Gesellschaft | Sicherheit

Kindersitz alarmiert

Die Alarmpflicht für Kindersitze sorgt parteiübergreifend für Unverständnis. Die Strafen könnten aufgeschoben werden. Indes kursiert im Netz eine Petition.
Kindersitz
Foto: Pixabay

Seit 7. November gilt in Italien die Vorschrift, dass alle Kindersitze für Kinder unter 4 Jahren mit einem Alarmsystem ausgestattet sein müssen. Damit soll verhindert, dass die Kinder im Auto vergessen werden. Wer Kinder ohne den entsprechenden Kindersitzalarm befördert, dem drohen Strafen zwischen 81 und 326 Euro und ein Abzug von fünf Führerscheinpunkten. Wird er innerhalb von zwei Jahren erneut erwischt, ist auch ein Führerscheinentzug von 15 Tagen bis zwei Monaten vorgesehen.

Das Gesetz, das die Regelung vorsieht – die neue Straßenverkehrsordnung – wurde im Oktober 2018 einstimmig vom Parlament verabschiedet. Mit einem Durchführungsdekret von Anfang Oktober hat die Regierung beschlossen, die Alarmpflicht für Kindersitze mit 7. November einzuführen – obwohl das Gesetz eine Frist von 120 Tagen, also vier Monaten, bis 6. März 2020 vorsah. Entsprechend unvorbereitet wurden Eltern und der Handel von der Kindersitzalarmpflicht getroffen. In Südtirol waren schon vergangene Woche alle Kindersitze mit Alarmsystem ausverkauft – nachdem zuvor bereits die Nachrüstsysteme für bereits gekaufte Kindersitze vergriffen waren.

“Mit dem unwürdigen einmal hü und einmal hott bei der Einführung der neuen Kindersitze mit Alarmierungssystem wird der Rechtsstaat leider zur Farce”, hatte die Verbraucherzentrale Südtirol umgehend kritisiert. Der größte Verbraucherschutzverband Italiens, Altroconsumo, hat sich indes mit einem Schreiben an Innenministerin Luciana Lamargese gewandt, um zumindest einen Aufschub der Strafen zu erwirken. Die Ministerin und auch mehrere Parlamentsparteien zeigen sich dazu bereit, nun wird die dafür notwendige Gesetzesinitiative erwartet. Noch ausständig sind ebenso die Details, wie um den Kostenbeitrag des Staates von 30 Euro angesucht werden kann. “Wir raten, den Rechnungsbeleg für den Kindersitz bzw. das Nachrüstsystem aufzubewahren, damit um den Beitrag angesucht werden kann sobald es möglich ist”, heißt es von den Verbraucherschützern. Außerdem, vermeldet Altroconsumo am Montag, seien die Kindersitze mit Alarmsystem, die im Einzelhandel zu finden sind, nicht mit den neuen gesetzlichen Alarm-Auflagen konform. Im Gesetzestext steht, dass der Alarmsitz ohne jegliche Aktivierung durch den Fahrer funktionieren muss. Laut Altroconsumo trifft das auf die Systeme, die im Handel derzeit erhältlich sind, nicht zu.

An der politischen Front bleiben die Reaktionen in Südtirol nicht aus. Martin Ausserdorfer, SVP-Bürgermeister in St. Lorenzen schreibt auf Facebook: “Die neue Vorschrift für Kindersitze ist für mich total realitätsfremd. Aktionismus pur. Es gab einen bedauerlichen Unfall, wo alle Medien darüber berichtet haben und ohne lang nachzudenken, wird mit dem alarmgesicherten Kindersitz die Lösung präsentiert. Alles wird geregelt, alles vorgegeben.” Auch Aussderorfers Partei- und Amtskollege in der Gemeinde Brenner, Franz Kompatscher, äußert sich auf Facebook: “Anstatt Idioten, die ihre Kinder im Auto vergessen, zu bestrafen, werden Tausende von Familien finanziell erneut belastet. Macht endlich Schluss mit sinnlosen und teuren Regelungen! Solche Politiker müssen wir bekämpfen!”

In dasselbe Horn stößt Ulli Mair. Die Freiheitliche Landtagsabgeordnete schreibt in einer Aussendung: “Tragische Einzelfälle, wie das Vergessen eines Kindes im Auto während der heißen Sommermonate, dürfen nicht Anlass für eine allgemeine Gesetzgebung werden, welche alle Bürger in die Pflicht nimmt und mit hohen Strafen bei der Nichteinhaltung droht. Diese familienfeindliche Politik spricht den Bürgern jegliche Eigenverantwortung ab und zwingt die Eltern ihre Kinder mit bedenklichen Sensoren zu überwachen. Abgesehen davon ist das unmittelbare Inkrafttreten dieser Regelung, auf die weder die Eltern noch der Markt reagieren konnten, eine unverhältnismäßige Maßnahme, die mit Rechtssicherheit nichts zu tun hat.”

Im Netz wurde indes eine Petition gestartet. “Wir wollen und brauchen dieses irrsinnige Gesetz nicht, das außer in Südtirol, nur weil wir uns einschüchtern lassen, bestimmt im restlichen Italien nicht umgesetzt wird”, heißt es darin. Knapp 2.000 Personen haben bereits unterschrieben.