Umwelt | Bienenschutz

„Ein unhaltbarer Zustand“

Die deutsche Imkerin Heike Holzum gründet mit Ihrem Mann ein Start-up, um das Bienensterben zu stoppen: „Wenn man sich dagegenstellt, sind Schritte möglich.“
Health4Bees Bärmann und Holzum
Foto: Heike Holzum

salto.bz: Frau Holzum, Sie und ihr Mann waren früher reine Bienenzüchter. Wie kam es dazu, dass Sie das Unternehmen „Health4Bees“ gründeten und sich jetzt auch für den Schutz der Bienen einsetzen?

Heike Holzum: Mein Mann Markus Bärmann und ich waren in den Jahren 2015/2016 dabei, unsere Imkereien als Nebenerwerbs-, bzw. Vollerwerbsimkerei aufzubauen. Wenn eine Imkerei vergrößert werden soll, benötigt der Imker unter anderem eine Menge sogenannter Mittelwände. Das sind vorgeprägte Bienenwachsplatten, die den Bienen als Bauhilfe zur Errichtung des Brutnestes und der Honigwaben dienen. Zu dieser Zeit kam, ohne dass die Imkerschaft zunächst davon wußte, gepanschtes Bienenwachs auf den Markt, welches mit Stearinsäure gestreckt wurde und zu Schäden der Bienenbrut führt. Mein Mann und ich verloren durch dieses gepanschte Wachs insgesamt über 150 Bienenvölker. Unser Start-up Health4Beeshat eine Bauhilfe aus lebensmittelechtem Bio-Kunststoff entwickelt, auf dem die Bienen ausschließlich durch Zugabe ihres selbstproduzierten, unbelasteten Bienenwachses ihr Brutnest, bzw. Honigwaben errichten können. Mein Mann und ich gehen außerdem schon seit Jahren zu Demonstrationen gegen den Konzern Bayer Agrar, der für Bienen gefährliche Pflanzenschutzmittel herstellt. Man muss Flagge zeigen. Und das EU-Verbot von Neonikotinoiden beweist: wenn man sich offen dagegen stellt, dann sind Schritte möglich!

 

Sie setzen sich vor allem für eine natürliche Haltung von Bienen ein, ohne chemische Mittel. Wie lösen Sie das Problem von Bienen-Schädlingen, wie z.B. der Varroamilbe?

In Deutschland sind verschiedene Methoden zur Behandlung zugelassen, die jedoch auch Schäden an den Bienen selbst verursachen können. Eine für die Bienen schonende Behandlung ist die Verdampfung von Oxalsäure. Diese Methode ist in Deutschland nicht zugelassen, da man hier Gefahren für den Anwender, also den Imker sieht, der in Kontakt mit der Oxalsäure kommt. Health4Bees hat eine Methode entwickelt, die den Schutz des Anwenders sicherstellt. Wir streben für diese Anwendungsform die Zulassung in Deutschland an. 

Durch dieses gepanschte Wachs verloren wir insgesamt über 150 Bienenvölker

Können Imker überhaupt ihre Bienen schützen, wenn andere Landwirtschaftszweige weiterhin Pestizide einsetzen

Solange der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel nicht deutlich reduziert wird, haben Imker kaum eine Chance, ihre Bienen gegen PSM zu schützen. Imker, insbesondere Berufsimker haben in Deutschland keine große Lobby. Zwar gibt es den Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund (DBIB), dieser wird jedoch regelmäßig bei Themen wie PSM außen vor gelassen. Man könnte Absicht dahinter vermuten, denn der DBIB würde unbequeme Fragen stellen. Die Lobby der Bauernverbände und der Pharmaindustrie dagegen hat eine ungleich größere Macht in Deutschland. 

Wie viel bringt also ein biologisches Wachs, und natürliche Schädlingsbekämpfung, wenn die Bienen dann durch den Pestizideinsatz der Apfelplantage nebenan dennoch sterben? 

Unsere Bauhilfe aus Bio-Kunststoff hat den Vorteil, dass das darauf errichtete Wabenwerk der Bienen nicht schon von vornherein mit Paraffin, Stearinsäure oder Rückständen von Pflanzenschutzmitteln (PSM) belastet ist. Dadurch wird den Bienen die Möglichkeit gegeben, gesunde und starke Völker aufzubauen.

Ist es zuallererst die Aufgabe der PolitikBienen zu schützen?

Selbstverständlich wäre es Aufgabe der Politk, dafür zu sorgen, dass die Bienen vor PSM-Schäden geschützt werden. In erster Linie wäre es wichtig, die Zulassungsverfahren der PSM dem Bienenschutz entsprechend zu überarbeiten. In Deutschland gilt zum Beispiel ein PSM als "Bienenungefährlich", wenn es in einem gewissen Zeitraum weniger als 50 Prozent der Bienen tötet. Andersherum heißt das: ein Mittel, welches bis zu 49 Prozent der Bienen eines Volkes umbringt oder nachhaltig schädigt, gilt als ungefährlich. Dies allein ist schon ein unhaltbarer Zustand. Dazu kommt, dass die Zulassungsbehörden keine eigenen Versuche durchführen, bevor sie ein PSM zulassen, sondern sich auf die Untersuchungen des Herstellers verlassen. Dass diese häufig zweifelhaft sind, zeigt sich an  nachträglichen Zurücknahmen der Zulassung einiger PSM, zuletzt bei einigen Neonicotinoiden. Wichtig wäre auch, die Einhaltung der Anwendungsvorschriften zu überprüfen, bzw. Verstöße dagegen mit empfindlichen Strafen zu ahnden.

Ein Mittel, welches bis zu 49 Prozent der Bienen eines Volkes umbringt oder nachhaltig schädigt, gilt als ungefährlich.

Welche Verantwortung sehen Sie in der Landwirtschaft? Bauern profitieren schlussendlich auch von gesunden Bienen.

Die Landwirte befinden sich in einer Zwickmühle. Zum einen unterliegen auch sie dem ständigen "Wachse oder weiche" des Marktes, welches viele von ihnen in eine hohe Verschuldung getrieben hat. Daraus folgt der Druck, erfolgreich zu produzieren. Zum anderen verlassen sie sich auf die Aussagen ihrer Pflanzenschutzberater. Sagt dieser, das PSM "XY" ist Bienenungefährlich, verwendet der Landwirt "XY" auch. Weiterhin werden viele Arbeiten eines landwirtschaftliches Betriebes heute nicht mehr komplett vom Landwirt selbst ausgeführt, sondern sogenannten Lohnunternehmern übertragen. Dabei kommt es immer wieder zu Situationen, in denen auch Bienengefährliche PSM ohne Einhaltung der Anwendungsvorschriften ausgebracht werden. 

 

Sie kritisieren außerdem die Intransparenz bei der Datenerhebung zur Bienengesundheit. Wie kann den Imkern einen besseren Zugang zu diesen Daten ermöglicht werden?

Es gibt in Deutschland das sogenannte Bienenmonitoring. Hierbei wird u.a. Pollen auf Rückstände von PSM analysiert. Teilnehmer des Bienenmonitorings sind ausgewählte Imker, die diese Pollenproben zur Verfügung stellen. Ein Ergebnis der Analysen erhalten sie jedoch nicht. Wir sind der Meinung, dass diese Praxis nicht zu einem besseren Bienenschutz führen kann, da den Imkern wichtige Informationen vorenthalten werden. Ziel von Health4Bees ist es, sowohl Imkern, als auch anderen interessierten Personenkreisen die Information zur Verfügung zu stellen, welche Schadstoffe die Bienen in das Volk eintragen. Über Pollen- und Wachsanalysen kann damit die Belastung der Umwelt in der Umgebung des jeweiligen Bienenvolkes belegt werden. Voraussetzung für eine aussagekräftige Analyse ist eine Bauhilfe, die nicht schon selbst Vorbelastungen in das Bienenvolk bringt. Hier schließt sich der Kreis zu unseren Bio-Kunststoff Bauhilfen.Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in Wachsproben immer noch Rückstände von PSM und auch Behandlungsmitteln gegen die Varroamilbe gefunden werden, die teilweise bereits seit vielen Jahren verboten sind. 

Kann durch diese Methode auch besser der Zusammenhang zwischen Pestiziden und dem Bienensterben nachgewiesen werden? In Laboren ist dieser nicht immer eindeutig und Bauernleugnen oft den Zusammenhang.

Ja, etliche Landwirte leugnen den Zusammenhang zwischen PSM und Bienensterben. Aber es wäre falsch, den Landwirten allein die Schuld zu geben. PSM, die übrigens auch von sehr vielen Gartenbesitzern ohne entsprechende Sachkenntnis eingesetzt werden, sind sicherlich eines der größten Probleme der Bienen. Andere Faktoren, wie z.B. allzu aufgeräumte Gärten oder Steinwüsten sollten nicht außer Acht gelassen werden. Hier wird den Bienen die Nahrungsgrundlage entzogen. 

Ziel von Health4Bees ist es, sowohl Imkern, als auch anderen interessierten Personenkreisen die Information zur Verfügung zu stellen, welche Schadstoffe die Bienen in das Volk eintragen. 

Ein häufiges Argument: Ein gewisser Pestizideinsatz ist unabdingbar, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Statt Pestizide einzustellen, sollte man zum Beispiel nachts spritzen, wenn die Apfelblüten geschlossen sind, und sich somit die Kontaminationsfläche verringert. Wären diese Maßnahmen genug? 

Der Einsatz von PSM in den Nachtstunden könnte bei einigen PSM zur Entspannung der Situation beitragen. Allerdings werden auch viele PSM gerade wegen ihrer langen Wirkdauer beworben. Da nützt es dann überhaupt nichts, wenn sie zwar nachts ausgebracht werden, aber tagelang ihre Wirksamkeit behalten! Der Bio-Anbau in der Landwirtschaft nimmt zwar stetig, aber dennoch eher langsam zu. Auch im Bio-Anbau wird nicht komplett auf PSM verzichtet, es werden andere, weniger schädliche Mittel eingesetzt. Übrigens: Das immer wieder vorgebrachte Argument, mit Bio-Anbau allein könne die Menschheit nicht ernährt werden, halten wir im Hinblick auf die große Menge von Obst und Gemüse, welche täglich weggeworfen wird, für ein Märchen der Pharmaindustrie. Hier sollten sich sowohl Handel als auch Verbraucher fragen, ob es wirklich nötig ist, Nahrungsmittel allein deshalb wegzuwerfen, weil sie bestimmte Normen/Anforderungen an Form und Größe nicht entsprechen. Kämen auch die krumme Gurke oder der kleinere Apfel auf den Markt, würde das den PSM-Einsatz deutlich verringern! Wir alle sollten nicht vergessen, dass PSM nicht nur Bienen schaden können, sie landen auch auf unseren Tellern! 

 

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rotaderga Do., 16.07.2020 - 08:04

Der Artikel beinhaltet viel Wahrheit, aber auch viel Ankündigung die Werbung gleichkommt: Bauhilfe, Oxalsäureverdampfung usw.
Warum wird das nicht klar erklärt und beschrieben?

Weiters vermisse ich eine eingehendere Beschreibung der Wesensart des Bienenvolkes und der Kommunikations- Formen unter den Völkern.
Die Biene - der Bien ist eine Sozialgemeinschaft in Manchem höher entwickelt als die Gemeinschaft Mensch.

Zum einen wird hier wiederum die statische Deutsche Imkerei als Beispiel angeführt - die immer noch Rasse und DIN Standard an vorderster Stelle setzt.

Es wäre an der Zeit mehr von den der italienischen Imkerei und deren Herangehensweise und Erfahrungen zu berichten, zb die Kunstwaben und die Oxalsäureverdampfung werden in Italien schon längst angewandt, ohne Patente.
Technische Ausrüstungen der Imkerei wurden und werden größtenteils in Italien entwickelt und erzeugt.

Würde mir auch tiefgründige Artikel zur Imkerei in Südtirol wünschen.

PSM oder Umwelt- Chemie unterliegen in Südtirol der italienischen Gesetzgebung, zumindest sollten die Unterschiede zu Deutschland aufgezeigt werden.

Do., 16.07.2020 - 08:04 Permalink
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Ludwig Thoma Fr., 17.07.2020 - 20:14

Antwort auf von rotaderga

In Italien ist das Verdampfen von Oxalsäurepräparaten zugelassen. Nicht (mehr) zugelassen ist die in Deutschland gängige Verdunstung von Ameisensäure, die meines Wissens in der Schweiz sogar im Biobereich angewendet wird.
Der Südtiroler Imkerbund propagiert ein sehr innovatives Konzept, welches ohne organische Säuren, chemische Präparate oder "Kunstwaben" auskommt.
Nachzulesen hier: https://www.suedtirolerimker.it/de/dienste/downloads/handbuecher/flyer-…
Die "technische Ausrüstung" der Südtiroler Imker wird großteils aus D und A importiert. Die gängigsten Wabenmaße in Südtirol sind wohl Zander und Deutsch-normal. Bienenrasse ist hauptsächlich A. mellifera carnica, also die an der Alpensüdseite beheimatete "Kärnterbiene". Die dunkle "Tirolerbiene" hatten hierzulande zuletzt unsere Großväter. Auch in Südtirol gibt es einige "Buckfastimker", die mit einer nicht unumstrittenen gekreuzten Hochleistungsbiene imkern, nicht bekannt wäre mir, dass jemand mit der italienischen ligustica imkert.
Zur Beschreibung der Wesensart der Bienen, empfehle ich Ihnen die unterhaltsame Lektüre von "Das Leben der Bienen" von Maurice Maeterlinck, oder "Honeybee Democracy" von Tom Seeley.

Fr., 17.07.2020 - 20:14 Permalink