Conte, Di Maio
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Politik | Parlamentsdebatte

Naht das Ende der Regierung?

Heftiger Schlagabtausch im Parlament: Die Rechte setzt Ministerpräsident Conte unter Druck.

Tiefschläge, Gehässigkeiten und an Hysterie grenzende Angriffe prägten am Montag die Parlamentsdebatte über den umstrittenen europäischen Stabilitätsmechanismus ESM. Nach den Erläuterungen des Regierungschefs zu dem von 19 EU Staaten bereits gebilligten Rettungsschirm sprach Regierungschef Conte zunächst in der Kammer, dann im Senat. Er erklärte, es habe im Ministerrat dazu kaum Widerstand und auch wenig Fragen gegeben. Die Stimmung liess sich bereits zu Sitzungsbeginn erahnen, als Lega-Parlamentarier eine Pinocchio-Figur mit der Aufschrift Conte Pinocchio auf ihre Bänke stellten. Besonders zwei ultrarechte Parlamentarier schossen sich gnadenlos auf Conte ein: Die Parteichefin der Fratelli D'Italia, Giorgia Meloni, glänzte durch heftige Attacken auf die Regierung und den Premier. Im Senat übte sich Matteo Salvini  in der Rolle des Anklägers gegen den Regierungschefs: "Si vergogni" - zwei Faschisten als moralische Instanz.

Beide stellten den ESM als Initiative der EU und der deutschen Banken zur Bedrohung italienischer Sparer dar. Der Premier  verwies auf seine detaillierten Informationen im Ministerrat und in den Parlamentsausschüssen: "Tutti i ministri sapevano." Die Senatorin Emma Bonino wandte sich verwundert an den Lega-Chef: "Non finisco di stupirmi dello stupore. Ma come stessimo parlando di una cosa segretissima da 007. Scusa Salvini, ma dove eravate?" Die Attacken auf Conte gipfelten in der Aussage des Lega-Senator Claudio Borghi, der den Premier als "mentitore seriale" beschimpfte. Doch auch die Beleidigungen vermochten Contes Ausführungen nicht zu entkräften. Akribisch zählte er auf, wie oft sich Regierung und Parlament mit dem ESM beschäftigt hatten - stets ohne Gegenstimmen.

Die erwartete Regierungskrise deutete sich vor allem im Verhalten des Fünf-Sterne-Chefs Luigi Di Maio an, der schweigend und mit gesenktem Haupt die Diskussion verfolgte und nur die Rede seines Parteikollegen Francesco Silvestri mit kurzem Applaus bedachte. Di Maio weiss nur zu gut, dass der Stabilitätsmechanismus ESM unter seinen Anhängern kaum Zustimmung findet – so wie alles, was aus Brüssel kommt. Am 11. Dezember wird im Senat darüber abgestimmt. Es wird nicht ausgeschlossen, dass aus den Reihen des M5S eine eigene Resolution dazu vorgelegt wird. Eine Abstimmungsniederlage würde fast sicher zu einer Regierungskrise führen. Die Haltung der Fünfsterne-Bewegung hat durchaus schizophrene Aspekte. Denn bei Neuwahlen könnte sie die Hälfte ihrer Stimmen einbüssen.

Wie wirr sich die Situation in der Bewegung darstellt, zeigt in diesen Tagen die Polemik um die Kandidatur bei den bevorstehenden Regionalwahlen in Kalabrien. Während der PD und viele in der Fünf-Sterne-Bewegung für den Unternehmer Pippo Callippo eintreten, besteht Di Maio auf der Kandidatur des Lehrers Francesco Aiello, gegen den eine Anzeige der Gemeinde wegen eines Bauvergehens läuft.

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Salto User
simon tinkhauser Di., 03.12.2019 - 17:07

Danke für den regelmäßigen Überblick über die italienische Innenpolitik.
Ich denke das Hauptproblem bei der ganzen Sache sind leider immer wieder Politiker, die eigentlich nur die eigene Karriere und ihr eigenes Auskommen im Sinn haben. Berufspolitiker, die nie etwas anderes als Politik gemacht haben und wahrscheinlich auch nicht viel anderes können.
Ich möchte hier all jene Politiker ausnehmen, die seriös ihren politischen Beitrag im Sinne der Allgemeinheit leisten, aber einen Herrn Salvini oder Di Maio kann man in keinem Fall dazu zählen.

Di., 03.12.2019 - 17:07 Permalink
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Karl Trojer Mi., 04.12.2019 - 09:59

Die wesentliche Frage ist, inwieweit ein Fall der Regierung Conte Italien ein viel größeres Übel bescheren würde, als ein mehr oder weniger vorteilhafter ESM-Bestand. Ich denke : fällt die Regierung Conte, dann stürzt Italien in gravierende politische und wirtschaftliche Probleme.

Mi., 04.12.2019 - 09:59 Permalink
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Frei Erfunden Mi., 04.12.2019 - 10:26

Der ESM ist ein undemokratischer und intransparenter Verein, geführt von einer neoliberalen Lobby; die daraus resultierende Austeritätspolitik untergräbt sozialstaatliche Einrichtungen in den EU Krisenländern.
Die EU sollte die Finanzwirtschaft glaubhaft zügeln , Agrarsubventionen überdenken , den (VW) Abgasskandal aufarbeiten, sprich : im Dienste der EU Bürger sein; stattdessen weiter wie bisher.
Ein Divergieren zwischen Sein und Schein ('schizophrene Aspekte') sehe ich wohl eher in der Regierung Merkel der letzten Jahre und weniger in der basisdemokratischen Parteilinie eines M5S.

Mi., 04.12.2019 - 10:26 Permalink
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Hans Hanser Mi., 04.12.2019 - 19:07

Ich gebe Ihnen großteils Recht. Politisch kann man viel tiefer nicht sinken und wirtschaftlich müsste jedem, der den letzten Funken Verstand benutzt bei der erschreckenden Zahl von fast 2.500 Milliarden Euro eigentlich ein Licht aufgehen.
Das Südtiroler Volk sollte mal seine Politiker in Rom fragen wie lange sie diesen Sumpf noch weiter führen wollen.

Mi., 04.12.2019 - 19:07 Permalink
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G. P. Mi., 04.12.2019 - 21:19

Ohhh, wenn Sie sich da mal nicht täuschen. Es geht noch viel, viel tiefer, sowohl politisch (z. B. durch Leute in der Art von Salvini an der Regierung) als auch wirtschaftlich (z. B. Staatsbankrott).

Mi., 04.12.2019 - 21:19 Permalink