Wirtschaft | Energie

Der Steuerbetrug

„Striscia la Notizia“ hat jetzt die skandalöse Verkaufsmethoden der neuen Alperia-Tochter „Green Power“ aufgedeckt. Ein SuperGau für den Südtiroler Energieriesen.
Johann Wohlfarter hat aus einer auswegslosen Situation das Beste gemacht. „Ich bin völlig perplex“, sagt der Generaldirektor der „Alperia AG“ vor laufender Kamera. Dann versichert er: „Diese Methoden gehören ganz sicher nicht zu unserer DNA und ich versichere Ihnen, dass das sofort abgestellt wird“.
Wohlfarters Gegenüber ist der Reporter Max Laudadio, des bekannten Satire- und Enthüllungsmagazin „Striscia la Notizia“. Das Fernsehmagazin hat auf Canale 5 am vergangenen Montag vor einem Millionenpublikum die skandalösen Verkaufsmethoden des norditalienischen Energieanbieters „Green Power“ aufgedeckt.
Es ist ein Millionenbetrug zu Lasten der Staatskassen. Das Problem dabei: Das Unternehmen Green Power gehört seit einigen Monaten mehrheitlich dem öffentlichen Südtiroler Energieriesen Alperia.

Die Übernahme

 
Am 5. August unterzeichnete die Alperia-Führung den Kaufvertrag für 71,88 % des Gesellschaftskapitals der „Gruppo Green Power S.p.A“. Der Kaufpreis: 12,5 Millionen Euro. Das Unternehmen aus Mirano in der Provinz Venedig bietet Dienstleistungen zur Energieeffizienz für Haushalte. „Green Power“ ist stark in Norditalien sowie in den Regionen Marken und Latium verankert und bietet seit vielen Jahren Lösungen für Haushalte zur Photovoltaikproduktion und Energiespeicherung sowie Wärmepumpensysteme und Abwärmekessel zur Energierückgewinnung. Das Unternehmen hat mehr als 18.500 Kunden und ein Netzwerk von 60 Vertretern sowie eine Struktur an Installateuren, die es ermöglicht, mehr als 150 Baustellen pro Monat zu verwalten. 
Mit dieser Akquisition stärken und konsolidieren wir die Präsenz von Alperia im Nordosten Italiens in einem Bereich, den wir für unser zukünftiges Wachstum im Bereich der intelligenten Energiedienstleistungen für strategisch wichtig halten. Die Operation bestätigt den im aktuellen Strategieplan der Alperia AG vorgesehenen Weg und ermöglicht es, wichtige Ergebnisse beim Cross Selling mit anderen Produkten der Alperia Gruppe zu erzielen“, zeigte sich damals Alperia-Generaldirektor Johann Wohlfarter begeistert.
 
 
Doch schon damals rümpfte mancher in Südtirol ob der Übernahme die Nase. Der Grund: Die Vergangenheit des Geschäftsführers und Präsidenten von „Green Power“ David Barzazi.  Der heute 41jährige Barzazi wurde 2004 wegen illegaler Einfuhr eines halben Kilos Kokain aus Brasilien angeklagt und im November 2016 vom Landesgericht Venedig zu fünf Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Alperia legt Wert auf die Festellung, dass Bartazi seit September nicht mehr Geschäftsführer des Unternehmens ist.

Der Millionen-Betrug

 
Spätestens seit vergangener Woche dürfte die Begeisterung über den Ankauf bei Johann Wohlfahrter & Co aber gänzlich verflogen sein. Denn da konfrontierte Striscia-Reporter Max Laudadio den Alperia-Chef mit einer Tonbandaufnahme und einem Video, das jedem rechtschaffenen Verwalter das Blut in den Adern gefrieren lassen muss.
Die Redaktion von „Striscia la Notizia“ hat ein telefonisches Verkaufsgespräch eines der 60 Green-Power-Vertreters aufgezeichnet. Der Mann breitet dabei ein Betrugssystem aus, das sein Unternehmen anscheinend bereits seit Jahren erfolgreich anwendet.
Green Power bietet den Kunden einen Heizkessel (caldaia) und eine Wärmepumpe im Gesamtwert von 7.500 Euro an. Zusätzlich einen Strombonus von 3.500 Kwh für 10 Jahre und 1.000 Kubikmeter Gas für zehn Jahre. Der Preis für das Gesamtpaket: 18.240 Euro. Dazu erklärt der Vertreter, dass man 50 Prozent dieser Summe aber von der Steuer abschreiben kann. Demnach kann der Kunde um 9.120 Euro zehn Jahre lang Strom und Gas bekommen und dazu noch eine moderne Heizanlage.
 
 
Ein gutes Geschäft. Mit einem entscheidenden Haken. Laut Gesetz können Gas und Strom nicht von der Steuer abgeschrieben werden. In diesem Paket machen diese beiden Posten aber 10.740 Euro aus. Das weiß auch der Green Power-Vertreter und erklärt es dem Kunden am Telefon auch. Um dann aber den Trick auszuplaudern mit dem man diese Bestimmungen umgeht.
Sie schädigen damit das Steueramt“, sagt der Vertreter in der Aufzeichnung. Um dann unverblümt zu erklären: „Aber unser Unternehmen macht die Sache ordentlich. Wie Sie wissen, werden die Gesetze auch gemacht um sie zu umgehen. So werden Sie am Ende eine Rechnung über 18.240 Euro nur für die Lieferung des Heizkessels und der Wärmepumpe bekommen. Niemand kann nachweisen, dass das so nicht stimmt. Wir sind hier unangreifbar“.
Damit kann der Kunde 50 Prozent der Kosten von der Steuer absetzen. 

Ein System

 
Striscia la Notizia“ dokumentiert aber auch, dass es sich bei diesen betrügerischen Machenschaften keineswegs um die Aktion eines durchgeknallten Vertreters und um einen Einzelfall handelt, sondern, dass dieser Steuerbetrug System hat. Die Reporter treffen sich mit einem anderen Green Power Vertreter. Diesmal mit versteckter Kamera.
 
 
Dieser Vertreter macht genau dasselbe Angebot. Und er zeigt auch eine entsprechende Rechung vor. „Wir machen seit drei Jahren solche Rechnungen“, plaudert der Mann aus der Schule. Damit wird klar, dass es sich hier um ein Geschäftsmodell handelt.
Das Fernesehmagazin von Canale 5 rechnet den Schaden für die italienische Steuerbehörde hoch. Geht man bei 18.500 Kunden und 5.000 Euro pro Kunde an unlauterem Steuerabzug aus, so kommt man auf 92,5 Millionen Euro, die dem italienischen Fiskus so entgangen sind.
Das Absurde an der Sache“, kommentiert Max Laudadio , „Green Power gehört einer öffentlichen Gesellschaft“.  Und damit kommen die Alperia und Johann Wohlfahrter ins Spiel und ins Bild.
Der Imageschaden ist für Südtirols öffentlicher Energiekoloss bereits jetzt gewaltig. In Zwölfmalgreien muss man zudem hoffen, dass kein Staatsanwalt "Strisca la Notizia" schaut. Denn sonst könnte der Kauf vom vergangenen August nachhaltige Folgen haben.
 

Schauen Sie sich hier den Striscia la Notizia-Beitrag an.

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Profil für Benutzer kurt duschek
kurt duschek Di., 29.10.2019 - 17:01

....wie ist es möglich, dass hier niem and von Alperia dieses Vorgehen bemerkt hat. Bin neugierig, ob dies sich jetzt auch auf die Zahlen der Alperia auswirken wird. Im Gemeinderat Meran wird diese Verkaufspraxis als Frage an den Generaldirektor Wohlfarter mit Sicherheit gestellt werden.

Di., 29.10.2019 - 17:01 Permalink
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19 amet Di., 29.10.2019 - 17:21

Die Verantwortlichen hochbezahlten Manager werden sich wie üblich als perplexe Geschädigte präsentieren. Betrüger ? Kokainhändler ? Moment mal. Es gilt die Unschuldsvermututung.Von dem Mann der im Foto abgebildet ist würde ich, rein vom Aussehen, nicht einmal ein gebrauchtes Auto kaufen. Schon gar nicht für 12 Millionen ein Unternehmen das nun Schrottwert hat.

Di., 29.10.2019 - 17:21 Permalink
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Marcus A. Di., 29.10.2019 - 20:58

Ich bin nicht ganz sicher, ob alle das Ausmaß dieses Skandals verstehen.

Mit öffentlichen Geldern wurde ein Unternehmen gekauft, dessen Kaufpreisbewertung diesem Artikel zufolge um x-Millionen überteuert war, da der bestehende Kundenstamm und die geplante Neukundengewinnung auf der Grundlage von illegalen Praktiken beruht haben dürfte.

Das ist ein Skandal, dessen Ausmaß wohl erst mit der Zeit klar wird.
Und keinem öffentlichem Super-Manager und keinem Wirtschaftsprüfer ist dies aufgefallen?

Ich bin schockiert über einen solchen Dilettantismus, auch wenn man nach Jahren von öffentlicher Misswirtschaft von nichts mehr schockiert sein sollte.

Di., 29.10.2019 - 20:58 Permalink
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Sepp.Bacher Di., 29.10.2019 - 21:50

Antwort auf von Marcus A.

Alperia-Direktor Johann Wohlfarter versicherte heute, dass diese Betrugsfälle noch vor der Übernahme passiert seien. Frage: ist Alperia dann trotzdem haftbar? Außerdem ist auch zu klären ob die Warnung von Diego Nicolini, LA von 5 Sterne, “Rischiosa l’acquisizione di Green Power, troppe ombre sui contratti di fornitura” noch rechtzeitig vor der Übernahme erfolgte?
"Mit öffentlichen Geldern wurde ein Unternehmen gekauft, dessen Kaufpreisbewertung diesem Artikel zufolge um x-Millionen überteuert war,...). Ja da haben sie ganz recht! Anstatt uns Steuerzahlern einen günstigeren Strom anzubieten, ist der Alperia-Strom nicht der günstigste sondern der Zweit-Teuerste am Südtiroler Markt! Und das unter dem Schutzmantel der Landesregierung!?!

Di., 29.10.2019 - 21:50 Permalink
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Hans Hanser Mi., 30.10.2019 - 10:25

....@Duschek, wie ist es möglich, dass Sie als Miteigentümer der Gesellschaft (Gemeinde Meran) nicht über deren riskantes Handeln Bescheid wissen und es aus den Medien erfahren? Weiß bei Ihnen die linke Hand nicht was die rechte tut? Und warum treten Sie als Miteigentümer nicht dafür ein, dass den Südtirolern der Strom verbilligt zur Verfügung gestellt wird?

Mi., 30.10.2019 - 10:25 Permalink
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Michl T. Mi., 30.10.2019 - 13:05

da wurde eine ordentliche Due Diligence Prüfung vor der Übernahme versäumt, damit werden die Verwalter der Alperia konfrontiert werden weil ein möglicher Schaden in dieser Form abwendbar gewesen wäre.

Mi., 30.10.2019 - 13:05 Permalink