Politik | Treffen in Rom

„Das war eine Zeitungsente“

SVP-Senatorin Julia Unterberger über das Treffen mit Giuseppe Conte, die Senatsanfrage zu Florian Zerzer und den Sturm im Wasserglas in Sachen Finanzautonomie.
Unterberger, Julia
Foto: salto
Salto.bz: Frau Senatorin Unterberger, hat die SVP im Gespräch mit Premier Giuseppe Conte zur Rettung der Südtiroler Sanitätspolitik und zur Lösung hausgemachter Probleme, ihre Stimmen bei einer möglichen Vertrauensabstimmung an die Regierung verkauft?
 
Julia Unterberger: (lacht) Nein, die SVP hat bereits vor einiger Zeit beschlossen, dass sie sich bei solchen Abstimmungen in Rom enthält. Demnach wird die SVP dieser Regierung formal nicht das Vertrauen aussprechen. Trotzdem muss ich sagen, dass Giuseppe Conte auch heute wieder auf Landeshauptmann Arno Kompatscher, Landesrat Thomas Widmann und mich wirklich einen äußerst guten Eindruck gemacht hat. Das ist auch einer der Gründe, warum wir im Senat bereits mehrmals für die Vorhaben dieser Regierung gestimmt haben.
 
Regionenminister Francesco Boccia hat sich am vergangenen Samstag in Bozen mit dem Landeshauptmann getroffen. Beim Treffen mit Conte am Mittwoch in Rom wurden dieselben Themen besprochen. Traut man den Zusagen Boccias nicht?
 
Nein. Das Treffen mit Conte war schon lange ausgemacht, musste dann aber verschoben werden, weil der Regierungschef wegen der Hochwasser-Katastrophe nach Venedig fliegen musste. Es ist also ein reiner Zufall, dass dieses Treffen wenige Tage nach dem Boccia-Besuch in Südtirol stattfindet. Außerdem war der Regionenminister beim Treffen heute dabei. Unser Anliegen war es, Conte noch einmal über Südtirol zu informieren und über die Probleme, die wir haben. Zudem sollte es die Gelegenheit sein, dass sich Arno Kompatscher und Giuseppe Conte persönlich kennenlernen.
 
Das Ergebnis?
 
Es war ein sehr freundschaftliches und konstruktives Gespräch, wo alle Anliegen, die wir vorgebracht haben, nicht nur angehört wurden, sondern auch ganz klar signalisiert wurde, dass man die Fragen in unserem Sinne klären wird.
 
Einer der Streitpunkte ist die Eintragung von nicht Italienisch sprechenden Ärzten in die Ärztekammer. Es soll eine Sonderlösung für Südtirol dazu geben. Das heißt: Die Regierung wird die Klage gegen die Südtiroler Bestimmung vor dem Verfassungsgericht zurückziehen?
 
Ja. Sowohl Conte wie auch Boccia haben uns zugesagt, dass man ein Sonderverzeichnis einrichtet, das territorial auf Südtirol beschränkt ist, in das jene Ärzte eingetragen werden, die der deutschen Sprache mächtig sind, der italienischen aber nicht. Diese Eintragung gilt aber nur für Südtirol. 
 
 
War die Sanität das Hauptthema beim Treffen?
 
Ja, und deshalb war auch Gesundheitslandesrat Thomas Widmann dabei. Denn wir haben noch zwei weitere aktuelle Baustellen in der Südtiroler Sanität. In der öffentlichen Verwaltung müsste jeder Arzt innerhalb von drei Jahren den Zweisprachigkeitsnachweis erlangen. Unser Problem ist es, dass wir in Südtirol rund 200 Ärzte haben, bei denen diese Frist im Februar 2020 abläuft. Es geht hier zum Großteil um italienischsprachige Ärzte, die es nicht geschafft haben Deutsch zu lernen. Thomas Widmann hat erklärt, dass das Assessorat und der Sanitätsbetrieb jetzt eine ganze Reihe von Maßnahmen ergreifen wollen, um die Erlernung der Sprache zu fördern und zu erleichtern. Etwa Crashkurse, einen Tutor oder Sprachkurse während der Arbeitszeit. Dafür braucht es aber eine Übergangslösung. Denn wir können nicht im Februar 200 Ärzte einfach entlassen.
Wir können nicht im Februar 200 Ärzte einfach entlassen.
Wie hat Conte darauf reagiert?
 
Er hat zugesagt, dass wir hier sicher eine Lösung finden werden. Zudem hat sich der Premier einen Witz erlaubt. Er meinte, auch er würde gerne einen solchen Crashkurs in Deutsch besuchen.
 
Das dritte Problem in der Sanität?
 
Das ist die Fachausbildung. In Deutschland und Österreich werden die Ärzte während der Ausbildung angestellt, angemessen bezahlt und diese Zeit wird auch für die Rente angerechnet. In Italien hingegen ist all das nicht möglich. Wir haben erklärt, dass wir als Grenzland in direkter Konkurrenz mit Deutschland, Österreich und der Schweiz stehen und zum allgemeinen Ärztemangel in Italien in Südtirol zusätzlich das Problem hinzukommt, dass unsere jungen Ärzte lieber diese attraktiveren Angebote im deutschen Sprachraum annehmen. Aus diesem Grund haben wir in Südtirol auch das österreichische Modell der Facharztausbildung eingeführt. Vor kurzem wurde dem Gesundheitsassessorat aber ein Schreiben des Gesundheitsministeriums übermittelt, in dem erklärt wird, dass das nicht zulässig sei. Auch hier hat man Verständnis gezeigt und gesagt: „Gebt uns das Schreiben, wir werden das schon regeln“.
Hier wurde ein Satz völlig aus dem Zusammenhang gerissen und auf den Kopf gestellt.
Der M5S-Senator Giovanni Endrizzi hat kurz vor Weihnachten im Senat eine detaillierte Anfrage zur Eignung des Generaldirektors des Südtiroler Sanitätsbetriebes, Florian Zerzer, eingebracht. Arno Kompatscher hat beim Treffen mit Boccia in Bozen gedrängt, dass diese Anfrage zurückgenommen wird. Sie selbst wurden vergangene Woche beim Fraktionssprecher des M5S im Senat mit demselben Anliegen vorstellig.....
 
Über dieses Thema wurde heute nicht gesprochen. Es stimmt aber, dass ich mit dem M5S zu diesem Thema in Kontakt bin. Ich habe ihnen erklärt, dass die Ermittlung gegen Zerzer in dieser Sache inzwischen archiviert wurde. Vor allem aber von wem diese Anfrage ausgeht und was der frühere Berater der ehemaligen Gesundheitsministerin Giulia Grillo, Costantino Gallo, alles angerichtet hat. Ich habe auch gebeten, dass man diese Anfrage zurücknimmt. Es wurde mir auch zugesichert, dass man mit den Einbringern noch einmal redet.
 
Nach meinen Informationen wurde dieses Vorgehen nicht als Bitte aufgefasst, sondern als klare Botschaft, dass die SVP auch gegen die Regierung stimmen kann?
 
Wir müssen durch unsere Anwesenheit in verschiedenen Kommissionen immer wieder die Regierung stützen, weil man sonst nicht mehr die Mehrheit hätte. Immer wieder ruft man mich oder Dieter Steger an und bittet uns zu kommen. Deshalb habe ich offen gesagt: Ihr könnt nicht erwarten, dass wir euch dauernd helfen ihr aber dann Anfragen gegen uns stellt. Entweder ihr zieht diese Anfrage zurück oder sonst können wir auch anders tun.
 
 
Ich habe offen zum M5S-Fraktionssprecher gesagt: Ihr könnt nicht erwarten, dass wir euch dauernd helfen, ihr aber dann Anfragen gegen uns stellt.
Oder besteht in der SVP die Angst, dass die Eignung von Florian Zerzer einer genaueren Überprüfung nicht standhalten könnte?
 
Nein. Das Landesgesetz ist klar. Der Generaldirektor hat 18 Monate Zeit die Managerausbildung nachzuholen. Und das hat Florian Zerzer gemacht. Deshalb wurde auch die Strafanzeige archiviert.
 
Laut dem Tagblatt der Südtiroler stellt diese böse Regierung aber auch den Finanzpakt und das Mailänder Abkommen in Frage. Darüber hat man beim Treffen mit Conte nochmals geredet?
 
Ja. Aber das Thema war schnell geklärt. Francesco Boccia hat ausdrücklich gesagt, dass er hier falsch verstanden wurde. Der Regionenminister wundert sich über die Aufregung von einer bestimmten Seite. Er habe das absolut nicht so gemeint, wie es in einer Zeitung dargestellt wurde. Ganz im Gegenteil: Sollten die geplanten Steuersenkungen durchgehen, wird man das Südtiroler Finanzabkommen wahrscheinlich nachbessern müssen, damit das Land alle vom Staat übertragenen Kompetenzen auch weiterhin finanzieren kann. Hier wurde ein Satz völlig aus dem Zusammenhang gerissen und auf den Kopf gestellt.
 
Ist das nicht die Taktik des Lega freundlichen Flügels in ihrer Partei.

Das ist nicht von der SVP, sondern von einer Zeitung ausgegangen. Das war eine Zeitungsente. Wir wissen, dass Boccia uns und Südtirol sehr gewogen ist.
 

 

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pérvasion Do., 23.01.2020 - 08:02

Eine Zeitungsente von AA, Corriere, Dolomiten und einigen Blättern im Trentino? Aber gut, wenn die Regierung zurückrudert.

Do., 23.01.2020 - 08:02 Permalink
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19 amet Do., 23.01.2020 - 11:08

Wer die Ente lanciert hat ist wohl ziemlich klar. Alles im Kampf zwischen Parteifeinden
die allseits bekannt sind. Nachdem der Achammer neben dem Kompatscher letzthin nicht die
allerbeste Figur macht, muessen die Parteifreunde versuchen dem Chef etwas anzuhängen.

Do., 23.01.2020 - 11:08 Permalink
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Christian Mair Do., 23.01.2020 - 13:45

“That’s the standard technique of privatization: defund, make sure things don’t work, people get angry, you hand it over to private capital.” (N.Chomsky)

Das Gesundheitssystem in Südtirol steckt mitten drin in einem Versorgungsmangel verursacht durch Misswirtschaft und fehlende Investitionen. Die Politik und die Öffentlichkeit diskutiert aber vorwiegend über Sprach-und Verwaltungsproblematik.

Den Menschen muss klar gemacht werden, dass
- man mitten in einer Zwei-oder gar Dreiklassenmedizin steckt
- Versorgung nicht gewährleistet ist

Das gemeine Interesse an einem stabilen Gesunheitssystem aller Bewohner Südtirols (und der Euregio) und auch der 100.000 täglich übernachtenden Touristen sollte es doch einfach machen über einen Strukturplan Gesundheit 2030 zu diskutieren und umzusetzen.

Nicht nur die Politik, sondern auch die Medien versagen bei diesem auftrag.
SALTO kann hier ein Vorreiter in der Berichterstattung werden.

Do., 23.01.2020 - 13:45 Permalink
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Christian Mair Fr., 24.01.2020 - 14:00

Antwort auf von Christian Mair

Möglichkeiten der Berichterstattung zum Thema Sanität waeren beispielsweise:
- Interview mit nur der Redsktion brkannten whistleblowern ( um Maulkorbregelungen zu umgehen)

- Youtube Video mit rundem Tisch mit Experten aus dem Ausland, Politikern und Beschäftigten

- klare Befragung bei Pressekonferenzen: wie sieht der Gesundheitsplan 2030 aus? Gibt es Pläne bei Ausbau Hospiz oder konventionierte niedergelassene Ärzte? Wo wird investiert? Wie ist Digitalisierung umgedttzt?

- Euregio: Wann wird ein übergreifender Gesundheits- und Sozialausschuss etabliert

Fr., 24.01.2020 - 14:00 Permalink