Politik | Frauensachen

Veränderung? Erneuerung?

"Haben Sie das Zeug zum Landeshauptmann oder zur Landeshauptfrau?“ fragt stol.it für eine Umfrage, in Auftrag gegeben von der Mutter-Landes-Zeitung. Ist das jetzt blanker Hohn, oder wie? À la „Alle Menschen können Papst werden“?! Dieser Titel kann doch nur ironisch gemeint sein - wenn er auch völlig korrekt und ganz und gar gegen den derzeit üblichen Strich den Landeshauptmann voran und die potentielle, wenngleich unmögliche Landeshauptfrau hinten dran stellt; steigt doch keine Landeshauptfrauen-Sonne überhaupt nirgends an keinem wie auch immer gearteten Horizont empor. Was ich übrigens äußerst schade, wenn nicht gar schädlich finde.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Dieser Spott, sei er nun gewollt oder ein Unfall, wäre an und für sich schon schlimm genug, wird aber in seiner Bissigkeit noch gesteigert eingedenk der Tatsache, dass ja schließlich mehr als die Hälfte unserer erwachsenen Bevölkerung weiblichen Geschlechts ist. Man müsste also, glaube ich, diese Schande für unsere Gesellschaft wahrhaftig nicht auch noch an die große Glocke hängen, oder vielleicht doch, vielleicht kann das ja auch wie eine Art Rute betrachtet werden, die da in ein paar Fenster gestellt wird: Nächstes Mal, meine Herren, nächstes Mal aber unbedingt!

Allerhöchste Eisenbahn wär’s tatsächlich, umso mehr, da sich die (potentiell) Herrschenden so hübsche Dinge wie "Veränderung" und "Erneuerung" auf den Brustlatz schreiben. Bis dato sieht’s aber nicht wirklich nach Veränderung! Erneuerung! aus, denn dann müssten ja nämlich Frauen endlich bekommen, was ihnen in einer Demokratie, die auch nur ein bisschen auf sich hält, schlichtweg gebührt, nämlich: Die Hälfte.

So viel Erneuerung! Was könnte die alles verändern und uns Gutes bescheren! Denn immerhin ist erwiesen, dass überall dort die besten Ergebnisse erzielt werden, wo in beiden Geschlechter-Waagschalen gleich viel drin ist. Und viel positive Aufmerksamkeit würde sie kostenlos dazu bescheren,  bis hin zu "europaweit" oder gar darüber hinaus, und vielleicht sogar bis hinein in Kreise, die deutlich über jene mit starker Schlagseite nach rechts hinaus reichen. Stellen wir uns doch vor: Südtirol! das kleine Land in den Bergen, erstes in Europa und dazu Schlagzeilen wie: Stark männlich dominierte Regierungspartei mit schwerem patriarchalem Akzent wagt wirkliche Erneuerung! Innovation! Veränderung! und führt eine verbindliche fifty-fifty Frauenquote ein, in sämtlichen öffentlichen Bereichen. Und (er-)schafft, damit auch ja nix schief geht, auch gleich die nötigen Instrumente zur kompromiss- und lückenlosen Umsetzung ihrer innovativen Vision der Erneuerung und Veränderung. Hach!

Derweil aber sieht’s leider ganz so aus, als würden Innovation, Veränderung, Erneuerung nur dahingehend verstanden, dass die alte Decke mal ein wenig durchgeschüttelt, hie und da ein bisschen gelüftet und repariert wird, im Grunde aber bleibt, was sie ist: Die alte Decke. Frau darf gespannt sein.

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Sylvia Rier Mo., 01.04.2013 - 16:08

Warum sollten Frauen keinen Müllabfuhrdienst leisten? Ich sehe da kein Problem. Und natürlich wirst du nie Gefahr laufen, von einer Frau operiert zu werden, nur weil sie Frau bzw. Quotenfrau ist. Aber du wirst sehr wohl Gefahr laufen, von einer Frau operiert zu werden, weil sie für den Job qualifiziert ist, genauso so gut wie ein Mann, und danach dann aufgrund der Tatsache, dass sei wegen der Quote ein erstes Recht hatte auf den Job. Ist ja wohl, logisch, oder? Nein nein, all die Zeit, die ihr Männer euch für unsere Gleichstellung nehmen wollt, die genehmigen wir euch einfach nicht mehr :-) Und die kinderfreundliche Politik, wer soll denn die machen, bitteschön, wenn nicht wir Frauen, denn schließlich wissen wir am allerbesten, was wir brauchen, wollen und worum es geht. Einverstanden?

Mo., 01.04.2013 - 16:08 Permalink
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Sebastian Felderer Mo., 01.04.2013 - 16:35

Für Innovation ist TIS und BIC und PAP und POP zuständig.
Über Frauenquoten und alles was damit zusammenhängt äußere ich mich nicht.
Was ich herausfische, ist das" ...sei es nun gewollt oder ein Unfall ...." .
Liebe Silvia, alles was im Stollen, im Weinberg oder in der Kammer geschrieben wird, ist ganz bestimmt kein Unfall, sondern nur gewollt, und wie!

Mo., 01.04.2013 - 16:35 Permalink
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Sebastian Felderer Mo., 01.04.2013 - 19:16

Aus einem Büchlein über Frauen stammt ein Leitsatz, der mich seit
der Oberschulzeit, also runde 50 Jahre, begleitet:

Was nicht freiwillig gegeben,
ist kein Geschenk,
bloß abgezwungener Handel.
Wer wird einer Frau befehlen?
Nur wer nichts von ihr versteht.

Und Einstein soll einmal gesagt haben, er könne Männer nicht verstehen, die sich ihr ganzes Leben abmühen, die Frauen zu verstehen. Sie könnten sich mit einfacheren Dingen beschäftigen, z.B. mit seiner Relativitätstheorie.

Ist das die Antwort auf deine Frage, Silvia?

Mo., 01.04.2013 - 19:16 Permalink
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Puschtra Weisheiten Mo., 01.04.2013 - 19:54

Danke Silvia für Deinen Beitrag, das Sprüchl aus der Oberschulzeit hat mich dann doch gegutschlt: Hier gehts doch weder darum Frauen zu verstehen, noch sie zu etwas zu zwingen....Es geht darum eine männliche und eine weibliche Sicht, eine Meinung auf Entscheidungen zu werfen, die uns alle betreffen. Frauen und Männer! Und wie schon gesagt, Quote heißt ja nicht Zwang, heißt nicht Unterqualifikation sondern eine Öffnung hin zu mehr Ausgewogenheit. Angst davor?

Mo., 01.04.2013 - 19:54 Permalink
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Frank Blumtritt Di., 02.04.2013 - 00:10

also ich glaube nicht, dass das mächtigste Land Europas (und ökonomisch eines der mächtigsten der Welt) wegen einer Frauenquote von einer Frau regiert wird... das ist ein kulturelles Problem und der Weg dorthin ist lang und besteht aus vielen kleinen Schrittchen, die hierzulande eben erst noch gemacht werden müssen. Dann irgendwann mal wählt die demokratische Mehrheit plötzlich Frauen...

Di., 02.04.2013 - 00:10 Permalink
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Sylvia Rier Di., 02.04.2013 - 21:13

Antwort auf von Frank Blumtritt

Hier, Frank Blumtritt, nur für den Fall, dass du deine Meinung vielleicht ein klein wenig revidieren möchtest. Ich hatte die Sache mit Quotenfrau Merkel erst kürzlich irgendwo gelesen, kann den Text aber leider nicht wiederfinden (muss aber auf spiegel, sueddeutsche, zeit gewesen sein, denn in die schaue ich online täglich rein), also hier, was ich gefunden habe. Du wirst jetzt sagen, aber das stammt ist ja die Schwarzer, von Emma! sag' ich ja, richtig, die sind zwar hyperfeministisch dort, aber deshalb in der Sache kein bisschen inkorrekt!

(Zitat Anfang) Als erste rebellierten die Aufstand-geübten grünen Frauen. Sie führten gleich bei Parteigründung 1980 die 50/50-Quote ein. Und als das nicht fruchtete, weil die Jungs die Politik jetzt einfach im Kaminzimmer entschieden, putschten sie 1984 kurzfristig mit dem so genannten „Feminat“: sechs Frauen an der Spitze.

Erst zehn Jahre später, 1990, folgte die SPD mit einer 40-Prozent-Quote für Ämter und Mandate. Die CDU brauchte noch weitere sechs Jahre, bis sie 1996 das so genannte „Frauenquorum“ einführte – der Begriff Quote schien nicht zumutbar – nach dem ein Drittel der Ämter von Frauen besetzt werden muss. Ihre Schwesterpartei CSU wartete noch mal weitere 14 Jahre und schrieb dann 2010 glatte 40 Prozent für Frauen in Parteiämtern fest. Die tüchtige Ilse Aigner (CSU), die heute gegen eine Frauenquote in der Wirtschaft plädiert, würde wohl ohne die Quote in der Politik noch nicht einmal existieren.

Das sensationellste Resultat der formellen bzw. informellen Quote in den Parteien ist die heute „mächtigste Frau der Welt“ (Times), die Bundeskanzlerin. Angela Merkel ist eine Quoten-Frau. Das sagt sie auch selber, weil sie immerhin ein gutes Gedächtnis hat. (Zitat Ende).

Der Artikel liegt hier:

http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1%5BblogLi…

Di., 02.04.2013 - 21:13 Permalink
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Frank Blumtritt Do., 04.04.2013 - 22:48

Antwort auf von Sylvia Rier

Tja, Silvia, dann werde ich meine Meinung eben ein wenig revidieren... Habe aber den Eindruck, dass auch die Kanzlerin nicht so recht weiß, oder wissen will, ob sie nun eine Quotenfrau ist oder nicht... Sicher wäre ohne Quoten die Wahl einer Kanzlerin nicht zu Stande gekommen. Umgekehrt war die Wahl einer Frau als Kanzlerin nicht obligatorisch. Wenigstens in der Politik sollte man auch hierzulande beginnen mit den Quoten. Blöd ist, dass die momentan exponierten Frauen nur selten positive Beispiele für Frauen sind... Die Vorstellung, dass eine Biancofiore oder eine Klotz quotenbedingt an die Spitze gespült würden ist für mich eher ein Alptraum... aber vielleicht gibt es die ja nur, weil man (Mann) keine Frauen dort will...

Do., 04.04.2013 - 22:48 Permalink
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Frank Blumtritt Fr., 05.04.2013 - 20:33

Antwort auf von Sylvia Rier

dank einer de-facto 100%-Quote haben es in der Geschichte der Demokratie so ziemlich alle Typen von Mann mal geschafft gewählt zu werden - und Berlusconi 20 Jahre lang. Genau deshalb rede ich ja von Kulturentwicklung (oder Rückentwicklung). Oder meinst du, ein Volk das ohne Frauenquoten Berlusconi wählt, würde mit Frauenquoten eine gute Frau wählen...?

Fr., 05.04.2013 - 20:33 Permalink
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Sylvia Rier Di., 02.04.2013 - 07:07

finde ich es schlichtweg faszinierend, wie heftig man sich gegen eine Frauenquote wehrt, und verweise a) auf den Kommentar von Puschtra Weisheiten und b) zum wiederholten Male auf die Südtiroler Quote Proporz. (Frank Blumtritt): Hätten wir oder hätten unsere Politiker damals auch sagen sollen, ach, "das ist ein kulturelles Problem und der Weg dorthin ist lang und besteht aus vielen kleinen Schrittchen, die hierzulande eben erst noch gemacht werden müssen" und irgendwann wird sich das schon regeln?"

Di., 02.04.2013 - 07:07 Permalink
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Profil für Benutzer Frank Blumtritt
Frank Blumtritt Di., 02.04.2013 - 07:22

Antwort auf von Sylvia Rier

klar habe ich Angst davor meinen Job zu verlieren, nur weil ich vielleicht im falschen Moment dem falschen Geschlecht angehöre.. Das ist und kann doch nie ein Qualitätskriterium sein! Der Sprachproporz hierzulande ist schon schlimm genug... aber Kopf hoch, dieser blog ist ja schon eines der kleinen Schrittchen...

Di., 02.04.2013 - 07:22 Permalink
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Puschtra Weisheiten Di., 02.04.2013 - 12:11

.....und Frauenquote pro oder kontra....Fakt ist, Familienpolitik wird immer noch an der Frau fest gemacht. Den Karriereknick verträgt sie anscheinend leichter, als er. Ohne politische Rahmenbedingungen, ja, das ist richtig, wird es keine Veränderungen geben. Die Quote, kann eine dieser Rahmenbedingungen sein.
Ein Beispiel aus den Vorreitern in Sachen Familienpolitik: als erste der Welt hat Norwegens Regierung Anfang 2008 eine Zwangsquote von 40 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten von an der Börse notierten Unternehmen eingeführt ."Die Frauenquote ist ein effektives Mittel und sie hat mehr gebracht als andere Verordnungen", sagt der Sozialwissenschaftler Prof. Oystein Gullvag Holter von der Uni Oslo.

Veränderungen bedeuten ein Umdenken, Angst spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Danke für Deine Ehrlichkeit, Frank Blumtritt. Den Mutigen gehört die Welt!

Di., 02.04.2013 - 12:11 Permalink
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Sylvia Rier Di., 02.04.2013 - 17:23

einiges falsch verstanden, in Sachen Frauen-Quote. Ich war immer der Meinung, die würde erst greifen, wenn Qualifizierung gesichert ist. Denn natürlich ist die Quote keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, das haben wir tatsächlich nicht nötig, sondern ein Gleichstellungsinstrument, oder? Der 1:1 Vergleich mit unserem Proporz ist m. E. auch nicht zulässig, es geht ja nur darum, aufzuzeigen, dass eine Quote durchaus funktionieren und ihren Zweck erfüllen kann. Zu mehreren sind wir uns hier drin ja einig, dass inzwischen schon darüber zu diskutieren wäre, ob wir diesen Proporz noch brauchen. Genauso soll, muss, wird es mit der Quote sein, und, was mich angeht, lieber früher als später; aber zuerst muss eine solide Basis geschaffen werden. Fakt ist auch, dass die "erfolgreichsten" Frauen (die Definition von Erfolg stelle ich an dieser Stelle mal ein wenig auf die Seite) sehr, sehr oft kinderlos sind. Ich will nicht behaupten, dass die Quote DAS Instrument ist, aber ich behaupte sehr wohl, dass Gleichstellung notwendig ist, und zwar im Sinne unserer Gesellschaft als Ganzes. Was habt ihr zu verlieren? Fakt ist: Die tatsächliche Struktur unserer Gesellschaft spiegelt sich nirgends ! wider. Das kann's doch nicht sein?? Ich finde übrigens den Artikel "La Pasqua di Günther" (eingestellt von Matteo Pozzi, gestern) recht aufschlussreich, um Gleichstellung geht's dort zwar überhaupt nicht, aber irgendwie passt's doch.

Di., 02.04.2013 - 17:23 Permalink
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Profil für Benutzer Sybille Tezzele
Sybille Tezzele Di., 02.04.2013 - 17:31

Antwort auf von Sylvia Rier

Ja genau, sagen wir's so: Wir wären jetzt gar zu gerne - wie beim Proporz - schon in der Phase, wo wir darüber diskutieren müssteh, ob's die Quote eigentlich noch braucht. Weil die Gleichstellung tatsächlich erreicht wäre.

Di., 02.04.2013 - 17:31 Permalink