Politik | Landtagswahlen 2013

David Augscheller: "Libertärer Kommunismus"

Rifondazione Comunista kandidiert bei diesen Landtagswahlen zum ersten Mal wieder alleine seit 1998. Lieber wäre man mit anderen Parteien geschlossen angetreten, sagt David Augscheller im salto-Interview, doch reiten auch die Linken jeder sein eigenes Ross.

Herr Augscheller, Sie sind Spitzenkandidat Ihrer Partei, der Rifondazione comunista und das als einziger deutschsprachiger Südtiroler, wie kam es dazu?
Ich bin deutsch- und italienischsprachig, meine Mutter ist Sizilianerin und mein Vater Südtiroler, also zweisprachig. In meinem Elternhaus wurden zwei Sprachen gesprochen und auch sonst der soziale Gedanke hochgehalten, mein Großvater war sizilianischer Eisenbahner und Antifaschist, da wird man schon sensibel auf Solidarität und Toleranz. So kam ich 1996 zu Rifondazione comunista, weil es für mich damals und auch heute noch die einzige Partei ist, die keine Dogmen predigt und sich seit jeher gegen den Krieg und die Teilnahme an sogenannten Friedensmissionen einsetzt.

Nun ist die Rifondazione keine Partei mit einem großen Zulauf in Südtirol, wie ist die Stimmung jetzt so kurz vor den Wahlen
Generell positiv würde ich sagen, wir sind mit viel Realismus und bodenständigen Ansätzen in diesen Wahlkampf gegangen, aber auch mit Freude und Visionen, denn als wir beschlossen haben, an dieser Wahl teilzunehmen, taten wir das mit positivem Ansatz. Wir wollen schließlich auch unsere Themen weiterbringen, die Interethnizität, die gerechte Umverteilung von Waren und Geld, ökologisches Leben, Zugang zur öffentlichen Bildung...

Das sind alles Themen für die Sie sind, sind Sie auch gegen etwas?
Ja, vor allem wollen wir Themen positiv besetzen, aber wir haben auch unsere „Nein“-Themen, wie den Brennerbasistunnel, den Flughafen...

Und was ist mit dem Kapital?
Wir sind klar gegen den Kapitalismus, der zur Zeit betrieben wird. Rifondazione hat drei Säulen, auf die das Programm aufbaut: Den Antikapitalismus, denn das aktuelle Wirtschafts- und Bankensystem ist zu überwinden. Zweitens haben wir eine klare antipatriarchale Einstellung, also gegen ausbeuterische Herrschaft- und Machtsysteme und drittens stellen wir den Pazifismus in den Mittelpunkt – wir sind konsequent gegen jede Art von Krieg und da sind wir meines Wissens die einzige Partei, die sich so klar aufstellt.

Was unterscheidet Rifondazione eigentlich von den Comunisti, die ja auch kandidieren?
Das ist ein berechtigte Frage und wird mir auch immer wieder gestellt. Dazu möchte ich sagen, dass wir bereits im Frühjahr die Kooperation mit anderen Linksparteien, wie den Grünen und der Sel gesucht haben, wir wären mit 2 Listenplätzen auf deren Liste zufrieden gewesen. Doch im Sommer erhielten wir hier negativen Bescheid. So mussten wir entscheiden was wir tun, sollen wir selbst kandidieren? Denn mit Herrn Carlini von den Comunisti ist eine Zusammenarbeit leider nicht möglich, er wirft uns vor, wir wären zu wenig seriös, zu wenig hardliner.

Also gibt es immer noch den alten Streit, wer die besseren Kommunisten sind?
Ja, diesen Streit gibt es immer noch, aber nur auf lokaler Ebene, hier in Südtirol. Im restlichen Italien wird mittlerweile eine gemeinsame Liste zwischen Rifondazione und Comunisti gemacht, nur hier, wo wir beide so klein sind und uns gegenseitig wohl das Wasser abgraben werden, gelingt das nicht.

Wie lief der Wahlkampf nun für Sie?
Ich denke recht gut, die Themen für die wir stehen, konnten wir auf den verschiedenen Podiumsdiskussionen durchaus mitteilen und auch die Medien waren sehr interessiert an uns, ich habe etliche Interviews gegeben. Unsere Themen kamen auch bei vielen Jugendlichen und in den Schulen sehr gut an.

Wie rechnen Sie sich die Chancen aus für Rifondazione?
Nachdem wir das erste Mal kandidieren, wird es etwas schwierig sein. Rein wahltechnisch glaube ich nicht, dass sich ein Mandat ausgeht, dafür bräuchte es wohl 4 bis 5.000 Stimmen. Aber wir haben Präsenz gezeigt, das ist auch wichtig.

Trauen Sie den Südtirolern keine Liebe zur Systemkritik zu?
Das nicht, aber ich denke, die meisten Südtiroler können sich mit unserer Partei nicht identifizieren. Obwohl sehr viele uns gesagt haben, dass bei ihren Wahltests auf wahllokal.it unsere Partei als Ergebnis rausgekommen ist, habe ich meine Zweifel, ob sehr viele dann in der Wahlkabine das Kreuz bei uns machen werden.

Wenn Sie noch einmal ganz zu Beginn des Wahlkampfes stünden, was würden Sie anders machen?
Ich bin überzeugt davon, dass es in Südtirol eine Linke braucht, leider ist diese recht zersplittert. Ich würde verstärkt auf Koalitionen setzen, auch beispielsweise die SVP-Arbeitnehmer dafür gewinnen, denn schließlich teilen wir doch Themen. Es muss möglich sein, sich parteienübergreifend anzunähern. Ich sehe das als Gemeinderat in Meran, dort funktioniert die Zusammenarbeit mit den Grünen und dem PD recht gut.

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Monika Mallojer Mi., 23.10.2013 - 18:14

Es ist leider so, dass die Linke scheinbar nicht wirklich was aus der Geschichte gelernt hat. Ich finde es sehr schade, dass man sich nicht wichtige Themen einigen kann, um als Opposition gestärkt zu werden.
Es gehen der linken und grünen Bewegung auf diese Weise wertvolle Stimmen verloren. Die Mehrheitspartei kann sich freuen.

Mi., 23.10.2013 - 18:14 Permalink
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gorgias Mi., 23.10.2013 - 21:45

Antwort auf von gorgias

Nur der Witz ist, dass der Kommunismus an sich schon eine Gesellschaftsform ohne Staat sein sollte. So ist im Grunde der libertäre Kommunismus nichts weiter als eine Tautologie und für mich ist sie - um es vornehmer zu Formulieren - die Kopfgeburt des Tages, weil sie so schön den Titel eines salto-Artikels ziert.

Mi., 23.10.2013 - 21:45 Permalink
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gorgias Mi., 23.10.2013 - 22:52

Antwort auf von gorgias

um es kurz zu halten: Die Gesellschaft macht eine historische Entwicklung durch bei der sie mehrere Stufen durchgeht. Die Theorie des historischen Materialismus ( http://de.wikipedia.org/wiki/Historischer_Materialismus ), dass eine Gesellschaft hauptsächlich durch ihre Produktionsweise geprägt ist. Also das die Psyche durch die Ökonomie geprägt wird oder wie Marx es sagte: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Marx ging dabei von einer historischen Entwicklung aus bei der folgende Schritte durchlaufen werden:
Naturzustand -> Sklavenhaltergesellschaften -> Feudalismus -> Kapitalismus -> Sozialismus -> Kommunismus
In der Phase des Sozialismus sollen Produktionsfaktoren kollektiviert werden (was im Sovietkommunismus zu einer zentralen Planwirtschaft ausartete) und im Kommunismus soll dann endlich der Staat überwunden werden.
Leider blieben die Staaten die den Kommunismus haben wollten im Sozialismus stecken :-). China ist dann draufgekommen dass sie die Entwicklungsstufe des Kapitalismus übersprungen hatten und vom Feudalismus zum Sozialismus übertreten wollten und es desshalb nicht richtig funktionierte. Laut Marx schneidet der Kapitalismus auch nicht so schlecht, ab weil er eine notwendige Entwicklungsstufe ist.
Jetzt ist Marx nicht der einzige kommunistische Denker sondern es gab nach seinem Tod genug Marxisten die seine Theorien "weiterentwickelten". (http://de.wikipedia.org/wiki/Kommunismus) So gibt es den Leninismus, Trotzismus und Stalinismus. Der letztere floriert im Moment in Nordkorea. Die Gemeinwohlökonomie könnte man als eine Form von "Krypto-Anarcho-Kommunismus" bezeichen :-) , schauen wir mal was daraus wird. ;-)

Um einen Einblick in die Ideengeschichte des Marxismus zu haben, könnte das Buch "Der Wiedergänger: Die vier Leben des Karl Marx" interessant sein.

Mi., 23.10.2013 - 22:52 Permalink
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no name Do., 24.10.2013 - 09:54

Antwort auf von gorgias

Der Staat - verstanden als zentralistischer, repressiver Apparat - sollte "absterben", so die Sicht der KommunistInnen. Marx etwa im K. Manifest:
"Die socialistischen und kommunistischen Schriften bestehen aber auch aus kritischen Elementen. ... Ihre positiven Sätze über die zukünftige Gesellschaft, z. B., Aufhebung des Gegensatzes von Stadt und Land, der Familie, des Privaterwerbs, der Lohnarbeit, die Verkündung der gesellschaftlichen Harmonie, die Verwandlung des Staats in eine bloße Verwaltung der Produktion."
Über den Weg dorthin schieden sich die Geister und spaltete sich 1872 die Erste Internationale, also die AnarchistInnen von den SozialdemokratInnen/KommunistInnen (diese wiederum trennten sich erst nach der Oktoberrevolution 1917). Während der Anarchismus die Errichtung einer egalitären Gesellschaft jenseits des Staates anstrebt, wollten die KommunistInnen die "Staatsmacht" erobern um den Weg für den Kommunismus zu bereiten. Selbst Lenin strebte dies an, vgl. aus Staat und Revolution. Dass diese Versuche tragisch gescheitert sind, steht außer Frage. Gerade deshalb auch die Strömung der libertären KommunistInnen, welche die Organisation in einer zentralistischen Partei ect. ablehnen und vor allem mit dem Mai '68 in Verbindung gebracht werden können. Soviel meines Wissens nach zu diesem Thema...

Do., 24.10.2013 - 09:54 Permalink