Gesellschaft | Tiertransporte

Tod im Libanon

Tierschützer haben den Weg und das Martyrium dreier österreichischer Milchkälber von Salzburg über Spanien in den Libanon nachgezeichnet. Eine schockierende Recherche.
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Foto: Verein Gegen Tierfabriken/VGT
Der „Verein gegen Tierfabriken“ (VGT) recherchiert und dokumentiert seit Jahren Tiertransporte in und um Österreich. Dabei ist es den Tierschützern erstmals gelungen, den Leidensweg dreier Kälber von der Geburt in Österreich über die Mast in Spanien, bis zu deren Schlachtung im Libanon nachzuverfolgen.
Wir dokumentieren seit vielen Jahren die Transporte von Milchkälbern aus Österreich ins Ausland und haben die Politik immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Tiere schlussendlich auf grausame Art und Weise in Ländern außerhalb der EU geschlachtet werden“, sagt der zuständige VGT-Kampagnenleiter Tobias Giesinger.
Sein Verein macht jetzt einer Presseoffensive auf die unhaltbaren und grausamen Vorgänge aufmerksam.
Eindrückliches Videomaterial zeigt die Schlachtung von Rindern in einem Schlachtbetrieb an der Grenze zu Syrien, im Norden Libanons – unter ihnen drei Rinder aus Österreich. Die Daten der Ohrmarken belegen, dass sie von Milchwirtschaftsbetrieben in Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg stammen.
 

Kritik Kälbertransporte

 
Die Kälber waren zwischen zwei und vier Wochen alt, als sie im Dezember 2018 über die Kälbersammelstelle in Bergheim bei Salzburg nach Spanien transportiert wurden. Jede Woche haben hier sogenannte Langstreckentransporte nicht entwöhnter Kälber aus ganz Österreich ihren Ursprung.
 
 
Über 21 Stunden sind die Kälber auf dem Weg unversorgt, weil es keine geeigneten Tränksysteme auf den Transportern gibt. Obwohl dieser Missstand seit Jahren bekannt ist, finden die Transporte aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin statt.
Nach der Mast bleiben viele der exportierten österreichischen Tiere nicht in Spanien. Die drei dokumentierten Rinder tauchen im August 2019 im Libanon auf – sie wurden nach einem zweiwöchigen Transport per Schiff in den Nahen Osten gebracht und kurz darauf bei vollem Bewusstsein geschlachtet. Aktuelle Aufnahmen der Organisation „Animals International“ zeigen den minutenlangen Todeskampf der österreichischen Tiere.
 
2020 Tiertransport (Video: Animal Welfare Foundation)
 
Seit mehr als zehn Jahren dokumentiert Animals International Schlachtpraktiken im Nahen Osten, Nordafrika aber auch in der Türkei. Unfassbares Leid wird diesen Tieren angetan. Damit sie nicht davonlaufen können, werden ihnen die Beinsehnen durchtrennt. Um sie handlungsunfähig zu machen, wird ihnen in die Augen gestochen. „Hierbei wird kein Unterschied zwischen Zucht- und Schlachttier gemacht“, so Gabriel Paun von Animals International.
Damit sie nicht davonlaufen können, werden ihnen die Beinsehnen durchtrennt. Um sie handlungsunfähig zu machen, wird ihnen in die Augen gestochen.
Dass diese grausamen Praktiken keine Einzelfälle sind, beweisen offizielle Daten: Im Jahr 2018 hat Spanien laut Eurostat über 160.000 Rinder zum Zweck der Schlachtung und mehr als 35.000 zum Zweck der Weitermast in Drittstaaten exportiert. Die Importländer waren Türkei, Algerien, Libyen, Marokko, Libanon und Ägypten
 

Illegale Drittlandexporte

 
Wären die Gesetze konsequent eingehalten worden, wären die dokumentierten Tiere gar nicht erst im Libanon gelandet“, so Tobias Giesinger, „denn bereits der Transport der nichtentwöhnten Kälber nach Spanien entspricht nicht der EU-Verordnung.
Denn der Europäische Gerichtshof hat bereits 2015 bestätigt, dass der im Unionsrecht vorgesehene Schutz von Tieren beim Transport nicht an den Außengrenzen der Union endet – trotzdem endet er de facto, sobald die Tiere europäischen Boden verlassen.
 
 
Obwohl dies bekannt ist, liefert Österreich sogar direkt Rinder in diese Länder. Das muss dringend ein Ende haben! Es darf nicht sein, dass wir die Verantwortung für unsere Tiere an der Grenze abgeben und uns danach nicht mehr darum scheren, was mit ihnen passiert“, so Giesinger.
Für die Tierschützer ist die Ursache in Österreich selbst zu suchen. Der Import von Futtermitteln, der Export von Milchprodukten und das Schicksal der Milchkälber würden klar zeigen, dass sich die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Österreich zu einer globalisierten Industrie entwickelt hat. Je mehr Milch produziert wird, desto mehr Kälber müssen geboren werden. „Eine konsequente Systemänderung ist deshalb dringend notwendig, um diese Transporte zu beenden“, meinen die Tierschützer.
Die VGT legt deshalb auch einen klaren Forderungskatalog vor:
 
  • Zukünftig konsequenter Vollzug der EU-Verordnung zu Tiertransporten
  • Kein Transport von Tieren, die noch nicht von der Muttermilch entwöhnt sind
  • Eine maximale Transportdauer von 8 Stunden für alle Tierarten
  • Keine Transporte in Drittstaaten
  • Förderung von Alternativen für den Export von Kälbern aus der Milchproduktion
 

Südtiroler Unwissen?

Die Südtiroler Grünen haben sich mehrmals mit dem Thema Tiertransporte in Südtirol beschäftigt. In einer Aussendung schreiben Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba und Hanspeter Staffler:
 
„Bereits 2018 und 2019 waren wir in mehreren Landtagsanfragen den Transporten von Nutztieren, insbesondere Kälbern durch Südtirol bzw. von Südtirol in andere Länder nachgegangen. Wir haben dadurch erfahren, dass im Jahr 2018 insgesamt 170.432 Rinderbewegungen aus Südtirol stattgefunden haben und dass im selben Jahr insgesamt 15.206 Kälber in der Sammelstelle am Ritten gezählt wurden, die von Österreich, Bayern und auch Südtirol in oberitalienische Betriebe oder Länder wie Spanien oder Polen transportiert wurden. Da laut Auskunft der Landesregierung nicht vorgesehen ist, dass Tiere, die Südtirol ohne Zwischenstopp durchqueren, gemeldet werden, wissen wir offenbar nichts über die Anzahl von Nutztieren, die unser Land durchqueren.“
 
In seiner Antwort auf eine der grünen Landtagsanfragen schreibt der zuständige Landesrat Arnold Schuler im September 2019: „Heute werden keine Nutztiere aus Südtirol zu Schlachthöfen in anderen EU-Ländern oder zu Schlachthöfen oder Mastbetrieben in Drittländern verbracht. Zu Mastbetrieben in der EU wurden 2018 insgesamt 2.528 Kälber verbracht.“
Die drei grünen Abgeordneten haben jetzt nach Bekanntwerden der VGT-Dokumentation eine neue Anfrage im Landtag eingereicht.
Wir haben sehr wohl Verantwortung dafür, wie Tiere behandelt werden, die unser Land verlassen oder auch nur durchqueren,“ so die Einbringerin Brigitte Foppa. „Und wir müssen entscheiden, ob wir Teil dieser Praxis sind oder nicht“.
 

 

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gorgias Di., 03.03.2020 - 08:26

Antwort auf von kurt duschek

Warum stellen Sie der Frage aus? Nebenbei fühle ich mich in keinster Weise beleidigt. Nur finde ich so eine Haltung ziemlich schwach.
Dass ich gemeint bin lässt sich übrigens sehr leicht aus dem Kontext und aus dem Grundtenor der vorhergehenden Posts entnehmen.

Di., 03.03.2020 - 08:26 Permalink
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Benno Kusstatscher So., 23.02.2020 - 19:05

Antwort auf von gorgias

@gorgias, wir kommen dem Ganzen schon nahe, gerade bei der Überfälligkeit der Überarbeitung der Agrarsubventionen und der Kostenwahrheit, bin ich ganz dabei, aber zum Teil muss ich doch widersprechen: Totale Importverbote und zollgesteuerte Importe halte ich für nicht zeitgemäße Abschottungspolitik. Es geht wie immer um beide Seiten und auch immer um (fehlende) Fairness. Opfer der Gießkannen-Subventionen und des unkontrollierten Freihandels gibt es hierzulande, aber auch in Afrika, Südamerika usw. Billigexporte aus Europa von Hühnerteilen beispielsweise, die weder als Chicken Wings noch als Petti di Pollo hochpreisig vermarktet werden können, sind höchst unethisch.
Oben ging es bereits um den Unterschied zwischen Mensch und Tier. Wir können nicht wissen, ob Futtermais letztlich verfüttert wird, oder doch im Plentn landet. Dass der Kakao-Handel ethisch bedenklich ist, wollen wir nicht derart lösen, in dem wir unsere Kinder nie mehr mit Schokolade füttern. Damit wäre unseren Kindern nicht geholfen, und den arbeitenden Kindern dort wohl auch nicht nachhaltig.

Liberalismus an sich ist nicht schlecht, wir müssen nur das Wörtchen "sozialer" betont vornanstellen. Genauso ist Freihandel erwünschenswert, solange "fairer" davor steht. Das Problem ist, dass in der vernetzten Weltwirtschaft niemand mehr allein sozial oder fair kontrollieren kann. Deshalb braucht es verstärkten Multilateralismus zur Steuerung im Sinne des gemeinsamen Vorteils und gegenseitiger Partnerschaft und nicht etwa einseitige Zölle, die letztlich Instrument des Nationalismus sind, und die Idee, der internationalen Zusammenarbeit schwächen. Deshalb würde ich am Lösungsansatz noch etwas schrauben wollen: Zölle ( und da schließe ich Exportzölle und Binnenhandelbesteuerung mit ein) greifen dort, wo soziale, ethische oder ökologische Standards nicht eingehalten werden. Also keine absoluten Importverbote oder Zölle, sondern ein System, das bilateral belohnt und bestraft, das weniger politischer Willkür, sondern internationalen Verträgen unterliegt. Konkreteres Beispiel: eine Agrar-Subventions- und Handelskultur, die EU und Afrikanische Union gemeinsam erarbeiten, egal wie weit der Weg dorthin ist.

So., 23.02.2020 - 19:05 Permalink
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gorgias So., 23.02.2020 - 20:13

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Ich bin auch nicht für eine vollständige Abschottung, doch werden wir unsere Agrarwirtschaft mit Aussetzen der Subventionen und ohne protektionistische Maßnahmen nicht mehr halten können, weil sie preislich nicht mit den Produkten auf dem Weltmarkt mithalten kann. Der Import von Kaffee, Bananen und Kakao macht jedoch sinn und spreche mich auch nicht dagegen aus.

Der Import von Mais ist hauptsächlich als Futtermittel und neben anderen Futtermittel eines der umweltschädlichsten Importe. Einmal für der Exportregion Südamerika in der für die Produktion von Futtermittel immer mehr Urwald gerodet wird und dann in Europa, wo die Landwirtschaft einer der größten Umweltverschmutzer ist und man nicht weiss wohin mit der Gülle. Für den Import von Fleisch ist das nicht so der Fall, da es sich um einen höheren Kilopreis handelt, der für die Exportländer einer größere Wertschöpfung bedeutet. Das Weideland wird mit dem Mist der Kühe gedüngt und kann so langfristig bewirtschaftet werden. So wird sowohl in Europa als auch in Südamerika eine Kreislaufwirtschaft gefördert. Doch wie gesagt ohne Zollimporte wird unsere Fleischwirtschaft dann einfach zusammenbrechen.

Einen direkten Handel kann es nur zu gleichen Bedingungen geben. Wenn das für Großbritannien gilt, dass es auch zukünftig Standards einhalten muss, wenn es eine Zollunion mit der Europäischen Union will, so gilt das erst Recht für die Afrikanische Union. Ob die Afrikanische Union überhaupt funktioniert und wie lange es braucht bis man zusammenkommt ist eine offene Frage, doch sollen wir in der Zwischenzeit versuchen bei uns selbst einmal die Dinge ins Lot bringen. Die Abschaffung von Exportsubventionen werden Billigexporte erschweren. Und wenn das noch nicht genug ist, kann es auch Exportzölle geben, damit afrikansiche Staaten ihre Wirtschaft aufbauen können.

So., 23.02.2020 - 20:13 Permalink
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Peter Gasser So., 23.02.2020 - 20:54

Antwort auf von gorgias

In der Substanz stimme ich Ihnen zu.
Ein Detail scheint mir aber „diskutabel“:
„und dann in Europa, wo die Landwirtschaft einer der größten Umweltverschmutzer ist ...“:
das entspricht nicht den Fakten.
Da kommen zuerst die Produktion von Energie und Wärme, die Betonwirtschaft, der Verkehr, der Konsumwarenimport durch Schiffe, der Individual-Tourismus... und dann kommen die Landwirtschaftsgesetze, die unsere Parlamente machen.

So., 23.02.2020 - 20:54 Permalink
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gorgias So., 01.03.2020 - 19:10

Antwort auf von Peter Gasser

ich habe "einer der größten" und nicht "der größte" geschrieben.
Als Teil der Top 5 der Co2-Verursacher kann man das so gelten lassen:
https://www.mdr.de/wissen/deutschland-top-fuenf-klima-emissionen-100.ht…
Davon abgesehen dass auch die Biodiversität durch die Landwirtschaft stark in Leidenschaft gezogen wird:
https://www.dw.com/de/wie-landwirtschaft-der-umwelt-schadet/a-18994472

So., 01.03.2020 - 19:10 Permalink
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Peter Gasser So., 01.03.2020 - 19:14

Antwort auf von gorgias

Die Biodiversität ist auf dieser Erde durch den hemmungslosen Konsum billigster Konsummittel am meisten bedroht, und - noch viel nachhaltiger - durch die Klimaerwärmung durch billigste Energieproduktion auf fossiler Basis.
Nicht die 5 - 10 % an Menschen, welche in der Landwirtschaft arbeiten, zerstören die Erde - sondern die 100 %, deren Einkaufsziel stets nur billig billig billig ist.

So., 01.03.2020 - 19:14 Permalink
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Peter Gasser So., 01.03.2020 - 19:56

Antwort auf von gorgias

Naja, dass immer die anderen 90%, welche für den Großteil der Umweltverschmutzung verantwortlich sind, die Bauern an den Pranger stellen, welche für den kleineren Teil verantwortlich sind...
Gleichsam: der „Mörder“ hält dem „Dieb“ dessen Verbrechen vor.

So., 01.03.2020 - 19:56 Permalink
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Alois Abart Do., 27.02.2020 - 23:19

wenn ich mir hier die Kommentare dazu ansehe, dreht sich, wie so oft, alles um den gleichen Eiertanz!
>unsägliches Leid< >Konzentrazionslager versus Massentierstall< >Profitgier< >Verzicht auf Fleischliche Nahrung< >Tier-Etik versus Etik allgemein< >Tierschutz versus Ökonomie< ect.
Dazu kommt noch, dass bewusst "Emozional" mit Bildern und Filmen die Empörung geleitet und gelenkt wird.
Machen wir uns doch mal bewusst, was der Sinn und der Beweggrund dieses Handelns ist! - Eine Europäische Union mit ihrem Gesetzeswerk und Normendschungel ist imstande die eigene "produktive" Wirtschaft so zu behindern und zu verunstalten, dass das "Grobe" und "schmutzige" außerhalb ihrer Grenzen verlagert wird! (aus den Augen, aus dem Sinn! wir sind nicht mehr dafür zuständig)

Auf der anderen Seite leben wir schon in einer verklärt, romantischen Wirklichkeits-entfremdung!
Der freiheitsliebende Naturgedanke regt sich nun in den Seelen und Gemütern der von Wohlstand und Überfluss gesättigten Stadt- und Urbangesellschaft.
Deshalb auch macht es ihn nichts aus, sich einer sich selbst unterwerfenden "Selbstkasteiuung" hinzugeben - und zumindest so zu tun, als sei es ein Gebot der Stunde (dieser Zeit), moralisch und etisch einen anderen (besseren) Lebenswandel zu führen.

- Eigentlich können nur wir uns, in diesen Breitengraden Lebende, einen solchen Schwachsinn leisten... reist man dann in jene "sog. Länder" - und dann noch ein wenig weiter, ergibt sich einem ein völlig gegensätzliches Bild! (und ihr fragt euch, warum wohl?)

Über unsere Sorgen würden sich jene Menschen nur freuen...

Wer nicht gerne in fremde Küchen schauen will, dem sei bloß empfohlen, mal eine kleine Reise in die Zeit zurück, also mal fünfzig Jahre, zu machen, um bei uns hier zu bleiben: wie war es denn damals? Viele die es sich einrichten konnten, waren Selbstversorger, oder hatten an nur bestimmten Tagen und Gelegenheiten ausreichend "fleischliche Genüsse". Und genauso waren auch die "anderen" Annehmlichkeiten nicht oder in vermindertem Ausmaß gegeben -
wer noch eine ältere Oma oder einen Opa kennt, wird aus ihren Worten ernüchternde Tatsachen zu Ohren bekommen.

Wollen wir dorthin zurück?

Das geht manchmal schneller, als man denkt...

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Do., 27.02.2020 - 23:19 Permalink