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John Williams: Das Konzert in Wien

Einer der größten lebenden Filmkomponisten gab sich am vergangenen Wochenende in Wien die Ehre und spielte ein umfangreiches Programm aus rund 70 Jahren Schaffen.
John Williams
Foto: John Williams

Was wäre der Hollywood-Film ohne seine Musik? Sicherlich in manchen Fällen ein ganzes Stück weniger beeindruckend, erinnerungswürdig, mitreißend. Einige der Emotionen, die man noch Jahre später beim Gedanken an die Filme verspürt, würden fehlen. Musik ruft sie immer wieder hervor und Musik bleibt. Die New-Hollywood-Regisseure Steven Spielberg und George Lucas können ein Lied davon singen. Sie beide haben ihren Erfolg und den Kultstatus ihrer Werke, etwa „Indiana Jones“, „Der Weiße Hai“, „Jurassic Park“ oder nicht zuletzt Lucas Magnus Opus „Star Wars“ zu Teilen sicherlich den populären Kompositionen des einen Mannes zu verdanken, der seit Jahrzehnten in Hollywood den Ton vorgibt: John Williams. Selbst wer den Namen noch nie gehört hat, kennt zumindest einen seiner zahlreichen Soundtracks. Neben den erwähnten schrieb der Komponist beispielsweise die Musik für „Schindlers Liste“, „E.T.“, oder „Harry Potter“. Natürlich wäre es schön, diese teils sehr ikonischen Melodien auch live erleben zu dürfen, das gibt es immer wieder einmal, doch nur selten dirigiert vom Maestro selbst. 2018 sollte es in Wien soweit sein, doch damals wurde das Konzert kurzfristig abgesagt. Williams war erkrankt. Im Alter von damals 86 Jahren war es also fraglich, ob der Termin überhaupt nachgeholt werden würde. Er wurde es und fand nun an zwei Tagen in Wien statt. John Williams dirigierte die Wiener Philharmoniker im Konzertsaal des Wiener Musikvereins. Ein prächtiger Ort für eine Art der Musik, die zwar irgendwo der klassischen zuzuordnen ist, dann aber doch völlig anders ist. Genauso anders und durchmischt war am Wochenende auch das Publikum, das teilweise aus ganz Europa angereist ist. Konzerte von John Williams sind eine Seltenheit. In Europa gastierte er zuletzt im Jahr 1992 (!). Nun fanden sich also Freunde klassischer Filmmusik, aber auch deutlich erkennbare Hardcore-Fans etwaiger Marken ein. Hier und da ein „Star Wars“-T-Shirt, manch einer trug Indiana Jones auf der Brust. Im Grunde war das Konzert ein einziges großes Fantreffen. Oder aber ein Rockkonzert, denn trotz des klassischen Orchesters mutete die Stimmung alles andere als zurückhaltend an. Bereits als Williams die Bühne des Musikvereins betrat, herrschte ausgelassene Stimmung. Mit minutenlanger Standing Ovation wurde der Komponist begrüßt, und es sollte nicht der letzte euphorische Applaus an diesem Tag sein. Das Programm, das laut Veranstalter rund zwei Stunden dauern sollte, begann mit einem Stück aus der Peter Pan-Verfilmung „Hook“. Gleich erkannte man die für Willams typischen Klänge. Über all die Jahre hat er sich einen Stil angeeignet, der trotz vieler Nachahmer in Hollywood unverwechselbar ist. Vielleicht ist das der Grund, der ihn, ebenso wie seinen Freund Ennio Morricone zu einem von zwei der wichtigsten Filmkomponisten macht.

 

Etwas experimenteller ging es mit „Die Unheimliche Begegnung Der Dritten Art“ weiter, abermals ein Spielberg. Hier mutete das Arrangement gar avandgardistisch an, ungewöhnlich für einen Film aus Hollywood. Erst beim dritten Stück und den folgenden trat die Violonistin Anne-Sophie Mutter auf die Bühne und führte das Orchester mit ihren virtuosen Geigenklängen an. Nach dem sehr bekannten Hauptthema aus den Harry-Potter-Filmen („Hedwigs Thema“) folgte eine Reihe an Stücken, die für die Verhältnisse eines John Williams eher unbekannt sind. Die Themen aus „Sabrina“, „Far and Away“, und „Die Hexen von Eastwick“ konnten aber ungleich überzeugen und lebten sehr von den variantenreichen Arrangements für die Geige. Vor der Pause gab es abermals eine Prise Spielberg. „E.T.“ tönte wunderbar nostalgisch.

Ähnlich klassisch ging es weiter. „Jurassic Park“ dürfte wohl jeder kennen, wohl hoffentlich eher aufgrund des guten Soundtracks als wegen des Films. Kurz unternahm Williams noch Ausflüge zu den Tieren, „War Horse“ und „Der Weiße Hai“ sagten kurz Hallo. Auch kurz, aber dennoch mitreißend romantisch klang „Marions Thema“ aus dem ersten Teil der „Indiana Jones“-Reihe. Im letzten Teil des Programms hatte sich der Platzhirsch „Star Wars“ breitgemacht und zeigte seine Muskeln in Form von drei Stücken, von denen das letzte, jene berühmte Fanfare, die jeden der Hauptfilme triumphal eröffnet, das Publikum zum Rasen brachte. Es gab kaum mehr ein Halten, und auch die letzten Skeptiker wurden nun von der Wucht der Komposition überzeugt.

Wer dachte, man wäre nun am Ende angekommen, täuschte sich gewaltig. Natürlich, es gab den üblichen Applaus, der jedoch schon bald über das Übliche hinausging. Auch die Wiener Philharmoniker schienen sichtlich überwältigt von der Resonanz und haben einiges an Lob verdient. Auch merkte man ihnen die Spielfreude an und das wohl aufgrund der Tatsache, dass Filmmusik ja normalerweise nicht zum Repertoire des Orchesters gehört. Es wurden Zugaben gespielt, doch nicht eine oder zwei, nein ganze fünf Stück. Darunter tummelte sich „Tim und Struppi“, „Schindlers Liste“, oder „Indiana Jones“. Ganz zum Schluss gab es dann noch ein Stück, das wohl besonders die „Star Wars“-Freunde im Publikum sehnlichst erwartet hatten: Der „Imperial March“ aus der Sternen-Saga, namentlich das Thema des Antagonisten Darth Vader. Militärisch stampfend rumpelte das Stück durch den Saal und brachte alle, bis zu den hintersten Reihen zum Mittrampeln. Bezeichnend, dass ausgerechnet das Leitmotiv eines Bösewichts derart beliebt ist.

John Williams wurde weiterhin gefeiert wie ein Gott. In vielerlei Augen ist er das wohl auch. Ab und an griff er während des Konzerts selbst zum Mikrofon, begrüßte sein Publikum und erzählte die ein oder andere Anekdote aus seiner langjährigen Karriere, der Freundschaft zu Steven Spielberg und George Lucas, und davon, dass das Publikum am heutigen Tag die Musik genießen kann, „ohne vom Film abgelenkt zu werden“.

Als das Konzert endete und man in den kalten Abend hinausstolperte, noch leicht benommen von der Wucht der Musik, hatte es geschneit. Das mutete surreal an und man fragte sich kurz, ob man das Konzert wirklich verlassen hatte, oder nicht noch in einem Film feststeckte, untermalt von den Klängen des John Williams.

Ein solches Konzert wird es hierzulande wohl nicht mehr geben. Dass Williams sich bei dieser seltenen Gelegenheit für Wien entschieden hat, liegt wohl an der langen musikalischen Tradition, die der Stadt innewohnt. Die Rührung war dem Maestro anzusehen. Und wenn das Konzert eines gezeigt hat, dann folgendes: Längst schon wandelt John Williams nicht mehr auf den Spuren von Mozart, Beethoven oder Max Steiner, längst schon hinterlässt er eigene. Und die auszufüllen, wird ein Unterfangen von großer Schwierigkeit.

 

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