Gesellschaft | Meran

Bumerang für Paul?

Die Organisatorin der Protestveranstaltung Sarah Maria Lechner fordert jetzt über ihre Anwälte eine Entschuldigung vom Meraner Bürgermeister Paul Rösch ein.
Kundgebung Meran 3.jpg
Foto: Vox Südtirol
Der „Alto Adige“ bemühte bereits am ersten Tag den Staatsanwalt.
Die Berichterstattung der Athesia-Medien über die Meraner Protestkundgebung gegen die Covid-19-Maßnahmen am 30. Mai hatte von Anfang eine klare Schlagseite: Unverantwortlich, halb kriminell und inakzeptabel.
Als „Kundgebung der Impfgegner“ abgekanzelt, unterstellt man seitdem den Organisatoren gleich eine ganze Reihe von mutmaßlichen Straftaten. So etwa soll es zu einer unerlaubten Zusammenrottung gekommen sein, auf der weder die Mindestabstände noch die Maskenpflicht eingehalten wurden. Vor allem aber wirft man der Organisatorin vor, eine Veranstaltung ohne Genehmigung abgehalten zu haben.
Der Meraner Bürgermeister Paul Rösch – auch er bereits im Wahlkampf für anstehenden Gemeinderatswahlen – stimmte lauthals in die medial vorgegeben Kassandraklänge ein.
Die Veranstaltung hatte keine Genehmigung und auch kein erkennbares Sicherheitskonzept. Wir werden daher rechtliche Schritte gegen die Veranstalter einleiten und entsprechende Strafen verhängen“, erklärte Rösch am Tag nach der Kundgebung.
Am vergangenen Freitag zog dann auch der Meraner Gemeinderat nach. In seltener Einstimmigkeit nahm man einen von den Grünen und der Liste Rösch eingebrachten Entschließungsantrag an, mit dem „der Gemeinderat das Verhalten jener Bürgerinnen und Bürger verurteilt, die bei der Veranstaltung auf dem Sandplatz die Maßnahmen zur Überwindung der Covid-19-Pandemie grob missachtet und damit ihre eigene und die Gesundheit anderer Menschen gefährdet haben”. Zudem sprach man sich dafür aus gegen die Organisatoren rechtliche Schritte einzuleiten.
 

Der Brief der Anwälte

 
Die Organisatorin der Veranstaltung Sarah Maria Lechner hat von Anfang an erklärt, dass sie eine Genehmigung der Quästur für die Veranstaltung habe und auch die Gemeindeverwaltung und Bürgermeister Paul Rösch über die Protestkundgebung vorab informiert worden sei.
Nach der medialen Hexenjagd und dem Beschluss des Gemeinderates schlagen die Organisatoren jetzt aber mit derselben Waffe zurück.
Die beiden Rechtsanwälte Lorenz Michael Baur und Janis Noel Tappeiner haben im Auftrag ihrer Mandantin Sarah Maria Lechner jetzt Paul Rösch eine Abmahnung zukommen lassen. Darin fordern die Anwälte den Meraner Bürgermeister auf:
 
  •  jegliche Handlung, welche Ruf, Namen und/oder Würde unserer Mandantschaft verletzt, zu unterlassen;
  • ein entsprechendes Entschuldigungsschreiben an meine Mandantschaft aufzusetzen und dasselbe auch auf der Internetseite der Stadtgemeinde mit folgendem oder ähnlichem gleichwertigen Inhalt zu veröffentlichen:
„Der Bürgermeister Dr. Paul Rösch entschuldigt sich hiermit bei Frau Lechner Sarah Maria für seine im Zusammenhang mit der Veranstaltung vom 30.05.2020 getätigten Aussagen. Er räumt ein, dass Frau Lechner mehrmals bei der Stadtgemeinde Meran vorstellig geworden ist und diese von den zuständigen Beamten an die Quästur Meran verwiesen wurde. Er bestätigt, dass die Quästur Meran eine Genehmigung für die Veranstaltung ausgestellt hat und Frau Lechner die Teilnehmer mehrmals aufgefordert hat sich an die Sicherheitsvorkehrungen zu halten. Außerdem wurde die Veranstaltung von Beamten der Staatspolizei und der Carabinieri überwacht. “
 
 
Sarah Maria Lechner geht es dabei nicht um die Konfrontation sondern um eine gütige Einigung. Das betonen die beiden Anwälte in ihrem Schreiben.
 

Die Chronik

 
In dem langen Anwaltschreiben wird auch nochmals die Chronik der vermeintlichen Affäre nachgezeichnet. Sie wirft – sollte sie so bestätigt werden – kein besonderes gutes Licht auf die Meraner Gemeindeverwaltung. „Es sei daraufhin gewiesen, dass Sie bzw. die von Ihnen geführte Verwaltung ein völlig undurchsichtiges, widersprüchliches und bürgerfeindliches Verhalten an den Tag gelegt haben“, leiten Lorenz Michael Baur und Janis Noel Tappeiner ihr Schreiben ein.
Demnach sei Sarah Maria Lechner bereits am 12. Mai persönlich bei der Stadtgemeinde Meran vorstellig geworden und hat mitgeteilt, dass sie gemeinsam mit weiteren Personen eine öffentliche Zusammenkunft organisieren möchte. Der zuständige Beamte Stefano Broggi hat daraufhin erklärt, dass für den Fall, wonach keine Musik geplant sei, die Quästur zuständig sei. In der Folge teilte er mit, dass Frau Lechner eine schriftliche Anfrage stellen solle, er würde diese sodann an die Quästur zur Bearbeitung weiterleiten.
Genau das hat die Organisatorin mittels E-Mail am 20. Mai getan. Mit einem weiteren Schreiben hat Frau Lechner sodann noch nachgefragt, wie das Treffen angekündigt werden darf.
Auf beide Mails bekam die Organisatorin keine Antwort. Frau Lechner hat sich daher direkt an die Quästur Meran gewandt. Am 21.Mai besprach sie dort in einem persönlichen Gespräch mit dem zuständigen Beamten alle Einzelheiten.
 
 
Dabei wurde der Organisatorin von Seiten der Polizeibehörde das entsprechende Formular für die öffentliche Veranstaltung ausgehändigt. Im Zuge der Besprechung in der Quästur wurde auch klar, dass das angedachte Treffen auf dem Thermenplatz nur stattfinden kann, sofern eine entsprechende Genehmigung seitens der Therme Meran AG vorliegt. Diese Zusage wurde letztlich aber nicht erteilt.
Deshalb musste ein anderer öffentlicher Platz für das Treffen gefunden werden. „Frau Lechner hat in der Folge alles daran gesetzt wiederum mit Ihnen in Kontakt zu treten um eine entsprechende Empfehlung Ihrerseits zu erhalten“, heißt es im Schreiben der beiden Anwälte an Paul Rösch. Und weiter: „Sie haben die vorgenannte Empfehlung am 21.05.2020  sodann auch über eine Dritte Person an Frau Lechner erteilt.
Am nächsten Tag wurde Sarah Maria Lechner bei der Stadtgemeinde Meran vorstellig und dort wurde ihr bestätigt, dass das geplante Treffen auf dem Sandplatz stattfinden kann. Für die weitere Vorgehensweise wurde sie sodann wiederum an den zuständigen Beamten Stefano Broggi verwiesen. Broggi bestätigte, dass alles in Ordnung sei und sie nur noch die Genehmigung der Quästur brauche. Am 25. Mai gab Frau Lechner das Ansuchen bei der Quästur Meran ab. Vier Tage später wurde mittels Verfügung Cat. A4/2020/Gab. vom 29.05.2020 das Ansuchen vom Quästor der Provinz Bozen Orazio D’Anna genehmigt.
 

Keine Beanstandungen

 
Zudem verweisen die beiden Anwälte im ihrem Schreiben darauf, dass die Organisatorin alles in ihrer Macht stehende unternommen habe, um auf der Veranstaltung die vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten. So waren am 30. Mai am Sandplatz zahlreiche Polizeibeamte der Carabinieri sowie der Quästur Bozen (Staatspolizei) anwesend und auch sie haben ihrerseits dafür gesorgt, dass die Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden.
Die anwesenden Polizeibeamten haben hingegen keine Verstöße festgestellt und haben die Zusammenkunft somit auch nicht aufgelöst“, schreiben die Anwälte. „und unserer Mandantin ging somit vollkommen zu Recht davon aus, dass alles in Ordnung ist und die entsprechenden Auflagen ihrerseits eingehalten wurden.
 
 
Sarah Maria Lechner war über das was danach folgte deshalb mehr als nur verwundert. Vor allem die Tatsache, dass Paul Rösch offen davon sprach, dass die Organisatoren keine Genehmigung hatten, will die junge Marlinger Wellnesstrainerin nicht auf sich sitzen lassen.
Tappeiner/Baur: „Schließlich und zu allem Überfluss drohen Sie gegenüber unserer Mandantin rechtliche Schritte einzuleiten und üben Druck auf die Polizeibehörden aus, damit dieselben ex post „entsprechende Strafen“ zulasten der Veranstalter ausstellen“.
Sarah Maria Lechner will sich das jetzt nicht mehr gefallen lassen. Deshalb fordert sie auch eine Entschuldigung. Ansonsten will die junge Frau vor Gericht ziehen.
Dann aber könnte der plötzliche Law and Order-Kurs Paul Rösch und dem Meraner Gemeinderat nachträglich auf den Kopf fallen.
Bild
Profil für Benutzer Johann Georg Bernhart
Johann Georg B… Do., 11.06.2020 - 13:24

Frau Lechner mutige Entscheidung,,ein BM ist nicht Autorita di P.S., wenn sich ein Polizeiposten mit Commissar in der Ortschaft befindet. Rösch weiss anscheinend nicht was er darf und was nicht und sowas nennt sich Bürgermeister.
Frau Lechner an Ihnen sollten sich viele ein Beispiel nehmen, sie Stehen zu Ihren Vorhaltungen.Wünsch Ihnen viel Glück und it lugg lossn.

Do., 11.06.2020 - 13:24 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Bernhard Oberrauch
Bernhard Oberrauch Fr., 12.06.2020 - 11:04

Ich war bei der Veranstaltung dabei, und nicht nur als Teilnehmer, sondern auch als Redner.
Die Feststellung, dass sich hier "rund 400 Impfgegner " getroffen hätten, ist nicht nur aus der Luft gegriffen und inkorrekt, sondern ich werte dies als Diffamierung. Damit werden Personen, welche ein berechtigtes Anliegen haben, so von vornherein abgewertet und in eine Vorurteilsschublade abgeschoben, damit die Leser sich gar nicht mit den einzelnen inhaltlichen Themen auseinandersetzen. Der Bürgermeister hat mir nicht erklärt, wie er zu dieser Feststellung gekommen ist. Auch auf „Stol“ wurde diese Behauptung aufgegriffen. Damit ist auch „Stol“ in der Verantwortung, zu erklären, wie sie zu dieser Behauptung gekommen sind.
Ich selber bin kein Impfgegner, und von den 2 1/2 Stunden Reden wurden ca. 1-2 Minuten dem Thema Impfen gewidmet, und das in einer sehr versöhnlichen Weise: wer sich gegen Corona impfen lassen will, soll es tun, und wir wünschen diesen Personen, dass es ihnen wirklich hilft, und wer sich nicht impfen lassen will, kann sich frei dazu entscheiden.
Überhaupt wurde die gesamte Veranstaltung in einem sehr versöhnlichen und respektvollen Klima durchgeführt. Die gute Zusammenarbeit mit der Gemeinde Meran und mit den Polizisten - Stadtpolizei und Quästur- wurde ausdrücklich erwähnt und gelobt. Beim Treffen auf dem Sandplatz ginge es in erster Linie darum, sich öffentlich mit den unterschiedlichen Sichtweisen der Corona-Krise auseinander zu setzen, ohne gegensätzliche Fronten aufzubauen. Die Ansprachen waren sachlich, ruhig und konstruktiv und wurden in deutscher und italienischer Sprache abgehalten. Das Gemeinsame und Einigende war im Mittelpunkt und nicht das Trennende. Es ging nicht um Polarisation und Schwarz-Weiß-Malerei. Es ging nicht um Schuldzuweisungen an die Politik, die sicher ihr Bestes getan hat, wie es auch von Sarah Lechner in ihrer Rede bestätigt hat. Sehr wohl ging es um die Verantwortung, bei aktuellen Kenntnissen die richtigen Massnahmen zu setzen und die nicht angemessenen aufzuheben.
Es ging um die Schaffung eines Raumes für einen öffentlichen Dialog jenseits von Angst und Panik. Einer der Redner war ein pensionierter Polizist, der von seinen Erfahrungen bei der Umsetzung von Regeln aus seiner Perspektive erzählt hat.

Auch auf die Einhaltung der Regeln wurde mehrmals hingewiesen, und diese wurden auch zu einem guten Teil eingehalten. Wer nicht unter dem gleichen Dach lebt und sich näher kam, hatte zum Großteil eine Maske auf. Ich kann dies für die Personen bestätigen, die in meiner Nähe waren und die ich gesehen habe. Die Bilder in der Presse - wo auch ich zu sehen bin- vermitteln einen falschen Eindruck, weil sie aus einer Perspektive gemacht wurden, welche den Anschein erweckt, als wäre alle Personen dicht gedrängt beinander. Die anwesende Polizei ist ja auch nicht eingeschritten und hat sich auch nicht zu Wort gemeldet.
Sarah Lechner hat alles ihr Mögliche getan, um die vorgeschriebenen Bewilligungen zu erhalten.

Die Grundaussage bei der Demonstration war "wir wollen Beweise". Wir haben in den letzten 2 Monaten viele Anordnungen erhalten, aber die Beweise fehlen noch. Die Behörden, welche Anordnungen geben, sind in der Pflicht, diese zu begründen mit wissenschaftlichen und nachvollziehbaren Beweisen.
Nach meinen persönlichen Recherchen ist die Gefahr durch den Corona-Virus schon seit längerer Zeit nicht gegeben, allerdings gibt es eine große Gefahr, dass die Demokratie und die Grundrechte dauerhaft beschädigt werden.
Ich habe 4 offene Briefe geschrieben und von den zuständigen Behörden noch immer keine Antworten erhalten:
https://www.salto.bz/de/article/29042020/verantwortung-tief-gehende-ant…
https://www.salto.bz/de/article/22042020/coronavirus-wo-ist-die-klarheit
https://www.salto.bz/de/article/04042020/coronavirus-fragen-wissenschaf…
https://www.salto.bz/de/article/29042020/coronavirus-dove-la-chiarezza
Ich muss als Bürger keine Beweise vorlegen- diese Verantwortung und Pflicht liegt bei den Behörden, welche die Maßnahmen gesetzt haben.

Es wäre wichtig, dass die Politiker als Vertreter des Volkes die Wortmeldungen, persönlichen Stellungnahmen und Recherchen engagierter Bürger*innen ernst nehmen und als Bereicherung und Unterstützung nutzen.

Fr., 12.06.2020 - 11:04 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Michael Bockhorni
Michael Bockhorni Fr., 12.06.2020 - 15:57

Antwort auf von Bernhard Oberrauch

Danke Bernhard für die sachliche und klare Berichterstattung, welche die Medien nicht zustande gebracht haben. Auch aus meiner Erfahrungen mit der Ortspolizei in Meran ist hier hinsichtlich Bürgernähe, Transparenz und vernetzte Kommunikation noch viel Luft nach oben. In anderen Regionen und Ländern (mit welchen manche Südtiroler sich wieder vereinigen wollen) ist die juristische und demokratische Aufarbeitung der Entscheidungen, Maßnahmen und Strafen längst im Gange. Fehler werden eingeräumt, zu Unrecht ausgestellte Strafen zurückgezahlt usw.

Fr., 12.06.2020 - 15:57 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Klaus Griesser
Klaus Griesser Sa., 13.06.2020 - 12:14

Antwort auf von Michael Bockhorni

Das Problem ist die zweideutige Verordnung der Landesregierung zu den Masken. Sie verkündet die von vielen erheischte Botschaft "Masken weg" und in einem NEBENsatz, "Masken auf!" bei Distanzen unter 1 m. Demnach müssten alle Teilnehmer der Demo in Meran Masken vor Mund & Nase tragen. Das ist offensichtlich nicht der Fall, und die Ordnungshüter tun nichts. Geschrieben stand's, gesagt wurde es auch, also weggeschaut.
Und der Schutz, den ich dem Nebenstehenden geben kann, dieses sein Grundrecht auf Gesundheit, ist weg.

Sa., 13.06.2020 - 12:14 Permalink