Politik | Diskriminierende mediale Darstellung

Frauen in der Politik: Abstinent sein oder im Leben stehen?

Magdalena Amhof ist sauer. Sie will sehr wohl in die Landesregierung. "Kinder sind doch kein Knock-Out Kriterium", sagt Martina Ladurner, "Familie gehört zum Leben dazu", weiss Renate Gebhard. Philipp Achammer: "Wir wurden gewählt, um politische Verantwortung zu übernehmen. Lassen wir das Privatleben draußen."

Marie Mawe wurde nach ihren Bettgeschichten gefragt, die blonde Langhaarigkeit, das sichere Auftreten, ihr Paroli-Bieten entsprachen nicht dem gemeinen Bild der Südtiroler Politikerin. Doch auch Magdalena Amhof ist anscheinend nicht würdig Politik mit zu gestalten. Ihrem angeblichen Bedürfnis eine Familie aufzubauen, wird medialer Boden geboten. Ungefragterweise. Von "Mami-Plänen" schreibt die Südtiroler Tageszeitung am 5. November. Eine erboste Amhof zeigt sich am 6. November in der Tageszeitung Dolomiten.“Ich bin weder schwanger, noch will ich mich nur noch um die Familienplanung kümmern“, kontert Amhof. Landesrätin werden möchte sie gerne, dass sie „auf das gebärfähige Alter reduziert wird“ - ja, das erschreckt sie.

Schwanger und dann nach Rom?
Ein Aufschrei ob dieser Darstellung rundum, auch Renate Gebhard kann die medialen Unterstellungen nicht verstehen. Sie selbst musste sich, als sie im Jahr 2013 ihre Schwangerschaft bekannt gab, die Frage anhören: „Erst nach Rom gewählt und schon schwanger?“ Gebhards Sohn Sebastian ist heute drei Monate alt: „Ja, natürlich bin ich da auch persönlich betroffen“,sagt die römische SVP-Abgeordnete.  „Ich muss sagen, ich wundere mich sehr, dass wir heut noch diese Diskussion führen. Nehmen wir doch das Beispiel der Sabine Kasslatter Mur, die zwei Kinder hatte in ihrem ersten Wahlkampf und die Politik der letzten zwanzig Jahre maßgeblich mitgeprägt hat. Waren nicht alle zufrieden mit ihr? Oder wegen ihrer Kinder unzufrieden?“

Mann darf, Frau muss
Was Frau nicht darf, wird bei Mann mit einem wohlwollenden Kopfnicken anerkannt. Arno Kompatscher, sechs Kinder, Richard Theiner, drei Kinder, Arnold Schuler vier Kinder. Und dass Landeshauptmann Luis Durnwalder mit seiner kleinen Greta viel Freude hat, auch das ist doch nur schön. Spätes Vaterglück eben.

Von Diskriminierungen und konstruierten Rollenbildern
Martina Ladurners Tochter
ist heute acht Jahre alt. „Sie ist 2005 geboren, da war ich Landtagsabgeordnete. Sie war eine Frühgeburt, und ja – es war eine große Herausforderung für mich. Ich habe doppelt und dreifach gearbeitet, um mir nichts vorwerfen zu lassen“, erinnert sich Ladurner.  Müssen Politikerinnen abstinent sein? Ihr Leben der Politik aufopfern? Kinderlos bleiben wie Eva Klotz oder Martha Stocker, um eine Daseins-Berechtigung zu haben? „Ich finde es wieder einmal eine absolut diskriminierende Haltung jungen Frauen gegenüber, die Gott sei Dank Kinder haben wollen. Anstatt zu sagen, 'Toll, diese Frau schafft Familie und Politik', wird nur kritisiert“, so Ladurner.

Anstatt zu sagen, 'Toll, diese Frau schafft Familie und Politik', wird nur kritisiert." (Martina Ladurner)

Für Renate Gebhard ist dies ein südtirolspezifisches Verhalten: „Anscheinend sind die Rollenbilder bei uns noch so stark. Dieses Exotinnen-Sein, Kinder und Arbeit unter einen Hut zu kriegen, das gehört im römischen Parlament längst dazu.  Familie und Kinder sind Teil des Lebens. Das ist doch ein Spiegel der Gesellschaft.“ Auf jeden Fall, so meint auch Ladurner, könne ein Kind kein „Knock-out-Kriterium sein“ und auf keinen Fall ein Ausschließen à priori nach sich ziehen.

Philipp Achammer kann über diese ganze Diskussion nur den Kopf schütteln: „Wir wurden von den WählerInnen als politische Vertretung gewählt und dafür stehen wir auch gerade. Es geht schon gut, dass wir Personen öffentlichen Interesses sind und auch private Fragen beantworten. Aber unser Privatleben hat nichts mit der Verantwortung für die Politik zu tun.“ Achammer unterstreicht: „Ich finde es völlig unangebracht die Frage nach dem Kinderkriegen oder der Familienplanung nur den Frauen zu stellen. Frauen und Männer sind verantwortlich für eine Familie und wenn man im Land schon Erneuerung will, junge KandidatInnen will, dann gehört es auch dazu, dass junge Leute vielleicht eine Familie gründen wollen.“

Ich finde es völlig unangebracht die Frage nach dem Kinderkriegen oder der Familienplanung nur den Frauen zu stellen.  (Philipp Achammer)

Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau, heißt es. Und wer steht hinter einer starken Frau? „Vaterurlaub und entsprechende Freistellungen gibt es zwar in der Theorie“, sagt Ladurner, „aber die Praxis schaut ganz anders aus.“ Männer gehen arbeiten, Frauen auch. Männer haben Familien, Frauen auch. Ohne Frauen läuft nichts in der Familie? Welche Verantwortung gibt die Politik den Männern? In der Familie? Und welche Verantwortung den Frauen in der Politik?

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Michael Bockhorni Mi., 06.11.2013 - 22:12

wird es ja wenn mensch sich die kommentare und postings zum artikel in der taz durchliest! gab es da nicht mal einen finnische (oder norwegischen) ministerpräsident der in karenz ging?

Mi., 06.11.2013 - 22:12 Permalink
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succus . Do., 07.11.2013 - 08:08

Was bitte, ist daran südtirolspezifisch. Dieses Verhalten gibt es doch fast überall, vielleicht mit Ausnahme der skandinavischen Länder. Hören wir doch endlich mal auf, uns immer als die Besten oder Schlechtesten darzustellen.

Do., 07.11.2013 - 08:08 Permalink