Politik | Beziehung mit Wien

„Schließung war schwere Entscheidung“

Bei seinem Besuch in der Landeshauptstadt betonte Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg die historische Verbundenheit mit Südtirol: „Ihr könnt auf Wien zählen.“
Alexander Schallenberg & Arno Kompatscher
Foto: LPA/Claudia Corrent

Waren es letzte Woche noch Vermutungen gewesen, beim Besuch des österreichischen Außenministers Alexander Schallenberg (ÖVP) in Bozen handle es sich um einen „Versöhnungsbesuch“, so kann man nach der gestrigen Pressekonferenz mit Sicherheit davon ausgehen. Am Montag (6. Juli) traten Landeshauptmann Arno Kompatscher und der österreichische Außenminister vor Südtirols Presse und drückten sich dabei in den herzlichsten Tönen aus. Schallenberg bedankte sich für den „warmen Empfang unter Freunden“, Kompatscher zeigte sich dankbar für das „stets offene Ohr“ aus Wien. 

Der Landeshauptmann betonte auch die besondere Stellung, die Österreich den Anliegen der Südtiroler stets einräume. Zu Fragen rund um die Entwicklungen von Covid-19 und den damit verbundenen Maßnahmen habe er immer „Informationen aus erster Hand“ erhalten. Dementsprechend sei es auch so gekommen, wie von Außenminister Schallenberg angekündigt: Die Brennergrenze wurde Mitte Juni geöffnet. 

 

Wenig Platz für Kritik

 

Platz für Kritik blieb neben den gegenseitigen Vertrauensbekenntnissen und Dankesworten wenig. Natürlich fände man, so Kompatscher, eine Schließung des Brenners, wenn auch von kurzer Dauer, nie schön. „Wir waren aber im schnellen Dialog und Südtirol immer ein direkter Ansprechpartner, dem Wien alles offen erklärte“, so der Landeshauptmann. Auch sein Gesprächspartner Schallenberg zeigte sich wehmütig: „Wir mussten während der Krise schwere Entscheidungen treffen. Und glauben Sie mir, die Schließung war auch für uns keine leichte.“

Darauf folgten schnell wieder Freundschaftserklärungen, um den bitteren Nachgeschmack dieser Erinnerungen wegzuwischen: Ein Italienbesuch, ohne einen Abstecher in Südtirol zu machen, gehe nicht, schmeichelte Schallenberg. Am Ende habe sich bestätigt, dass man gemeinsam im europäischen Geist arbeite, freute sich Kompatscher. Südtirol sei ein Vorzeigemodell in der Bewältigung der Krise gewesen, und man stehe weiterhin Schulter an Schulter, fuhr Schallenberg fort. Mit Südtirol verbänden Österreich zahlreiche „Herzensthemen“, der Dialog sei daher immer nötig. Um auch keine Zweifel offen zu lassen, beendete der Außenminister seine Rede mit dem Lieblingssatz der Südtiroler: „Österreich wird seine Politik der Vergangenheit weiterführen. Und ich versichere Ihnen: Sie können auf Wien zählen“.

Österreich wird seine Politik der Vergangenheit weiterführen. Und ich versichere Ihnen: Sie können auf Wien zählen.

Auf die Frage, was Österreich dazu sage, dass einzelne sezessionistische Forderungen während der Krise aufgeflammt seien, antwortet der Außenminister beschwichtigend: „In einem Europa des 21. Jahrhunderts sollte das kein Thema mehr sein.“ Mit Arno Kompatscher hätte man in Wien einen verlässlichen Partner gefunden, ein gelegentliches Aufflackern sezessionistischer Positionen sollte daher nicht überbewertet werden.

 

Was, wenn eine zweite Welle kommt?

 

Bei dem Treffen, erklärte Kompatscher, sei auch die Zukunft besprochen worden und wie man vorgehen werde, sollte es zu einer zweiten Welle der Pandemie kommen. Das Anliegen sei dabei für beide Seiten, das Problem „europäisch“ zu lösen. „Wir hoffen, dass es in Zukunft nicht mehr zu einer Schließung der Schengengrenzen kommen muss“, fügte Außenminister Schallenberg hinzu. Stattdessen müsse man lokale Corona-Ausbrüche schnell erkennen und eventuell die Schließung einzelner Regionen in Erwägung ziehen, so wie es mit der Lombardei gehanhabt wurde.

Die Schließung der Brennergrenze war eine Notfallmaßnahme in einer Notzeit. Und die ist jetzt vorbei.

Auf die Regionalität fokussierte sich auch SVP-Parteiobmann Phillip Achammer bei einem gemeinsamen Statement mit dem österreichischen Außenminister, der am Nachmittag die SVP-Parteizentrale besuchte. Die „Turbulenzen“ der vergangenen Monate seien zwar „nicht zu erwarten gewesen“. Jedoch habe Österreich deutlich gemacht, dass man für eine regionale Lösung mit Südtirol bereit gewesen wäre. Und das zeige doch, dass man in Österreich einen verlässlichen Partner gefunden habe. Die Schließung der Brennergrenze, fügte Schallenberg hinzu, sei eine „Notfallmaßnahme“ in einer „Notzeit“ gewesen. „Und die ist jetzt vorbei“, so der Außenminister. Wien werde sich weiterhin für den Erhalt der Autonomie und deren Ausbau einsetzen, denn „Südtirol ist eine Herzensbeziehung“.

 

 

Auch Rom sagt: „Schwamm drüber“

 

Von „Herzensbeziehung“ war bei Schallenbergs Besuch in Rom vor wenigen Tagen zwar nicht die Rede, dennoch scheint auch die italienische Regierung Österreich die Grenzschließung nicht lange übel genommen zu haben. Vor seinem Abstecher in der Landeshauptstadt, hatte Schallenberg sich am Freitag (3. Juli) mit Italiens Außenminister Luigi Di Maio in Rom zu Gesprächen getroffen. Dort war ebenso die Rede von Dankbarkeit für das Entgegenkommen aus Österreich in dieser schweren Zeit: „Non solo per l’invio di materiale sanitari ma anche per lo spirito di collaborazione che ci ha permesso di portare a termine numerosi operazioni di rimpatrio e di risolvere diverse problematiche riscontrate alle frontiere, garantendo il libero movimento di lavoratori frontalieri e di merce”, eröffnete Di Maio seine Rede. Besonderes Augenmerk, so der Außenminister, liege dabei auf dem Brenner, ein wichtiger Knotenpunkt für den italienischen Wirtschaftsverkehr.

Die Frage ist daher nicht ob, sondern, wie wir helfen wollen.

Andere Streitthemen, wie das Konjunkturpaket zum wirtschaftlichen Wiederaufbau der EU-Kommission, wurden ebenso positiv umschrieben. Es gebe zwar unterschiedliche Positionen und Meinungen, das Ziel des wirtschaftlichen Aufschwungs sei aber dasselbe, sagte Di Maio. Sein österreichischer Kollege wiederholte wenige Tage später bei der Pressekonferenz in Bozen Worte, die auch in Rom gefallen waren: „Es geht nicht darum, dass wir nicht helfen wollen, denn Italien ist einer unserer drei wichtigsten Verhandlungspartner.“ Allerdings dürfe die Europäische Union sich nicht zu einer Transferunion verwandeln, und Wien wolle keinen Präzedenzfall schaffen. „Die Frage ist daher nicht ob, sondern, wie wir helfen wollen“. Die helfende Hand aus Wien ist somit, zumindest rhetorisch, sicher.

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Peter Gasser Di., 07.07.2020 - 09:13

Für mich bleibt in diesem Zusammenhang die Problematik, bzw. die Darstellung der Problematik schwer verständlich.
Was hat die Schliessung von Gemeine-, Regional- und National- oder Kontinentalgrenzen im Zuge der Prävention einer Pandemie mit National-Politik zu tun?
Worin liegt der Unterschied, wenn aus Gründen der Pandemie-Prävention die Grenze zwischen Bayern und Salzburg oder die Grenze zwischen Italien und der Schweiz, oder eben jene zwischen Italien und Österreich am Brenner geschlossen wird?
Es ist überall ein- und dieselbe Maßnahme aus demselben Grund.
Da wird aus einem Fall der Milliarden Menschen mit Grenzen überall auf der Erde betrifft im Falle dass es die 500.000 Südtiroler betrifft etwas Eigenes konstruiert, als träfe es uns besonders und mit Absicht und aus nationalistischen Gründen.
Das hat keine wirkliche Basis.
Unter denselben Bedingungen und in der selben Notsituation (“Notzeit”) werden dieselben Maßnahmen wieder ergriffen werden, und eben auch die Schließung der Brennergrenze. Für die Pandemie-Prävention ist die Brennergrenze eine ganz normale Grenze um eine politische Konstruktion herum wie tausende andere innerhalb- und außerhalb Europas auch.
Wer mehr daraus macht, politisiert unnötig eine Sachlage und handelt damit nicht im Sinne der gebotenen gesundheitlichen Prävention.

Di., 07.07.2020 - 09:13 Permalink
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Elisabeth Garber Di., 07.07.2020 - 11:51

Tatsache ist, dass sich mehr und mehr herausstellt, dass das zentralistische Vorgehen Roms in der akuten Sars Cov-2-Phase notwendig war und sich Österreich mit seinen baldigen Null-Infektionen und Lockerungen zu früh gefreut und gebrüstet hat.
Das Infektionsgeschehen schaut bei der "Schutzmacht" nunmehr anders aus - trotz zeitweilig rigoroser Grenzschliessungen, Massentests mit 'eindeutigen' Ergebnissen... u. samt Italien-Bashing.
Wer glaubt denn da, dass die Grenzschliessung eine schwere Entscheidung war? Man wollte höchst mögliche Schadensbegrenzung für das *eigene* Land betreiben und zwar auf Biegen und Brechen. Nicht mehr und nicht weniger.

Di., 07.07.2020 - 11:51 Permalink