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Frauen am Bauhaus

100 Jahre Bauhaus: Von Männern und Historikern ins lange Abseits gedrängt, folgt im Gastbeitrag von Elisabeth Garber, eine späte Würdigung der kreativen Bauhaus-Frauen.
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Foto: Bauhaus

Von vielen hervorragenden Bauhausfrauen seien Gunta Stölzl, Friedl Dicker-Brauneis, Lilly Reich, Anni Albers  und Marianne Brandt, stellvertretend für viele andere genannt, die Großartiges geleistet haben und von denen keine zu Lebzeiten gebührend gewürdigt wurde.


Kunstbeflissene Männer wie Frauen konstatieren, dass die ‚Frauenquote‘ und deren künstlerischer Anteil am avantgardistischen Bauhaus-Projekt nicht wegzudenken ist. Gerade im Textildesign haben Bauhausfrauen Standards gesetzt und Geschichte geschrieben. Gunta Stölzl brachte es, so wie Anni Albers und Lilly Reich, in der Weberei zur Werkstattmeisterin. Es fällt jetzt schon auf, dass Frauen in die Kategorie ‚Textilien‘ verbannt wurden. In der Tat landeten Frauen fast immer in der Weberei, weil Walter Gropius u.a. der Meinung war, dass Frauen nur ‚zweidimensional‘ denken können. Derselben Meinung war auch der bekannte Vorkurs-Leiter, Johannes Itten. Die begehrten 3 klassischen Gattungen bildender Künste: Malerei, Skulptur & Plastik und die Architektur blieben allein Männern vorbehalten. Der zweitgrößte Bereich, neben der Weberei, in dem Frauen am Bauhaus Zulass hatten, war die Photographie.

Interessant ist das ursprüngliche Credo des Bauhauses, vom eloquenten Meister Gropius selber formuliert: „Jede Person soll ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht oder Begabung aufgenommen werden.“ Schon im Sommersemester 1919 gab es gegenüber 79 männlichen Bewerbern 84 weibliche. Das war dann wohl zu viel des Guten und so hielt Gropius im überarbeiteten Glaubensbekenntnis des Bauhauses schon 1920 fest: „Das Zahlenverhältnis der Studierenden männlichen und weiblichen Geschlechts ist ein derartiges, dass ohne Zweifel mit der Aufnahme von Damen zurückgehalten werden muss. Ich schlage daher vor, bei den Aufnahmen für absehbare Zeit Damen nur mit außerordentlicher Begabung aufnehmen zu wollen.“ 

Es ist in diesem Zusammenhang zu sagen, dass das Bauhaus mit internationalem Anspruch und den Studierenden, eine der ersten Lehranstalten war, die Frauen überhaupt zuließ. Insgesamt lernten von 1919 bis zur Schließung 1933 rund 500 Frauen am Bauhaus. Als Vergleich hierzu sind die rund 800 männlichen Studierenden nennen.

Man kann davon ausgehen – das eben erwähnte Gropius-Zitat von 1920 im Hinterkopf –, dass wirklich nur die Crème de la Crème von talentierten Frauen, eine Chance hatte, am Bauhaus aufgenommen zu werden und weiterzukommen.

Der Karrieresprung zur Werkstattmeisterin (oder die Arbeit und/oder Ausbildung in einer männlichen Domäne z.B. in der Metall- oder Holzwerksatt) war nicht selten von der Gunst eines VIP-Bauhäuslers abhängig. Die Förderung eines weiblichen Ausnahmetalents ging manchmal Hand in Hand mit einer privaten und künstlerischen Liebesbeziehung zu einem Bauhaus-Direktor. Dies trifft z.B. auf die vielseitige Lilly Reich zu, die mit Mies van der Rohe jahrelang liiert war und der man unisono ‚Augenhöhe‘ mit Meister Mies zuschriebt. Sie schaffte es, nach ihrer Ausbildung zur Kurbelstickerin, direkt als Werkstattmeisterin der Weberei berufen zu werden. Unter anderem war Lilly Reich für die Innenausstattung der bekannten Villa Tugendhat verantwortlich - ebenso kongenial arbeitete sie am Barcelona-Pavillon mit. Beides sind Architekturikonen der Moderne, laufen aber meistens unter dem alleinigen Namen Mies van der Rohe. Es scheint, dass es damals nicht üblich war, dass Frauen Entwürfe und dergleichen signierten.


Das „außergewöhnliche“ (nach W. Gropius) Multitalent Friedl Dicker, die jahrelang mit dem verheirateten Architekt Fritz Singer eine private wie künstlerische Beziehung lebte und mit ihm gemeinsame Projekte verfolgte und ausarbeitete, durchlief fast alle Werkstätten am Bauhaus. Sie war eine hervorragende Zeichnerin und Malerin.

Lilly Reich und Friedl Dicker gingen trotz künstlerischer Hochbegabung im dreidimensionalen Schatten ihrer bekannten Männer unter. Man muss davon ausgehen, dass viele Artefakte, vom Gesamtkonzept einer Inneneinrichtung (z.B. Villa Tugendhat) bis hin zu einzelnen Möbelstücken (z.B. der Barcelona Sessel –MR 90) entweder ausschließlich weiblichen oder mindestens so viel weiblichen Schöpfergeist materialisieren wie männlichen. Die meisten Bezüge der Marcel Breuer-Stühle stammen nachweislich von der Textildesignerin Gunta Stölzl, die im Schweizer Exil mit Gleichgesinnten eine Weberei gründete, welche sie als Unternehmerin bis in die 60iger Jahre führte. Man muss davon ausgehen, dass sich die genannten Künstlerpaare jeweils stark gegenseitig inspirierten – wie etwa auch bei Wassily Kandinsky und Gabriele Münter
Das jüdische Liebespaar Friedl Dicker und Fritz Singer wirkte nach der Vertreibung aus Weimar mit der Bauhaus-Idee sowohl in Berlin mit der Gründung der „Werkstätten bildender Kunst“ als auch in Wien mit der gemeinsamen Innenausstattung von Luxusvillen (u.a. jener von Adolf Loos), mit der Ausstattung eines Montessori-Kindergartens oder eines Tennisclubs Leider ist keine Architektur vom Paar Dicker/Singer ist erhalten.
Sehr bezeichnend für die damalige Zeit ist zudem, dass zum Beispiel Anni Albers (eigentlich Annelise Fleischmann), Frau des bekannten Malers Josef Albers, ausschließlich den Nachnamen ihres Mannes annahm. Eigentlich hätte Anni Albers gerne Malerei studiert…aber wie viele vor ihr landete sie in der Weberei, deren Leitung sie bis zur Schließung des Bauhauses 1933 übernahm. 


Brisantes am Rande
Das kritische jüdische Künstlerpaar Dicker/Singer war nicht zuletzt vom antisemitischen Walter Gropius aus Weimar hinausgeekelt worden. Auch vom Maler-Guru Johannes Itten, kann man im Artikel „Das Bauhaus-Mausoleum“ – eine ziemlich vernichtende Kritik zum neuen Bauhausmuseum in Weimar – recht Zweischneidiges lesen, nämlich dass der vegetarische Helvetier ein glatter Rassist war, gleichzeitig aber sehr religiös-esoterisch. Fakt ist: Antisemitismus grassierte auch am Bauhaus. Dies ist auch der Grund, warum einige Bauhaus-Frauen ins Exil gingen.

Viele Bauhäusler und Bauhäuslerinnen hatten neben einem extravaganten Lebensstil, eine progressive und manifest-sozialkritische Haltung, waren politisch aktiv und links orientiert – auch das war ein triftiger Grund für viele nach 1933 das Weite zu suchen. Beachtenswert war der Kampf der Textildesignerin und Weberin Gunta Stölzl. Sie erreichte – sogar rückwirkend – eine bessere Entlohnung für Frauen und die längst fällige Stelle als Werkstattmeisterin. Eine Fixanstellung blieb ihr dennoch verwehrt, es blieb bei Kurzzeitverträgen.

Wie bereits erwähnt war es häufig die Gunst eines Meisters, der die Augen vor dem hervorstechenden Talent einer Frau nicht verschloss. So wurde zum Beispiel die akademische Malerin Marianne Brandt – fasziniert von der revolutionären Bauhausidee – von Lászlo Moholy-Nagy (u.a. Maler und Photograph) protegiert und ging einen neuen Weg. Marianne Brandt durfte als Frau und Designerin (Tee- und Kaffeeservice, Lampen und andere Gegenstände im typisch rationalen Bauhausstil) in der männlich dominierten Metallwerkstatt ihre Begabung ausleben. Sie erreichte später sogar eine Fixanstellung.


Der Geniedünkel, dem Wassily Kandinsky und Paul Klee gerne frönten, wurde zu Zeiten des Bauhauses ausschließlich dem Manne zugeordnet – die Rolle der Mutterschaft hingegen (wie in der darauffolgenden NS-Zeit) war im Allgemeinverständnis das Metier der Frau. Blieben Bauhäuslerinnen schwanger, wurde dies nicht gerne gesehen. Die Zeit war voller Widersprüche, denn einerseits führten die Frauen am Bauhaus als Emanzen ein ‚gleichberechtigtes‘ ausschweifendes Sexualleben, andererseits war weder die Gesellschaft noch die männlichen Bauhäusler an den Schaltstellen bereit, dieser Gleichberechtigung auch in anderen Bereichen Folge zu leisten. Anhand zweier Beispiele soll der harte Stand der Frauen am Bauhaus nochmals verdeutlicht werden: Friedl Dicker, die Gefährtin von Franz Singer trieb ihre Schwangerschaften mehrere Male ab, weil ihr verheirateter Partner mit ihr partout kein Kind haben wollte. Und: dass Gunta Stölzl – endlich – zur Werkstattmeisterin ernannt wurde, ist einem ‚Aufstand der Weberinnen‘ am Bauhaus zu verdanken, der auch von vielen männlichen Studierenden unterstützt wurde.  Fazit: Für Frauen waren am Bauhaus vor allem das (zweidimensionale) Weben und Sticken oder photographieren vorgesehen, also traditionelles- weibliches Kunstgewerbe mit modernem Anstrich (Photographie). Jene Frauen, die gerne Malerei, Skulptur & Plastik oder vielleicht sogar Architektur studiert hätten, landeten wider rosaroter Erwartungen in der Weberei. Und was taten sie? Sie machten aus ihrer Hochbegabung mit Trotz, Ehrgeiz, Hartnäckigkeit und Können das Beste daraus. Einige wenige waren so gut und so stark, dass sie sich als Frau und Kunstschaffende durchgesetzt haben. Die Lorbeeren haben sich nicht mehr erlebt.

Schließlich möchte ich noch, ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit, einige weitere Frauen nennen, die im Schatten der berühmten Bauhaus-Männer verkannt oder vergessen wurden: Margarete Heymann-Loebenstein (international bekannte Keramikerin), Gertrud Grunow (Entwicklung einer eigenen Musikpädagogik), Lucia Moholy (Fotographie und Photographie-Experimente – fast alle Werke wurden unter ihrem Mann, Lászlo Moholy- Nagy bekannt), Alma Buscher (Entwicklung von kindergerechtem Spielzeug sowie multifunktionalen Kindermöbeln) etc. etc.


Update 19.11. 12:58

Film:
https://www.ardmediathek.de/daserste/player/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy8zNGRiNmNlMy0zMmYzLTRjYTUtYTA0MS0yMWY3MjE zZDk5ODY/ (Verfügbar bis 09.02.2020)
https://www.youtube.com/watch?v=mlBbnL_nQiQ (ausführlicher Film zu den Frauen am Bauhaus)

Literatur: 
https://g-pulse.de/bauhaus-frauen  (mit weiterführenden YouTube-Quellen zu einzelnen Künstlerinnen) 
https://www.tugendhat.eu/en/news/exibition-lilly-reich-in-the-villa-tugendhat-376.html
https://www.mdr.de/kultur/friedl-dicker-100.html
https://www.mdr.de/kultur/themen/bauhaus-frauen-friedl-dicker-100.html
https://www.sueddeutsche.de/kultur/architekturgeschichte-der-eitle-und-die-kunst-1.4217394
https://www.sueddeutsche.de/kultur/architektur-das-bauhaus-mausoleum-1.4397968
https://g-pulse.de/bauhaus-ausstellung
https://www.bauhaus100.de/das-bauhaus/koepfe/meister-und-lehrende/marianne-brandt/


Bildquellen:  
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Oskar_Schlemmer_Webereiklasse_auf_der_Bauhaustreppe_1927.jpg
https://it.m.wikipedia.org/wiki/File:The_Barcelona_Pavilion,_Barcelona,_2010.jpg
https://monster-patterns.com/meisterklasse-der-musterklasse-gunta-stolzl-die-koenigin-des-bauhaus/?lang=de
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Friedl_Dicker–Brandeisová_-_Dáma_v_automobilu_(cca_1940).jpg
https://www.flickr.com/photos/75393944@N03/8026121044
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tugendhat_zevnitr_vyrez.jpg
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:MarianneBrandt.jpg

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Elisabeth Garber Mo., 18.11.2019 - 14:38

Das nächste Mal lade ich meinen Gastbeitrag selber hoch (dann sind es mindestens meine eigenen Fehler!).
Es fehlen die gesamten Quellenangaben (liegen der Redaktion auf).
Das ist leider *nicht* der authentische Text mit dem Titel "Bauhaus- Frauen", den ich der Redaktion geschickt habe.

Mo., 18.11.2019 - 14:38 Permalink
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Lorenz Brugger Mo., 18.11.2019 - 14:55

Guter Artikel, ergänzt das ambivalente Bild des Bauhauses sehr gut.

Ob Gropius aber tatsächlich Antisemit war, ist meines Wissens nicht belegt. Belegt ist indes: Itten war ein glühender Anhänger der Mazdaznan Religion, welche wiederum, wie im Artikel erwähnt, eindeutig rassistisch war.
Gropius distanzierte sich nicht nur aber auch deswegen bald von ihm und zwang ihn 1925 zum Verlassen der Schule, als das Bauhaus von Weimar nach Dessau ziehen musste, weil die die rechten Kräfte im Weimarer Stadtrat die finanzielle Unterstützung entzogen.

Mo., 18.11.2019 - 14:55 Permalink
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Elisabeth Garber Di., 19.11.2019 - 06:50

Antwort auf von Lorenz Brugger

@ Lorenz Brugger Danke - leider ist das nur eine Art Torso ( wie meinem eigenen Kommentar zu entnehmen ist...). Das alles war mir eine Lehre: nimmermehr.
Es ist auch schwierig... weil die Literatur vor allem feministischer Natur ist und die ist leider oft auf einem Auge blind. Die Aussagen zu Gropius stammen von einer ehemaligen Schülerin von Friedl Dicker...Wie gesagt, es fehlen die gesamten Quellenangaben.

Di., 19.11.2019 - 06:50 Permalink