Gesellschaft | Gastbeitrag

Sachlichkeit statt Panikmache

Was dieser Lockdown tatsächlich mit unserer Psyche macht, kann noch nicht beantwortet werden. Wir tun gut daran, auf seriöse Studien statt auf Panik zu setzen.
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Foto: Pixabay

Die medizinischen Herausforderungen von COVID-19 sind zumindest für den Augenblick relativ unter Kontrolle. Viele fragen sich aber zurecht, wie es mit den psychischen Folgen dieser Pandemie bestellt ist. Die Antwort auf diese scheinbar so einfache Frage ist in Wirklichkeit aber sehr schwierig. Zweifelsohne haben sich in der Zeit des Lockdowns viele Dramen abgespielt: Alte Menschen durften ihre Angehörigen nicht treffen, Kinder und Jugendliche konnten nicht mehr mit ihren Freunden spielen, wurden aus dem Schulalltag gerissen und manche von ihnen waren auch mehr denn je und ohne Schutz der Willkür von oft selbst belasteten Eltern ausgesetzt.  Andere mussten und müssen immer noch um ihren Arbeitsplatz bangen und zusehen, wie sie finanzielle Existenzgrundlage verlieren. Gleichzeitig waren viele wichtige Gesundheitsdienste und soziale Einrichtungen nur sehr eingeschränkt oder gar nicht mehr verfügbar. Das sind schon mal viele Elemente, die eine deutliche Zunahme der psychischen Probleme in allen Gesellschaftsschichten nahelegen.

Aufgrund des Lockdowns von einer “Coronavirus-geschädigten-Generation” zu reden, scheint uns jedenfalls übertrieben, unseriös und zumindest verfrüht

Dennoch gibt es da auch ausgleichende Elemente, die wir in der "Postlockdown-Zeit" nur allzu oft vergessen: der vor allem anfangs spürbare Zusammenhalt der Bevölkerung, die Solidarisierung mit besonders geforderten Berufsgruppen, die Abkehr vom Alltagsstress, sei es sozialer als auch beruflicher Art. Wir hatten endlich mal wieder Zeit für unsere Familien, Alleinstehende mussten sich nicht andauernd mit sozial erfolgreicheren Menschen vergleichen: Wir alle waren einfach daheim, wir alle waren gleich! Es gab für viele keinen Leistungsdruck mehr, für Schüler keine Schulangst. Nach dem Lockdown ist freilich alles wieder anders. Nur die Probleme bleiben! 

Wir wünschen uns eine sachliche Auseinandersetzung mit diesem heiklen Thema

Was nun dieser Lockdown tatsächlich mit unserer Psyche macht, kann nicht gleich beantwortet werden. Die psychischen Probleme haben ähnlich wie das Virus selbst eine Inkubationszeit. Nur beträgt diese nicht ein paar Tage, sondern Monate. Es laufen gerade sehr viele Studien, um die Tragweite der psychischen Auswirkungen der Covid-19-Krise genauer zu erheben. Auch die Task Force Psy-Help beobachtet die Entwicklung sorgfältig. Zu diesem Zwecke laufen auch landesweit einige Erhebungen, um ein genaueres Bild zu bekommen, das sich weniger auf subjektive Vermutungen und Meinungen stützt als vielmehr auf Daten aus unserer Realität. Nur anhand solcher Daten können konstruktive Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

Seriöse Studien gibt es erst vereinzelt

In diesem Sinne besteht nach Ansicht der Psy-Help-Task Force aktuell kein Anlass zur Panikmache, sehr wohl aber zu Wachsamkeit. Die involvierten Fachdienste befürchten eine zunehmende Verunsicherung der Bevölkerung in Bezug auf die psychischen Folgen dieser Krise. Die Psy-Help-Task Force wünscht sich schon aus diesem Grunde eine sachliche Auseinandersetzung mit diesem heiklen Thema. Dabei spielen auch die Medien eine entscheidende Rolle. Wenn wir seriös sind, dann müssen wir zum aktuellen Zeitpunkt eingestehen, dass noch nicht einmal die kurzfristigen Folgen abschließend beurteilt werden können, geschweige denn die langfristigen. Dazu können uns nur seriöse Studien Auskunft geben, die es erst vereinzelt gibt. Aus diesen wenigen Studien geht hervor, dass es wohl eine Zunahme der Probleme geben dürfte, aber aufgrund des Lockdowns von einer “Coronavirus-geschädigten-Generation” zu reden, scheint uns jedenfalls übertrieben, unseriös und zumindest verfrüht. Wir tun gut daran, die Daten zu erheben, zu analysieren und dann sorgfältig und konstruktiv gegenzusteuern. 

 

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G. P. Mi., 08.07.2020 - 21:13

Was der Lockdown mit unserer Psyche gemacht hat? Ganz einfach: Nach einer Woche Anpassungsschwierigkeiten an die neue Situation habe ich die Zeit zuhause, mit meiner Familie, ohne Arbeitsstress, ohne Freizeitstress, regelrecht genossen. Das Leben war plötzlich für einmal entschleunigt. Diese zwei Monate waren für mich wie eine Auszeit. Für einmal wurde mir bewusst, was es im Leben braucht: Nahrung, Gesundheit, ein wenig Geld ... und Freiheit. Diese hat natürlich schon ziemlich gefehlt in der Zeit.

Mi., 08.07.2020 - 21:13 Permalink
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Harald Knoflach Do., 09.07.2020 - 13:00

Antwort auf von G. P.

Im vollen Bewusstsein, dass die Zeit des Lockdowns und auch danach für viele aufgrund der Familien- und Wohnungssituation wie auch aus arbeitstechnischen und finanziellen Gründen eine riesige Herausforderung war, die bisweilen existenzbedrohendes Ausmaß angenommen hat, muss ich - was mich persönlich betrifft - G. P. zustimmen.
Auch ich habe die Zeit regelrecht genossen. Die Entschleunigung war wohltuend für Körper und Psyche. Und vor allem auch für die Kinder war es eine sehr feine Zeit. Selten noch war das Familienleben so harmonisch wie im März/April 2020. Wie gesagt, das ist eine rein subjektive Erfahrung. Ich weiß, dass es auch anders sein hätte können.

Do., 09.07.2020 - 13:00 Permalink
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gorgias Do., 09.07.2020 - 00:03

Kann man nicht warten bis es deutsche und österreichische Studien gibt und diese dann auf Südtirol übertragen. Braucht es da eine eigene Taskforce?

Do., 09.07.2020 - 00:03 Permalink