mit Nullwachstum, einem Schuldenberg von fast 2400 Milliarden Euro und 250.000 akut gefährdeten Arbeitsplätzen. Ein Aufmarsch von Veteranen wie Calderoli, Casini, La Russa oder Schifani , in dem die 86-jährige Auschwitz-Überlebende Liliana Segre noch durch jugendlichen Charme bestach. Ausgesprochen gepflegt wirkte in dieser Arena der Auftritt der SVP-Senatorin Julia Unterberger,
der ihre Lega-hörige Partei ein Ja zur Regierung Conte untersagt hatte.
Salvini schlüpfte einmal mehr in die Rolle des Retters der Nation, zitierte Aristoteles und wartete mit apokalyptischen Prognosen auf :"Mummie, cadrete". Der scheidenden Lega-Chef, der auf dem Mailänder Domplatz einen Eid auf die Bibel geschworen hat, zeigte sich getrieben von der Ungeduld seiner Rückkehr an die Macht.  Als Vorsitzender einer Partei, aus deren Kassen 49 Millionen spurlos verschwunden  und deren Gründer und Schatzmeister rechtmässig verurteilt sind, hält er sich prädestiniert für das Amt des Regierungschefs.
Arme Republik.
Seine schwerste Niederlage freilich bezog Salvini zur selben Zeit in Brüssel, wo Paolo Gentiloni zum italienischen EU-Kommissär bestellt wurde und die von ihm seit Monaten betriebene Generaloffensive gegen die Eurokraten kläglich scheiterte. Die Lega bleibt damit die einzige Partei der Europäischen Gemeinschaft, die in Brüssel gegen Ursula von der Leyen stimmte. Keine ruhmreiche Bilanz.