Chronik | Appell

“Schuldzuweisungen bringen nichts”

Die Brixner Apothekerfamilie Peer will mit einem Gedankenanstoß zu mehr europäischer Zusammenarbeit in Krisensituationen und darüber hinaus anregen.
Pille in Herzform
Foto: Pixabay

Das Schreiben ging am Montag Morgen an Apothekerverbände in Italien und Deutschland – und an die Südtiroler Medien. Unterzeichnet ist es von “Familie Peer”. In Brixen und Lana führen Florian und Stephan Peer zwei Apotheken, Elisabeth und Oswald Peer sind für das Pharmaziemuseum in Brixen verantwortlich.

Nun will die Brixner Apothekerfamilie, die seit 1787 im Dienste der Gesundheit arbeitet, mit einem Gedankenanstoß aufzeigen, was es in der aktuellen Corona-Krise wirklich braucht: europäische Zusammenarbeit statt Abgrenzung.

Das Schreiben im Wortlaut:

“Gedanken aus Südtirol – hoffentlich ansteckend!

Derzeit häufen sich die Rufe nach mehr Abgrenzung zwischen den Staaten der Europäischen Gemeinschaft (Stichwort Ausfuhrverbot deutscher Schutzmasken). Als Südtiroler Apotheker konnten wir die Dynamik und Vernetzung des Arznei- bzw. Hilfsmittel-Marktes in den letzten Wochen unfreiwillig erleben. Wer jetzt mehr Abgrenzung fordert, kennt die Fakten nicht, will sie vielleicht nicht erkennen oder verfolgt womöglich andere Ziele.

  • Viren halten sich nicht an Landesgrenzen, Covid-19 macht das nicht und seine Nachfolger werden es auch nicht.
  • Sinn ergeben nur Abgrenzungen, die sich an der Ausbreitung des Virus orientieren wie z.B. die anfänglichen Sperrzonen in einigen italienischen Provinzen.
  • Einzelne Länder können heutzutage keine Eigenversorgung mit Medikamenten und Hilfsprodukten mehr garantieren, sie brauchen immer Einfuhren aus Partnerländern.

Lösungen könnten z.B. sein:

  • Aufbau einer europäischen Seuchenbehörde, die alle notwendige Befugnisse erhält.
  • Einheitliche und für alle Mitgliedsländer geltende Definitionen bzgl. Risikogebieten und Maßnahmen-Pläne, die logische Einheiten berücksichtigen (z.B. Tourismusgebiet Alpen statt Unterscheidung zwischen Italien und Österreich)
  • Zentrale Lagerung essenzieller Arznei- und Hilfsmittel für ganz Europa mit klaren Regeln zu deren Verteilung im Katastrophenfall. (z.B. Schutzkleidung, Analysegeräte, Medikamente etc.)
  • Maßnahmen-Katalog zur Beschleunigung des Warenaustauschs in Notsituationen.

Wir brauchen jetzt bessere und schnellere europäische Zusammenarbeit, also genau das Gegenteil von Abgrenzung. Schuldzuweisungen an andere Länder bringen nichts, weil in Notsituationen überall Fehler passieren – in jedem Land! Lieber von den Erfahrungen derjenigen Gebiete profitieren, die es zeitlich früher getroffen hat. Wir haben inzwischen viel dazu gelernt und geben alles gerne weiter – über alle Grenzen.

Familie Peer

Elisabeth, Oswald, Stephan und Florian Peer”

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Profil für Benutzer Karl Trojer
Karl Trojer Mo., 23.03.2020 - 10:34

Sehr geschätzte Familie Peer,
vielen Dank für diese Ihre Initiative ! Bitte schicken Sie diese (möglichst auch in italienischer Sprache abgefasst) an den Präsidenten des EU-Parlamentes David Sassoli weiter. Dessen e-mail-Adresse ist : [email protected]

Beste Grüße
Karl Trojer, Terlan

Mo., 23.03.2020 - 10:34 Permalink