Chronik | Schutzmasken

Verhüllte Wahrheiten

Der Schleier um die Schutzmasken-Affäre lichtet sich langsam. Dabei kommen neue Details aus Österreich zum Vorschein, die die Verantwortlichen alt aussehen lassen.
quarantine-4981010_1920.jpg
Foto: upi
Die Enthüllung von Salto.bz über die Mängel der 500.000 Schutzmasken, die vom Südtiroler Sanitätsbetrieb bei den chinesischen Tochterunternehmen der Oberalp Group angekauft wurden, hat über Südtirol hinaus Wellen geschlagen. Die Geschichte wurde vom österreichischen Nachrichtenmagazin „profil“, vom Wiener Standard , der Presse, der APA und auch vom ORF übernommen.
Die Affäre war am Montagvormittag auch Thema auf der Sitzung der Südtiroler Taskforce Corona Virus. Im offiziellen Sitzungsprotokoll heißt es dazu:

„Zerzer informiert, dass in einem Rundschreiben vergangene Woche die Ärztlichen Direktionen darüber in Kenntnis gesetzt worden sind, dass die KN-95-Masken, die über Oberalp-Salewa in China angekauft worden sind, nicht in den Covid-19-Hoch-Risikobereichen eingesetzt werden dürfen. Es handelt sich hierbei um Mundschutze, bei denen auch insbesondere das Fitting korrekt erfolgen muss. Auch auf diesen Aspekt wurde im Rundschreiben eingegangen. Gegebenenfalls sind auch Fortbildungen zu organisieren.
Aufgrund von 2 Gutachten ist eine negative Berichterstattung (salto.bz) erfolgt."
 
Später erklärt der Sanitätsbetrieb in einer Aussendung: „Die gelieferten Atemschutzmasken können in sog. Mittleren-Risiko-Bereichen in Einsatz kommen.
Schaut man sich aber das Gutachten des Wiener Amtes für Rüstung und Wehrtechnik genauer an, muss man das aber bezweifeln. Die Prüfbehörde des Österreichischen Verteidigungsministeriums hat 50 KN95 Masken geprüft. Das Ergebnis ist verheerend.
 
 
39 von 50 Masken erreichen nach diesem Gutachten nicht einmal FFP-1-Standard. Damit liegen sie deutlich unter dem Level,  der die Mitarbeiter in einem Mittleren-Risiko-Bereich eines Krankenhauses wirklich schützt.
 

Auftrag Südtiroler Gesundheitsbehörde

 
Inzwischen ist auch geklärt, wer die beiden Expertengutachten zu den Südtiroler China-Masken in Auftrag gegeben hat.
Der Pressesprecher des österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung Oberst Michael Bauer bestätigte gegenüber dem Nachrichtenmagazin profil  die Authentizität des von Salto.bz enthüllten Prüfgutachtens des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik.
Ministeriumssprecher Bauer: „Wir hatten den Auftrag der Südtiroler Gesundheitsbehörden, eine Prüfung der Atemschutzmasken vorzunehmen. Diesen Auftrag haben wir erfüllt. Was mit dem Gutachten in weiterer Folge geschehen ist, entzieht sich unserer Kenntnis."
Wir hatten den Auftrag der Südtiroler Gesundheitsbehörden, eine Prüfung der Atemschutzmasken vorzunehmen.
 
Michael Bauer,
Sprecher des Verteidigungsministeriums
Auch das zweite Gutachten erstellt von der „DEKRA Testing and Certification GmbH“ aus Essen hat einen ministeriellen Auftraggeber: Das österreichische Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.
 
 
profil hat auch im Wirtschaftsministerium nachgefragt. Die offizielle Antwort: Die für Südtirol bestimmten Masken seien von der Südtiroler Firma Oberalp bestellt worden. Das Ministerium habe lediglich die Prüfung der Masken vornehmen lassen. Bestätigt wurde aber auch, dass das Ministerium und auch das Österreichische Rote Kreuz beim selben Lieferanten ebenfalls Millionen von Schutzmasken bestellt haben.
Deshalb habe man die Masken in Deutschland auch prüfen lassen.
 

Show mit Schönheitsfehlern

 
Am 25. März 2020 übergab Operalp-Geschäftsführer Christoph Engl symbolisch bei der täglichen Sitzung der Covid-19-Taskforce den Führungskräften des Sanitätsbetriebs einige Schutzmasken und Schutzanzüge.
Die Übergabe wurde per Pressemitteilung des Landes verbreitet. Generaldirektor Florian Zerzer dankte der Oberalp-Gruppe für ihren Einsatz, „der für das Gesundheitswesen in Südtirol essentiell im Umgang mit der Coronakrise sei.“
Auch Christoph Engl kommt in der offiziellen Pressemitteilung zu Wort.  „Ich habe das österreichische Rote Kreuz gebeten, am Flughafen noch vor der Entladung das Material zu überprüfen, um sicherzustellen, dass wir auch das bekommen, was wir bestellt haben", sagte der CEO von Oberalp. In der Presseaussendung heißt es wörtlich: "Glücklicherweise sei das Material für gut befunden worden und konnte somit nach Südtirol weitertransportiert werden. Auch die Zertifizierung für den Einsatz im Gesundheitsbereich ist  organisiert worden." 

 
 
Die Wirklichkeit sieht aber auch hier etwas anders aus. Nach Informationen des Standard  führte das Rote Kreuz Ende März am Flughafen Wien-Schwechat eine Sichtkontrolle der Masken durch – und wurde offenbar stutzig. Da das Rote Kreuz und das Wirtschaftsminsterium daran dachten 20 Millionen Masken zu bestellen, wollte man vorab ein Zertifierung. 
Das sollte die DREKA in Essen übernehmen. Doch das Gutachten, das zwei Tage später erstellt wurde, war in allen Punkten unbefriedigend.
Das Rote Kreuz hat aufgrund dieses Gutachtens die Großlieferung auch umgehend storniert.
 

Ausrede Innsbruck

 
Am Montagnachmittag nahm dann auch der Südtiroler Sanitätsbetrieb erstmals in einer Presseaussendung offiziell Stellung zur Affäre.
Die Zertifikate der Schutzausrüstungen wurden unter anderem von der Universitätsklinik Innsbruck (Prof. Christian Wiedermann) überprüft und deren Validität bestätigt“, heißt es in der Aussendung. Es ist genau das, was Florian Zerzer am Sonntag im Gespräch mit Salto.bz erklärt hatte. Ein Teil der Südtiroler KN95 Masken sei nach Tirol geliefert worden und die Masken seien an der Innsbrucker Universitätsklinik auch ohne Beanstandungen bereits im Einsatz.
In dasselbe Horn bläst auch das Unternehmen, das den Deal eingefädelt hat und am Geschäft mit den Masken auch verdient. In einer langen Presseaussendung zeichnet die Oberalp Group am Montagabend die Affäre aus der Sicht des Unternehmens nach. Auch hier wird behauptet: „Die Güte dieser Dokumente wurde von der Universitätsklinik Innsbruck geprüft und die Produkte nachfolgend für die Verwendung freigegeben.“
 
 
Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich aber auch diese Behauptungen als Chimäre.
Masken aus der angesprochenen Lieferung sind bei uns definitiv nicht in Verwendung“, sagt Johannes Schwamberger, Sprecher der „Tirol Kliniken GmbH, die die Innsbrucker Uniklinik führt. Schwamberger bestätigt gegenüber Salto.bz, dass die KN95-Masken aus der Salewa-Lieferung in Innsbruck einlagern. Es wurde eine ganze Charge von Wien direkt nach Tirol geliefert. Derzeit verwende man aber bewusst Masken aus den eigenen Vorräten und in den sensiblen Bereichen FFP-3 Masken. Johannes Schwamberger: „Sollten Masken aus China jemals zum Einsatz kommen, dann nur nach Prüfung und mit vorliegenden Zertifikaten für die jeweiligen Einsatzbereiche.
Masken aus der angesprochenen Lieferung sind bei uns definitiv nicht in Verwendung
 
Johannes Schwamberger,
Sprecher der Innsbrucker Uniklinik.
Kliniksprecher Schwamberger fragte auch bei Primar Christian Wiedermann nach. Der renommierte Internist bestätigte die Fachgespräche über die Masken mit seinem früheren Südtiroler Arbeitgeber. Eine Zertifizierung oder Unbedenklichkeitserklärung habe er nicht abgegeben und das könne er auch nicht. „Dafür wäre das Institut für Hygiene der Uni-Klinik zuständig“, sagt Johannes Schwamberger. Diese habe die Südtiroler Masken aber nie geprüft.
 

Undichte Stellen?

 
Doch in der Direktion des Sanitätsbetriebes und bei den Verantwortlichen für die Produktion, den Verkauf und die Lieferung der chinesischen Schutzmasken schlummert noch ein weiteres Geheimnis.
Es ist eine zweite Hiobsbotschaft, die man bisher bewusst verschweigt.
Am Montagnachmittag wurde Landeshauptmann Arno Kompatscher auf der täglichen Pressekonferenz auch nach der Affäre um die Schutzmasken befragt.
Kompatscher bestätigt einerseits die Salto.bz-Recherche und andererseits die Version des Sanitätsbetriebes, dass kein Mitarbeiter durch diese Mängel einer Gefahr ausgesetzt wurde. Vor allem aber sei es nur bei diesem Produkt zu Schwierigkeiten gekommen. Sowohl bei den Schutzanzügen, wie auch „bei einer Million Schutzmasken einer anderer Typologie aus dieser Lieferung, gibt es keine Probleme“.
Stimmt das so?
Wohl kaum. Denn im „Prüfbericht No. 3416906.10QT PSA“ der DEKRA steht das Gegenteil. Wie Salto.bz am Montag schrieb, hat das deutsche Zertifizierungsinstitut am 27. März 2020 nicht nur KN95-Masken aus dem Südtiroler Paket analysiert, sondern auch die sogenannten chirurgischen Masken.
Das Ergebnis ist auch hier niederschmetternd. „Die Maske verschiebt sich schon bei einfachen Mundbewegungen wie z.B. sprechen“, notierten die Prüfer im DEKRA-Bericht. Und weiter: „Keine durchgehende Dichtlinie, Maske stellt sich an den Wangen auf“. Aus diesem Grund konnte keiner der Standardtests an diesen Masken durchgeführt werden.
Das Ergebnis der Kontrolle zeigt, dass die Masken keinem FFP-Standard entsprechen. 
 
Sprecherin des österreichischen Wirtschaftsministeriums 
 
Das Dekra-Gutachten wurde nicht nur der Oberalp-Gruppe übermittelt, sondern auch die  Spitze des Sanitätsbetriebes ist über die Testergebnisse informiert.
Das Ergebnis der Kontrolle zeigt, dass die Masken keinem FFP-Standard entsprechen", begründete am Montag eine Sprecherin des österreichischen Wirtschaftsministeriums den Nichtankauf dieser Masken.
Südtirol hat um 400.000 Euro aber eine Million von genau diesen Masken erworben. Und sie werden seit zehn Tagen auch verteilt.
Bild
Profil für Benutzer rotaderga
rotaderga Di., 07.04.2020 - 08:00

Ja, so werden aus positiven und lobenden Berichterstattungen vergangener Tage in den Printmedien Fake News. Wie unbeholfen und machtlos wir alle vor diesem Virus sind!

Di., 07.04.2020 - 08:00 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Renate Holzeisen
Renate Holzeisen Di., 07.04.2020 - 08:22

In Zeiten wie diesen, in denen leider demokratische Grundregeln außer Kraft gesetzt sind, braucht es die sog. Vierte Gewalt, sprich eine unabhängige seriöse Berichterstattung, mehr denn je! Vergessen wir das nie!

Di., 07.04.2020 - 08:22 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Luis Durni
Luis Durni Di., 07.04.2020 - 09:29

*** haben eine andere Gesichtsform.
Ich habe jahrelang technische Kleinteile aus China geprüft.
Grössere Bestellungen hatten oft bis zu 30% Ausschuss.
Muster prüfen und Freigeben hilft dabei nix.
Das Aussortieren mangelhafter Ware ist oft billiger als in der EU Produziertes kaufen.
Bei meinem Chinaaufenthalt habe ich begriffen: Wir werfen den *** das fehlen der Menschenrechte vor, und sie überholen uns technologisch.
Ihre Hauptkunst besteht jedoch darin, 1,4 MILLIARDEN Menschen mit Erfolg zu Organisieren und seit jeher den *** mangelhafte Waren zu verkaufen.

Di., 07.04.2020 - 09:29 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias Di., 07.04.2020 - 09:34

Das ist doch rührend, was die Politik nicht alles bereit ist zu tun, um ein PR-GAU für ein lokales Unternehmen zu vermeiden und sogar bereit ist Kompromisse in den Hygienestandards für das Gesundheitspersonal einzugehen. Und der böse Franceschini hat nun alle Bemühungen zunichte gemacht.
Bravo!

Di., 07.04.2020 - 09:34 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Sepp.Bacher
Sepp.Bacher Di., 07.04.2020 - 09:40

Ich sehe schon, schlussendlich werden die Masken an Interessierte verteilt. Ich bewerbe mich um zwei waschbare chirurgische Masken. Um die Pflicht zu erfüllen, außerhalb des Hauses einen Mundschutz zu tragen, werden sie wohl taugen!

Di., 07.04.2020 - 09:40 Permalink
Bild
Salto User
Manfred Gasser Di., 07.04.2020 - 13:41

Dass hier keiner drauf kommt, nicht ein Verschwörungstheoretiker scheint es zu durchschauen.
Die Chinesen waren es, sie haben uns diese defekte Ware geschickt, um uns zu schwächen, weil sie Angst haben. Angst vor diesem starken kleinen Volk in den Bergen, und dessen moralischen und politischen Führer! Das Ziel ist die Abdankung unseres Landeshauptmanns, eine politische Krise, und als Folge dieser die Machtübernahme einer neuen, alten Elite, damit endlich krah, Philipp und Co. unser Land in eine goldene Zukunft führen können. Und sollten unsere neuen "Verbündeten" aus dem Reich der Mitte mit denen nicht zufrieden sei, könnten sie immer noch als ultimative Waffe unseren allseits geliebten Landes-Luis reaktivieren.
I frei mi schun!

Di., 07.04.2020 - 13:41 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Elisabeth Garber
Elisabeth Garber Di., 07.04.2020 - 17:55

Antwort auf von Manfred Gasser

Endlich jemand mit Humor!
Die Solidarität, welche die Oppositionellen in dieser 'Causa' an den Tag legen, sähe ich gern in einer solidarischen Zusammenarbeit a l l e r Parteien *für* das Land während und nach der Corona-Krise.
Dies scheint ein frommer Wunsch zu bleiben...einmal mehr entlarvt die Masken-Affäre einen ziemlich ungenießbaren politischen Salat in Südtirol.

Di., 07.04.2020 - 17:55 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Elisabeth Garber
Elisabeth Garber Di., 07.04.2020 - 19:02

Antwort auf von Manfred Gasser

Ja wissen Sie Herr Gasser, so ganz im Verborgenen bin ich natürlich auch eine Verschwörungsmeisterin, aber als mir in der Causa Corona klar war, dass es Trump nicht gewesen sein kann...und dass die Chinesen sich wohl nicht selber so ein 'Ei' legen würden..., überließ ich den Fall mal wieder den anderen, z.B. Ihnen. ;-)

Di., 07.04.2020 - 19:02 Permalink
Bild
Profil für Benutzer G. P.
G. P. Di., 07.04.2020 - 14:36

Chapeau, Herr Franceschini, für die Aufdeckung eines weiteres Skandals. Sie sind in Südtirol der einzige Journalist, der sich diesen Namen wirklich verdient und der weiß, was recherchieren heißt!!!

Di., 07.04.2020 - 14:36 Permalink