Gesellschaft | Kommentar

Die leisen Wehrhaften

In diesen Tagen überwiegt das Gefühl von Dankbarkeit, Stolz und Gemeinschaftssinn. Bewahren wir es.
Wehrhaftigkeit
Foto: FF Waidbruck/Othmar Seehauser

Wie würde unser Land ohne sie aussehen? Das mag man sich dieser Tage nicht vorstellen. Wieder einmal beweisen tausende Freiwillige und Ehrenamtliche, dass Südtirol in der Stunde der Not auf sie zählen kann. Helden werden sie genannt. Helden wollen sie aber gar keine sein. Sie fühlen sich ihren Mitmenschen verpflichtet, schauen aufeinander und das Land. Ganz selbstverständlich. Ohne dafür etwas einzufordern. Eine stille Wehrhaftigkeit, auf die ganz Südtirol stolz ist.

Dabei sind Solidarität, Respekt, Hilfsbereitschaft, Selbstlosigkeit, wie sie – vergessen wir das nicht – nicht nur jene Freiwilligen an den Tag legen, die in Ausnahmesituationen anpacken und hinter die wir uns jetzt gerne stellen, sondern auch viele andere, die sich – unsichtbar – Tag für Tag um Menschen am Rande der Gesellschaft kümmern, keine Selbstverständlichkeit.

Wenn am Samstag die höchsten Vertreter zweier Staaten, die sich vor hundert Jahren und auch lange Zeit danach unversöhnlich gegenüber standen, in Freundschaft wieder Südtiroler Boden betreten, dann ist auch das der Verdienst vieler leiser Wehrhafter. In den spannungsgeladenen Jahren nach zwei Kriegen und schmerzhaften Erfahrungen haben sich – trotz aller Wut und allem Ungerechtigkeitsempfinden – nicht jene durchgesetzt, die mit Fäusten und Bomben auf den Tisch hauen wollten, an dem über die Zukunft Südtirols verhandelt wurde, und ihn damit zerstört hätten. Sondern es haben sich verantwortungsbewusste, dialogbereite und beharrliche Entscheidungsträger behauptet. Wie würde unser Land heute ohne sie aussehen? Auch das mag man sich nicht vorstellen.

In diesen aufreibenden Tagen überwiegen Dankbarkeit, Stolz und Gemeinschaftssinn. Spalter, Zündler und Zerstörer sind ins Hintertreffen geraten. Doch die Wetterlage wird sich beruhigen, das gefährliche Spiel mit dem Feuer, das kein Feuerwehrtrupp zu löschen vermag, weitergehen. Besinnen wir uns auf das Vorbild der leisen Wehrhaften, seien wir ihnen dankbar. Nicht nur, wenn wir sie unmittelbar brauchen. Gehen wir behutsam und würdig ihrem Erbe um. Es ist zerbrechlicher als es in Tagen wie diesen scheint.

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G. P. Mi., 20.11.2019 - 13:18

Verstehe in diesem Artikel den Zusammenhang zwischen Wetter ("Solidarität, Respekt, Hilfsbereitschaft, Selbstlosigkeit") und Politik ("Spalter, Zündler und Zerstörer") nicht. Muss man denn immer zwanghaft eine Brücke zu Zweiterem schlagen???

Mi., 20.11.2019 - 13:18 Permalink
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Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Mi., 20.11.2019 - 16:34

Antwort auf von G. P.

Die derzeitige Situation Südtirols ist durch zwei Perioden von Gewalt definiert worden. Zunächst hat Italien uns einen ungerechtfertigten Krieg erklärt, in dessen Folge wir von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges Italien zugesprochen wurden. Die brutale Gewalt gegen uns ist dann noch jahrzehntelang in anderer Form weitergeführt worden, bis wieder durch Gewaltaktionen von unserer Seite eine bescheidene Verhandlungslösung erzwungen werden konnte. Durchgesetzt haben sich also fast immer nur jene, die mit Fäusten und Bomben auf den Tisch gehaut haben. Das ist die Realität, die vor allem sogenannte Realpolitiker nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

Mi., 20.11.2019 - 16:34 Permalink