Chronik | Preisanarchie?

Die Masken-Lotterie

In Südtirols Apotheken klaffen die Preise für Schutzmasken weit auseinander. Wer ist daran Schuld? Tatsächlich die Apotheker?
Schutzmasken
Foto: De an Sun on Unsplash

Es ist fast wie ein Lotteriespiel, was sich dieser Tage im ganzen Land abspielt. Seit Dienstag, 7. April, gilt in Südtirol eine Mundschutzpflicht. “Wer außer Haus ist, muss Nase und Mund bedecken”, so die Vorgabe. Womit, das ist den Menschen selbst überlassen: Schal, Schlauchtuch, Halstuch, Schutzmaske. Wer letztere sucht und dafür in die Apotheke geht, staunt meist allerdings nicht schlecht – über den Preis.
Je nachdem, in welche Apotheke man geht, muss man mehr oder weniger für eine handelsübliche chirurgische Einwegmaske zahlen. Mancherorts gibt es sie um rund 1 Euro pro Stück. Doch in vielen Fällen gehen die Preise weit darüber hinaus. Da müssen schon mal 2,50, 5, 9 oder gar 10 Euro für eine einzige Maske hingeblättert werden. Der Ärger entlädt sich nun oft über die Apotheker. Ihnen wird vorgeworfen, aus der Krise Profit schlagen zu wollen. Zurecht?

 

“Verrückter Markt”


128 Apotheken gibt es in ganz Südtirol. Seit Beginn der Corona-Krise und mit den zunehmenden Einschränkungen haben die Apotheker immer mehr Aufgaben übernommen. Sie ersetzen Hausärzte, deren Ambulatorien für den normalen Patientenbetrieb geschlossen sind, beraten und versorgen Menschen mit chronischen Leiden oder die sich nicht mehr in die Erste Hilfe trauen. Eine der wichtigsten Funktionen der Apotheker inzwischen: Masken einkaufen und ausgeben.

Denn das Land hat zwar die Mundschutzpflicht eingeführt. Doch die vorgeschriebenen Materialien stellt es nicht zur Verfügung. Und so werden, neben einzelnen Gemeinden, die Masken besorgen, auch die Apotheken tätig. “Das ist eigentlich gar nicht unsere Job”, betont Matteo Bonvicini. Er ist der Präsident des Südtiroler Ablegers der nationalen Apothekervereinigung Federfarma und berichtet von großem zusätzlichen Aufwand und Stress, den die Apotheker dieser Tage zu bewältigen haben. Denn Schutzmasken sind weltweit gefragt, Staaten reißen sich um alles, was der Markt hergibt.

 

“Unser größter Lieferant, Unifarm, hat keine Schutzmasken zur Verfügung und deshalb müssen sie die einzelnen Apotheken über verschiedene Kanäle selbst beschaffen”, erklärt Bonvicini. Er selbst erhält beinahe täglich Angebote unterschiedlicher Hersteller von Masken, Desinfektionsmitteln und Schutzhandschuhen. Den Überblick über die Qualität der Materialien zu behalten und festzustellen, ob es sich um seriöse Angebote oder Betrugsversuche handelt, sei “auf diesem verrückt gewordenen Markt” denkbar schwierig. Das bestätigt auch Florian Peer. Dessen Familie führt seit Generationen die gleichnamigen Apotheken in Brixen und seit einigen Jahren auch in Lana. “Der Markt ist extrem unübersichtlich, es wird alles angeboten.”

 

Zur Suche kommen Fragen

 

Als Federfarma-Präsident hat Bonvicini versucht, direkt in China an Masken zu kommen. “Aber am Ende habe ich mich nicht getraut, die verlangten 150.000 Euro zu überweisen. Weil ich nicht sicher war, wie und ob die Ware überhaupt ankommt.” Abhilfe war aufgrund einer Großlieferung von 110.000 FFP2-Masken und 120.000 chirurgischen Masken in Sicht. Die hatte die Apothekervereinigung über die Oberalp Gruppe in China bestellt und sollten an alle Apotheken ausgegeben werden. “Ich habe bis gestern (Mittwoch, Anm.d.Red.) auf Informationen gewartet und dann hieß es plötzlich: Die Lieferung wurde annulliert.

Zur nervenaufreibenden Suche nach Schutzmaterialien für die Bevölkerung, die sie immer mehr nachfragt, gesellen sich weitere Unsicherheiten: Noch ist etwa gar nicht geklärt, ob die Masken einzeln verkauft werden dürfen oder nur in einer größeren Stückzahl von 20, 50, 100. Doch angesichts der grassierenden Knappheit steht für viele Apotheker im Vordergrund, so vielen Menschen wie möglich einen Schutz zu bieten. Und was, wenn die eingekauften und verteilten Masken nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen? Können dann die Apotheker zur Rechenschaft gezogen werden?

In einem Rundschreiben vom 8. April informiert Federfarma die Apotheken italienweit, dass man beim Wirtschafts- und Gesundheitsministerium sowie beim Istituto Superiore di Sanità und der Zivilschutzbehörde interveniert sei – mit der Forderung, den Apotheken ausdrücklich zu erlauben, Masken einzeln zu verkaufen und klarzustellen, dass nicht die Apotheken dafür zuständig sind, die Masken auf ihre Gesetzeskonformität hin zu prüfen.

 

FFP-Masken, die einen höheren Schutz bieten müssen, beziehen wir für unsere Apotheken nur aus gesicherten Quellen”, sagt Florian Peer. “Bei den chirurgischen Masken, wo das Material und der Sitz wichtig sind, lassen wir uns die Zertifikate des Herstellers geben. Mehr können wir nicht machen.”

 

Die Frage des Preises

 

In vielen Apotheken haben die Ordnungskräfte bereits Kontrollen durchgeführt, die vorrätigen Masken fotografiert – und den Preis, zu denen sie verkauft werden notiert. Denn die Engpässe, zu der die Corona-Krise geführt hat, haben Tür und Tor für Wucher und Spekulation geöffnet. “Die nationale Aufsichtsbehörde für Wettbewerb und Markt AGCM wacht über die Preisentwicklung bei Schutzausrüstung und Desfinektionsmitteln”, weiß Gunde Bauhofer. Bei der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS), deren Geschäftsführerin sie seit Anfang des Jahres ist, sind seit Einführung der Mundschutzpflicht “nicht wenige” Beschwerden eingegangen, berichtet Bauhofer. Der grundsätzliche Vorwurf: “Die Produkte sind zu teuer.”

Was vor Corona wenige Cent kostete, wird nun für ein Hundertfaches verkauft. “Manche berichten von einem Preis von 9 Euro für eine Maske”, so Bauhofer.

Sind die Apotheker Schuld, wollen sie sich an der Krise bereichern? Gegen diesen Eindruck verwehrt sich Matteo Bonvicini entschieden. Denn die Preisgestaltung liegt nicht (allein) bei den Apothekern. Bereits 1,50 Euro für eine chirurgische Maske sei laut dem Präsident der Apothekervereinigung normalerweise “ein irrsinniger Preis”. Dass sie in den Apotheken aktuell auch ein Vielfaches kosten, liege in den allermeisten Fällen an den Einkaufspreisen, die zum Teil explodieren. “Ich habe gestern (Mittwoch, Anm.d.Red.) drei Kostenvoranschläge für chirurgische Masken erhalten, die lagen zwischen 1,60 und 1,80 Euro pro Stück – ohne Mehrwertsteuer. Bei solchen Einkaufspreisen ist es normal, dass sie ein Apotheker um 2,50 Euro weiterverkauft”, rechnet Bonvicini vor. Für Masken mit einem höheren Schutzfaktor wie FFP2 seien im Einkauf auch schon mal 8 Euro plus Mehrwertsteuer je Maske fällig.

 

Schwarze Schafe in schwierigen Zeiten

 

Seit Wochen fordert die nationale Apothekervereinigung, Spekulationen einen Riegel vorzuschieben. Denn einerseits ist es zwar so, dass der Preis davon abhängig ist, bei welchem Hersteller die Apotheker einkaufen. Doch andererseits sind zum einen Zwischenhändler ein großes Problem, die billig einkaufen und die Ware teuer weiterverkaufen, wie Bonvicini erklärt. Und zum anderen gebe es auch unter seiner Berufskategorie schwarze Schafe. “Es gibt Apotheker, die ethischer arbeiten als andere.” Der Vorschlag: Apotheker dürfen höchstens 15 bis 20 Prozent auf den Einkaufspreis aufschlagen. “Ich weiß, dass das in Krisenzeiten schwierig ist, aber am idealsten wäre es, wenn der Staat oder Federfarma einen Großeinkauf von sagen wir 50 Millionen Masken tätigen und einen Verteilungspreis festlegen, damit sie möglichst billig an die Bürger weitergegeben werden können”, findet Bonvicini.

Der Vorschlag von Federfarma geht noch weiter: Masken sollen über den italienischen Zivilschutz an die Apotheken gehen und gratis verteilt werden. Doch die Aufrufe an Politik und Sanitätsbehörden sind bislang ungehört verhallt. “Leider gibt es noch keine Regelung”, bedauert Bonvicini. Indes ist zu erwarten, dass die Nachfrage nicht abreißen wird.

 

Federfarma in Südtirol ist es gelungen, Kontakt zu einem Unternehmen in Italien aufzunehmen, das seine Produktion umgestellt hat und nun Schutzmasken herstellt. Das Problem: “Der Preis ist zwar gut, aber die Lieferung kommt erst Anfang Mai”, sagt Bonvicini besorgt. Weil auch die Oberalp-Bestellung ausgefallen ist, stehen die Südtiroler Apotheker weiter vor derselben Herausforderung: Mit großem Zeitaufwand Angebote sichten, und hoffen, dass die Bestellung ankommt. Und am Ende “ist die Krux, einen gerechten Aufschlag festzulegen”, gesteht Florian Peer. Dank früher Einkäufe hat er es geschafft, dass es in seinen Apotheken vorerst weiterhin Schutzmasken für unter 2 Euro je Stück gibt.

“Wir werden die Entwicklung im Auge behalten, ob es nicht zu ungerechtfertigten Preissteigerungen kommt”, versichert VZS-Geschäftsführerin Gunde Bauhofer. Allerdings sei es von außen schwer abzuschätzen, warum es so große Preisdifferenzen in den einzelnen Apotheken gibt. “Die Unterschiede zwischen den erhältlichen Masken sind groß und es gibt wenig Vergleichsmöglichkeiten mit Vorher-Preisen. Davon abgesehen bleibt zu hoffen, dass, falls Schindluder betrieben wird, auch Strafen ausgestellt werden.”

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Markus Gufler Fr., 10.04.2020 - 09:07

Erkenntnis:
1) Keine Masken sind auch keine Lösung.
2) Star-Aufdecker haben auch null Plan wie man sich mit Masken eindecken oder schützen kann.
3) es gibt immer noch welche, die nicht verstanden haben was es bedeutet hat, wenn andere europäische oder internationale Staaten große Mengen an original bestellten Masken einfach umgelenkt und einbehalten haben.

Es wird sicher spannend zu sehen wie die Präsidentin des sdt.Hausärzte-Verbandes und der sdt.Altersheime ihre Aussage, Masken jetzt einfach selbst zu bestellen in die Tat umsetzen.

Fr., 10.04.2020 - 09:07 Permalink
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Klemens Riegler Fr., 10.04.2020 - 14:43

Antwort auf von Markus Gufler

Zu den Hausärzten ist zu sagen, dass es sich dabei eigentlich um komplett eigenverantwortliche und selbständige Ärzte handelt, die von der öffentlichen Hand einen Beitrag pro Patient erhalten. Im Normalfall wäre es also so, dass sich diese selbst und auf eigene Kosten mit allem notwendigem eindecken müssten!?! ... es ist natürlich leichter nach Oben zu schimpfen und zu fordern oder zu verlangen. Es wird also niemand nichts dagegen haben, wenn die Hausärztevereinigung das tut, was sie ja eigentlich tun müsste. Ich wünsche viel Erfolg.
Das nur als Klarstellung, und ohne deren unglaubliche Leistung und Einsatz mildern zu wollen. Ganz im Gegenteil... Großes DANKE dafür!

Fr., 10.04.2020 - 14:43 Permalink
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R K Fr., 10.04.2020 - 11:13

Eine grundsätzliche Frage:
Warum muss man in Zeiten, in denen ohnehin nur sehr begrenzt Masken zur Verfügung stehen, noch eine generelle Maskenpflicht einführen? Wie soll das für das gesamte Staatsgebiet denn umgesetzt werden?
Viel schlauer wäre es doch, Risikogruppen mit den (z.B. FFP3-) Masken zu versorgen. Dei diesen Gruppen liegt die Wahrscheinlichkeit für schwere Verläufe immerhin deutlich höher.
Dass jetzt, in dieser Situation, nicht nur Krankenhäuser und Altenheime etc. versorgt werden müssen, sondern die Gesamtbevölkerung, finde ich die falsche Vorgehensweise.

Fr., 10.04.2020 - 11:13 Permalink
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Elisabeth Garber Fr., 10.04.2020 - 14:00

Antwort auf von R K

@R H Auch zu den Risikogruppen gehören (in Deutschland zumindest) Millionen von Menschen... Woher denn die Masken- Ausstattung? Das ist momentan einfach ein Teufelskreis und man musste und muss wohl öfters als oft zwischen Pest und Cholera unterscheiden.

Fr., 10.04.2020 - 14:00 Permalink
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Klemens Riegler Fr., 10.04.2020 - 14:52

Antwort auf von Eduard Gruber

Warum ausgefallen? ... weil Mängel festgestellt wurden? Dazu brauchen wir keinen Schelm.
Den Produzenten in China wird das egal sein ... sie verkaufen die Masken trotzdem irgendwen.
Ich hoffe jedenfalls dass jemand bessere auftreibt, damit sich unser Sanitätspersonal net mit Plastiksacklen und Swiffertücher schützen muss.
Frohe Ostern übrigens !

Fr., 10.04.2020 - 14:52 Permalink
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Sepp.Bacher Fr., 10.04.2020 - 16:51

"Dank früher Einkäufe hat er es geschafft, dass es in seinen Apotheken vorerst weiterhin Schutzmasken für unter 2 Euro je Stück gibt." Diesen Satz hatte ich fälschlicherweise dem Apotheker Bonvicini zugeschrieben und bin frohen Mutes in seine Apotheke, um "Mascherine" zu kaufen. Meine Enttäuschung war groß: es gab nur Masken zu 8 Euro das Stück; nicht waschbar. Sie hätten schon einfache gehabt, aber gestern fertig gemacht. Nach der langen Rückfahrt mit vielen Wartezeiten, denn die Stadtbusse fahren nur nach Sonntags-Fahrplan und einige Linien fallen ganz aus, habe ich noch im Zentrum bei eine Apotheke gefragt und zum Glück welche erhalten. Es gab fünf einfache chirurgische Masken zu 9 € oder 5 waschbare für 15 Euro. Jetzt habe endlich auch ich eine Gesichtsmaske!

Fr., 10.04.2020 - 16:51 Permalink