Gesellschaft | In eigener Sache

Toni Ebner & die Meinungsfreiheit

Weil ein Blogger die Dolomiten als „Kasblatt“ bezeichnet, verlangt Toni Ebner die Herausgabe der Userdaten und will klagen. Warum wir dem Ansinnen nicht nachkommen.
Im digitalen Zeitalter beträgt die Galgenfrist genau 24 Stunden. So viel Zeit lässt uns Toni Ebner, bevor er das juridische Fallbeil über Salto fallen lassen will.
Heute Vormittag hat die Herausgeber-Genossenschaft und die Redaktion folgende PEC-Mail erreicht. Es handel sich um ein juridisch betiteltes "Aufforderungsschreiben". Der Absender: Rechtsanwalt Norbert Griesser, der unter anderem für die „Athesia AG“ tätig ist. Unter dem Betreff „Redaktion Dolomiten/Salto“ heißt es:
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
 
das gegenständliche Schreiben, um Ihnen mitzuteilen, dass ich seitens des Chefredakteurs der Redaktion Dolomiten beauftragt worden bin, die Interessen der Mitarbeiter der Redaktion hinsichtlich des von Ihrem Onlineportal veröffentlichten Beitrags mit dem Titel „Kompatscher, sei mutig“ wahrzunehmen.
Im Untertitel zu diesem Beitrag, welcher als Community Beitrag von „ohne mit“ gekennzeichnet ist, wird das Produkt der von mir vertretenen Redaktion abwertend als Kasblatt der Südtiroler bezeichnet und somit die gesamten Mitarbeiter der Redaktion beleidigt. Denn als Kasblatt werden Zeitungen mit geringem redaktionellen Niveau betitelt, welche unbedeutend sind.
 
 
Im Untertitel zu diesem Beitrag, wird das Produkt der von mir vertretenen Redaktion abwertend als Kasblatt der Südtiroler bezeichnet und somit die gesamten Mitarbeiter der Redaktion beleidigt.
Da sich die Redaktion durch diesen Ausdruck verunglimpft fühlt, darf ich Sie in aller Form auffordern, den Beitrag von Ihrer Seite zu nehmen bzw. die beleidigenden Passagen, in welchen das Produkt meiner Mandanten als Kasblatt bezeichnet wird, zu entfernen.
Außerdem darf ich Sie auffordern, mir den Namen und die Adresse des Verfassers des Artikels mitzuteilen, zumal meine Mandanten es sich vorbehalten, gegen den Verfasser des Beitrages zivil- und/oder strafrechtliche Schritte in die Wege zu leiten.
In Erwartung Ihrer Stellungnahme innerhalb 02.10.2019, worin Sie mir bestätigen mögen, den Beitrag, wie oben verlangt, entschärft zu haben, sowie den Namen des Verfassers mitteilen, verbleibe ich einstweilen
 
RA Dr. Norbert Griesser“
 

Herr Ebner, klagen Sie!

 
Die mutmaßliche Straftat, die der anonyme Blogger auf salto.bz begangen haben soll, liegt in einem Satz.
Er schrieb: „Sympathisch bist du mir, Arno, weil du dem Kasblatt der Südtiroler unsympathisch bist. Dabei liegt genau darin ein riesiges Potenzial. Nutze es“.
Aus diesem Satz leitet Toni Ebner die Verunglimpfung einer ganzen Redaktion ab. Und natürlich stellt sich ein Chef vor seine Mann- und Frauschaft.
Dieses Anwaltsschreiben macht nicht nur deutlich, wie dünnhäutig man im Hause Ebner ist, sondern auch, welche Auffassung Chefredakteur Toni Ebner von Meinungs- und Pressefreiheit hat.
Hier geht es nicht um eine beleidigte Redaktion, die wohl nicht hinter diesem Schreiben steht. Denn die Kolleginnen und Kollegen im Tagblatt machen ihre Arbeit genauso gut oder schlecht, wie wir auch. Dass Sie täglich rund 30.000 Zeitungen verkaufen und auch in allen anderen kommerziellen Belangen die Nase vorne haben, dürfte genug Bestätigung für ihre Arbeit sein.
Es geht hier aber um die Frage, ob man in einem Land wie Südtirol einen mächtigen Konzern und sein publizistisches Flaggschiff kritisieren darf oder nicht, und ob Meinungsfreiheit in diesem Land noch gilt.
 
 
Hier geht es nicht um eine beleidigte Redaktion , sondern um die Frage, ob man in einem Land wie Südtirol einen mächtigen Konzern und sein publizistisches Flaggschiff kritisieren darf oder nicht, und ob Meinungsfreiheit in diesem Land noch gilt.
Wir werden dem Ansinnen des Tagblatt-Chefs nicht nachkommen und sein Ultimatum verstreichen lassen. Weder Toni Ebner noch sein Anwalt werden die Userdaten des Bloggers oder der Bloggerin  von uns erhalten. Wir werden die Userdaten nur dann herausrücken, wenn wir von der Staatsanwaltschaft dazu aufgefordert werden.
 
Das heißt: Toni Ebner und/oder die Athesia werden klagen müssen. Es wird ein interessanter Prozess werden,  in dem es nicht nur um die Auslegung des Wortes „Kasblatt“ gehen wird, sondern auch um eine andere Frage. 
Vor wenigen Wochen hat Toni Ebner in seinem Tagblatt unter anderem salto.bz als „Medium unter der Wahrnehmungsgrenze“ bezeichnet. Vor Gericht werden der Athesia-Aktionär und sein Anwalt damit erklären müssen, wie geschäftsschädigend eine „Beleidigung“ sein kann, die laut seiner eigenen Expertise in Südtirol nicht wahrgenommen wird.
Toni Ebner wird vor Gericht erklären müssen, wie schädigend eine angebliche Beleidigung in einem Medium sein kann, das nach seiner eigenen Schreibe unter der Wahrnehmungsgrenze liege.
 

Artikel offline

 
Toni Ebner verlangt in seinem Anwaltschreiben auch, „den Beitrag von Ihrer Seite zu nehmen“. Der Dolomiten-Chefredakteur und sein Anwalt scheinen nicht sehr aufmerksame Salto-Leser zu sein. Denn der Artikel „Kompatscher, sei mutig“ ist bereits seit zwei Tagen auf Salto.bz nicht mehr online und abrufbar.
Der Grund dafür ist nicht die Angst vor dem Monopolkonzern am Bozner Weinbergweg, sondern der Schritt, der von mir als verantwortlichem Direktor und Chefredakteur von salto.bz gesetzt wurde, hat einen ganz anderen Hintergrund.
Der Artikel „Kompatscher, sei mutig“ setzt sich sehr kritisch mit der Klimapolitik und der Person von Arno Kompatscher auseinander. Ich kann die Meinung des Schreibers/der Schreiberin nicht teilen, gehe aber davon aus, dass in einem liberalen, unabhängigen Medium auch Meinungen und Positionen Platz finden sollen, die die Redaktion nicht teilt.
Was in diesem Fall mein Fehler war: Im anonymen Beitrag wurden die sieben Kinder von Landeshauptmann Arno Kompatscher in eine politische Kontroverse hineingezogen, mit der sie nicht das Geringste zu tun haben. Auf ihr berechtigtes Ersuchen hin haben wir den Beitrag offline gestellt.
Das zur Erklärung, warum Sie, liebe Leserinnen und Leser, den Beitrag auf salto.bz nicht mehr finden.
Es ist ein Schritt aus Respekt vor sieben jungen Menschen und nicht, weil jemand beleidigt mit dem Anwalt droht.