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Huawei oder nicht Huawei?

Ob der chinesische Technikkonzern den 5G Auftrag erhält, ist eine der dringendsten Fragen für die EU 2020. Wird sie zum neuen Streitpunkt?
Internet Sicherheit
Foto: Pixabay

Den Ruf, nicht immer auf einer Linie zu fahren, hat sich die EU schon öfter eingebrockt. Mal sagt sie Ja zu Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien, dann tanzt ein Mitglied aus der Reihe, und der ganze Prozess ist wieder auf Eis gelegt. Ein angenehmer Verhandlungspartner sieht anders aus. Die neue Kommissionspräsidentin will der EU deshalb ein besseres Image verleihen. Das Image als ein starker, verlässlicher Partner: „Europe should have a stronger and more united voice in the world“, betonte von der Leyen in ihrer Rede vor dem europäischen Parlament. Doch es bleibt fraglich, ob dieser gute Vorsatz im frisch begonnen Jahr eingehalten werden kann.

Bereits im November letzten Jahres entfachte in Deutschland ein Zwist um die Frage, wie umgehen mit Huawei. Genau in jenem Land, dessen Bundeskanzlerin sich stark dafür aussprach, den chinesischen Dienstleister Europa an das neue Netz anschließen zu lassen. Natürlich nur unter der Bedingung eines „No Spy-Abkommens“ mit China. Nun reichten im deutschen Bundestag aber verschiedene Fraktionen Initiativen ein, mit der Forderung, Huawei  vom Aufbau des neuen 5G Netzwerks auszuschließen, wie es etwa die USA und Australien bereits umgesetzt haben. 

Der "Comitato parlamentare per la sicurezza della rebulica" bewertete die Sicherheitsbedenken um Huawei als begründet und riet, den Konzern vom 5G Netzwerk auszuschließen

Und auch andere europäische Führungen zweifeln daran, ob Versprechungen von Seiten Chinas reichen, um der EU ihre Cyber Sicherheit zu gewährleisten. In Italien etwa bewertete Copasir (comitato parlamentare per la sicurezza della republica) die Sicherheitsbedenken um Huawei als begründet und riet daher die Sicherheitsstandards zu erhöhen, wenn nicht sogar Huawei ganz vom 5G Netzwerk auszuschließen. 

Hintergrund der Sicherheitsbedenken ist die Befürchtung, der chinesische Technik Konzern könne die gesammelten Daten direkt an die autoritäre Regierung China’s weiterleiten. Denn seit 2017 zwing ein Gesetz chinesische Firmen, mit den Geheimdiensten zu kooperieren. Außerdem beteiligte Huawei sich am nationalen Überwachungsprogramm Chinas „Sharp Eyes“, das anhand künstlicher Intelligenz Gesichter erkennen und diese Daten analysieren kann. Diese Technologie wird auch in der Region Xinjiang benutzt, wo China die Volksminderheit der Uiguren verfolgt.

Zwar sind die europäischen Unternehmen Nokia und Ericsson ebenfalls potentielle Anbieter, die das 5G Netzwerk bereitstellen können. Den Sicherheitsbedenken gegenüber stehen aber markwirtschaftliche Vorteile: Huawei kann nicht nur ein schnelleres Netz bereitstellen, als seine europäische Konkurrenz, sondern auch noch billiger (Salto berichtete).

Ebenjenem Dilemma – Huawei oder nicht Huawei- widmet sich die EU zurzeit. Und zwar mit derselben theatralischen Spannung, wie Shakespeares Stück sie auch gewährleistet. 

 

Eine Entscheidung mit Suspence

Ein europäisches Expertenteam veröffentlichte letztes Jahr eine Risikobewertung. Ende Dezember gab der Rat der EU anhand dieser Risikobewertung einen Beschluss über die Bedeutung und Sicherheitsbedenken rund um das 5G Netzwerk heraus. 

Darin wird die Wichtigkeit von 5G für die Digitalisierung des Binnenmarktes und Europas Wettbewerbsfähigkeit betont. Gleichzeitig hält die EU fest, dass dieser Schritt unbedingt europäische Souveränität gewährleisten soll, etwa indem die Anbieter des neuen Netzwerkes diversifiziert werden, um eine zu große Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter zu vermeiden. Zudem sollen Sicherheitsrisiken in besonderem Maße beachtet werden. Die Anbieter des Netzwerkes sollen einer ausführlichen Risikountersuchung unterzogen werden. Wichtig dabei: „auch nicht-technologische Faktoren wie legale und politische Rahmenbedingungen von Ländern, denen Anbieter unterliegen, müssen berücksichtigt werden.“ Dieser Absatz im Beschluss scheint sehr mit einem Blick nach China und dessen Gesetze geschrieben worden zu sein. Ein weiterer wichtiger Punkt, der mehrmals im Beschluss des Rates betont wird ist, dass ein gemeinschaftlicher Umgang mit dem 5G Netzwerk gefunden werden soll und gemeinsame Sicherheitsstandards für die EU formuliert. Initiativen, die zurzeit von der Kommission zum Thema Cybersicherheit erarbeitet werden sind etwa die European Partnership on Smart Networks and Services und das Digital Europe Programme.

 

 

Der Beschluss des Rates deutet zwar eine vorsichtigere Herangehensweise an das 5G Netzwerk an. Ob Huawei jedoch auf die schwarze Liste gesetzt wird, bleibt weiterhin unklar. Eigentlich sollte die EU Ende Dezember eine Entscheidung darüber treffen. Dieses Thema wurde aber verschoben, und soll nun dieses Jahr geklärt werden. Je länger die EU aber wartet, desto mehr Schaden richtet sie an. Nicht nur politische Glaubwürdigkeit würde es der Union kosten. Auch die Wirtschaft leidet unter der permanenten Unsicherheit. Schon im Dezember letzten Jahres verkündete die deutsche Telekom, vorerst keine neuen Verträge für 5G Technik mehr abzuschließen, wegen der politisch unklaren Situation darüber, wie es in Zukunft mit Huawei weiter geht.

Laut Ratsbeschluss der EU sollen 5G Anbieter einer ausführlichen Risikountersuchung unterzogen werden. Auch sollen Anbieter diversifiziert werden um europäische Souveränität zu gewährleisten

Wie geht es also weiter mit Huawei in Europa? Wird der Anbieter das 5G Netz in der Union ausbauen oder wird er auf die schwarze Liste gesetzt? Und die allerwichtigste Frage: Wird es überhaupt eine Einigung auf der EU Ebene geben, oder wird sich dieses Dilemma als eines von vielen Streitthemen der Union in die Liste einreihen? Laut EU-Recht dürfen nur souveräne Nationalstaaten Anbieter vom Markt ausschließen. Doch sollte auf nationaler Ebene über die Zukunft von 5G entschlossen werden, schenkt die EU China ordentlichen politischen Einfluss, denn auf einzelne Länder kann China mehr Druck ausüben als auf die ganze EU. Ein Ausschluss eines EU Mitglieds oder die Spaltung der gesamten EU könnten die Folge sein. Außerdem, wenn die EU ihren Ruf als zerstrittener, unzuverlässiger Partner aufpolieren will, wie von der Kommissionspräsidentin angekündigt, muss sie eine einheitliche Position finden. Darauf scheint die EU im Jahr 2020 abzuzielen. Ob der gute Vorsatz erfolgreich ist, wird sich bald zeigen.

 

 

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Profil für Benutzer Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher Fr., 17.01.2020 - 13:43

Natürlich ist 5G von Europas höchstem Sicherheitsinteresse. Ich schätze weniger in Hinblick auf mögliche Spionage, sondern vielmehr in Hinblick auf die verheerenden Auswirkungen einer potentiellen Sabotage. (welcher übrigens auch jeder unter chinesischer Beteiligung europäische Hafen ausgesetzt ist) Genau deshalb hat diese Debatte einen Perspektivenwechsel dringend notwendig:
Zum Einen erkennt jedes Huhn, dass der Trumpsche Feldzug gegen Huawei von wirtschaftspolitischen Interessen motiviert ist, nämlich den hinterherhinkenden amerikanischen Technologiefirmen zeitlich etwas Luft zu verschaffen. Zum Anderen muss uns spätestens seit der Montanunion allen bewusst sein, dass vernetzte und verzahnte Wirtschaft friedenssichernd ist. Es ist also Europas Sicherheitsinteresse, dass chinesische Produkte abhängig von amerikanischen Zulieferern sind, und amerikanisches Business von chinesischer Produktion. Protektionismus und nationalistisch geschürte Ängste sind da ganz kontraproduktiv. Zum Dritten zählt ausgerechnet Huawei in China zu den privat geführten Konzernen, die -- soweit es die dortigen Realitäten zulassen -- größtmögliche Unabhängigkeit vom Regime anstreben. Man erkennt das beispielsweise im angestrebten Finanzierungsmodell, die Firmenaktien möglichst in den Händen der Mitarbeiter zu halten, oder am langen Festhalten am Adroid-Betriebssystems von Google, dessen Mutterkonzern Alphabeth generell aus China verbannt wurde.
Das protektionistische Vorgehen hat genau zwei Auswirkungen: Erstens treibt das Huawei-Embargo US-amerikanische und auch europäische Zulieferer, die allesamt auf den chinesischen Wachstumsmarkt angewiesen sind, in die Hände der chinesischen Mitbewerber Huaweis, die zu einem beträchtlichen Teil von der Regierung finanziert werden. Zweitens zwingt es den potententen, stark wachsenden Konzern geradezu, sich technologisch von westlichen Zuliefern unabhängig zu machen. Beides kann nicht im europäischen Sicherheitsinteresse sein.
Die Kernaufgabe der EU muss also nicht darin bestehen, protektionistischen Argumenten auf den Leim zu gehen, sondern sich um eine angebrachte Qualitätssicherung der 5G Hardware und natürlich Software zu kümmern. Spätestens seit dem Dieselskandal wissen wir, welche Auswirkungen es hat, wenn der Source Code von millionenfach eingesetzten Produkten nicht Zeile für Zeile von unabhängigen Dritten überprüft wird. Europa hätte also auch ein Sicherheitsrisiko, wenn das sämtliche 5G-Netz exklusiv von einem europäischen Anbieter betrieben würde. Den technologisch führenden Anbieter auszuschließen, kann nicht die Lösung sein, sondern nur ein heterogener Mix von Anbietern, der von einer neu zu gründenden europäischen Qualitätskontrollbehörde überwacht wird. Meinetwegen kann diese ja mit einer europäischen Cyber-Security-Agentur zusammengebracht werden, um den James-Bond-Freunden ihre Ängste zu nehmen.

Fr., 17.01.2020 - 13:43 Permalink