Chronik | im trüben fischen

“Blöd gelaufen”

Italien erlaubt, motorisiert zu Sportaktivitäten zu gelangen. In Südtirol ist das nicht so bzw. nicht so ganz klar. Die “paradoxe Situation” trifft auch die Fischer.
Fischer
Foto: Othmar Seehauser

“Es ist einfach blöd gelaufen.” Wirklich wütend ist Markus Heiss nicht. Aber ein bisschen verärgert. Der Präsident des Landesfischereiverbandes hat am Wochenende seine Mitglieder über eine “paradoxe Situation” informiert, die sich aufgrund des jüngsten Dekrets von Premier Conte und der Dringlichkeitsverordnung von Landeshauptmann Kompatscher ergeben hat.

 

Staat sagt ja...

 

Am Samstag (2. Mai) hat die Regierung in Rom gegen 19 Uhr Klärungen zu den wichtigsten Fragen bezüglich des Dekrets vom 26. April veröffentlicht. Unter der Frage “Sind Bewegungs- oder sportliche Aktivitäten erlaubt?” heißt es: “Um die oben angeführte Bewegungs- oder sportliche Aktivität (erlaubt ist Individualsport innerhalb der Wohnsitz-Region, Anm.d.Red.) auszuüben, ist es auch erlaubt, sich mit öffentlichen oder privaten Verkehrsmitteln zum Ort der Ausübung dieser Tätigkeit zu begeben.”

Sprich, wer etwa eine Wanderung – immer unter Einhaltung der Abstandsregeln und Schutzvorgaben – machen will, darf laut staatlichen Vorgaben nun auch mit Auto, Bus oder Zug zum Ausgangspunkt der Wanderung fahren. In Südtirol allerdings ist das nicht so bzw. nicht so ganz klar.

Denn in der Dringlichkeitsverordnung, die der Landeshauptmann am Samstag (2. Mai) Nachmittag erlassen hat, heißt es, “dass nur jene Bewegungen (innerhalb der Region, Anm.d.Red.) erlaubt sind, die durch nachgewiesene Arbeitsanfordernisse, Notwendigkeit oder gesundheitliche Gründe begründet sind; dabei erachtet man auch solche Bewegungen für notwendig, um Verwandte zu besuchen und um die Studienorte zu erreichen”.

Allerdings wird in Punkt 8 festgehalten: “Es ist erlaubt, sportliche Aktivitäten, wozu auch das Sportfischen gehört, und Bewegungsaktivitäten (Spaziergänge, Radfahren, Joggen, Anm.d.Red.) durchzuführen.” Zudem wird präzisiert: “Menschen mit Beeinträchtigung dürfen sich auf dem Landesgebiet mit ihren eigenen Fahrzeugen fortbewegen, um die Bewegungstätigkeit auf eine an ihre besondere Situation angepasste Weise ausführen zu können.”

 

Für die restlichen Bewegungs- und Individualsporttätigkeiten gibt es diese Präzisierung nicht. Als er die Diskrepanz zwischen staatlichen und Landesvorgaben bemerkt, fragt Markus Heiss bei Landesrat Arnold Schuler nach. Auch der Kammerabgeordnete Albrecht Plangger wird kontaktiert und mit der Frage konfrontiert: Ist es in Südtirol erlaubt, sich motorisiert zum Ausübungsort des Sportfischens und jeglicher sonstigen Sporttätigkeit zu begeben?

 

...zu spät fürs Land

 

Nein, ist es nicht – zumindest sei das so zu interpretieren, bestätigen die beiden Politiker dem Präsidenten des Landesfischereiverbandes. Entsprechend erfolgt die Mitteilung an dessen Mitglieder: “Laut der Dringlichkeitsverordnung ist es möglich, das Fischgewässer zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen, nicht aber mit dem Auto. (…) Da die Dringlichkeitsverordnung des Landeshauptmannes strenger ist als das Decret Conte (aufgrund der am Samstag Abend erfolgten Klärung), gilt jene des Landeshauptmannes!”

“Wir sind froh, dass das Fischen seit heute, 4. Mai, offiziell wieder erlaubt ist”, schickt Heiss voraus. Dafür hat sich der Fischereiverband lange eingesetzt. “Äußerst unglücklich” hingegen sei, dass die Klarstellung der Regierung zum Dekret von Conte erst am Samstag Abend erfolgt sei, “und die Dringlichkeitsverordnung des Landeshauptmannes, die bereits am Nachmittag erlassen wurde, dadurch strenger herauskommt”.

“Der Landespolitik kann man keinen Vorwurf machen, aber dieses erneute Chaos ist leider symptomatisch dafür, dass die Kommunikation vonseiten des Staates nicht klar erfolgt und wiederholt Spielräume für Interpretationen offen lässt”, bedauert Markus Heiss. Er hofft nun auf das Corona-Landesgesetz, in dem die Wiedereröffnung der Fischerei in vollem Umfang vorgesehen ist und grundsätzlich erlaubt wird, sich im gesamten Landesgebiet frei zu bewegen, ohne Eigenerklärung.

Inzwischen “haben wir in Südtirol nun die paradoxe Situation, dass, vom Inkrafttreten der Dringlichkeitsverordnung Nr. 24 des LH am 4. Mai bis zum Inkrafttreten des Landesgesetzes (voraussichtlich 8. Mai), das Erreichen des Fischgewässers mit dem Auto nicht erlaubt ist, in anderen Regionen des Staatgebietes aber möglicherweise schon (dort wo es keine strengeren Dekrete der Regionen gibt)”, heißt es im Rundschreiben des Fischereiverbands.
“Aber vielleicht erlässt der Landeshauptmann ja heute noch eine weitere Verordnung”, meint Heiss augenzwinkernd.

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Christoph Tappeiner Mo., 04.05.2020 - 12:19

Dies stimmt so nicht. In rechtlicher Hinsicht gilt der oberste Grundsatz, dass alles erlaubt ist was nicht ausdrücklich verboten wurde.

Es steht in keinem offiziellen und verbindlichen Text, dass das Auto nicht dazu verwendet werden darf, den Ort der Ausübung von sportlichen Aktivitäten zu erreichen. Falls irgendein/e Facebook- Accountmanager/in des Landes dies in den sozialen Netzwerken behauptet hat, dann stellt das für mich - und für die Allgemeinheit - keine verbindliche Information dar.

Das Land kann seine eigenen Bestimmungen interpretieren, nicht jedoch eine authentische Auslegung von Staatsgesetzen vornehmen. In der Verordnung des Landeshauptmannes steht sodann an keiner Stelle, dass es verboten ist, das Auto für die Freizeit zu verwenden. Wenn an anderer Stelle gesagt wird, dass für bestimmte Zwecke die Verwendung von Fahrzeugen erlaubt ist, dann heißt das im Umkehrschluss nicht, dass private oder öffentliche Transportmittel für weitere ansonsten legitime Zwecke verboten wären.

Auch die Aussendung eines privaten Vereins ist keine verbindliche Rechtsquelle.

Mo., 04.05.2020 - 12:19 Permalink
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R K Mo., 04.05.2020 - 12:50

Antwort auf von Christoph Tappeiner

Im Übrigen, Frau Gasser, müssen Verordnungen auch ausgelegt werden.
Bei der Sportfischerei wird man wohl davon ausgehen müssen, dass Menschen an die entsprechenden Orte eben oft nur mit dem Pkw gelangen können.

Im Übrigen wird in Nr. 1 mit keinem Wort erwähnt, dass nicht auch private und öffentliche Verkehrsmittel verboten sind (abgesehen in Abs. 2 im Bezug auf andere Regionen).

Nr. 8 Abs. 3 ist tatsächlich etwas unglücklich formuliert. Menschen mit Beeinträchtigung dürfen sich mit ihren "eigenen Fahrzeugen" fortbewegen. Ich verstehe damit die Präzisierung, dass Fahrzeuge, die spezielle Bewegungsmittel für behinderte Personen sind, ebenfalls zulässig sind. In der Tat ist meines Erachtens dies nicht gelungen.
Insgesamt würde ich Herrn Tappeiner zustimmen und sagen, dass es kein ausdrückliches Verbot gibt, was aufgrund der massiven Grundrechtseinschränkungen notwendig wäre.

Zu den Rechtsquellen: Ich halte es für geradezu grotesk, dass sich Verantwortungsträger einfach spontan, ohne dies genau abzuklären, zu einer eigenen Auslegung hinreißen lassen. So stelle ich mir zumindest vor, wie es zu diesen Aussagen kam. Insbesondere ist es entsetzlich, dass sich das Mitglieder der Landesregierung erlauben.
Auch wenn Herr Tappeiner hier recht hat, muss man natürlich anerkennen, dass durch derartige Vorgänge völlig unprofessionell sind und eine Regelungswirkung erzeugen können, die jedoch nicht gerechtfertigt ist.

Mo., 04.05.2020 - 12:50 Permalink
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Christoph Tappeiner Mo., 04.05.2020 - 12:56

Antwort auf von R K

Ich pflichte Ihnen bei, dass die Professionalität der gesetzgebenden Organe schon seit längerer Zeit stark zu wünschen übrig lässt. Zunächst sprachlich, sodann bei den Kommunikationswegen. Man sollte allerdings auch weniger Fragen stellen (Darf ich jetzt? Wie viele Meter weit?), denn die Antworten darauf sind nicht selten deppert.

Mo., 04.05.2020 - 12:56 Permalink
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R K Mo., 04.05.2020 - 14:02

Dies ist eine Frage, die hier keinerlei Relevanz hat.
Man kann nicht Einschränkungen der Freiheit der Menschen, die in einem Notstand angewandt werden, für Zwecke benutzen, die in einer Abwägung der relevanten Interessen sicherlich hinter diesen Freiheiten zurücktreten müssten.

Mo., 04.05.2020 - 14:02 Permalink