Politik | Meran

“Wir haben dafür gestimmt”

Die Meraner SVP wehrt sich gegen den Vorwurf, sie habe die Umbenennung der Cadornastraße boykottiert. Das Vorhaben sei aufgrund ethnischer Sensibilitäten gescheitert.
Karl Freund
Foto: Facebook/Karl Freund

Wer waren die drei Gemeinderäte, die verhindert haben, dass die Meraner Cadornastraße in “Elena Stern de Salvo-Straße” umbenannt wird? Für David Augscheller von der Ökosozialen Linken ist die Frage schnell beantwortet: “Gefehlt haben die fünf Stimmen der anwesenden SVP-Vertreter – hätten sie geschlossen dafür gestimmt, wären die 20 notwendigen Stimmen beisammen gewesen.” Am Ende kamen bei der geheimen Abstimmung am Mittwoch Abend nur 17 Stimmen zusammen. Zu wenig, um den Namen von General Cadorna, der für viele als Kriegsverbrecher im Ersten Weltkrieg gilt, zu tilgen und durch jenen des sechsjährigen jüdischen Meraner Mädchens, das in Auschwitz ermordet wurde, zu ersetzen. Augscheller – aber nicht nur er – vermutet ein Wahlkampfmanöver vonseiten der SVP, um Bürgermeister Paul Rösch “eins auszuwischen”.

Doch die SVP will sich den Schwarzen Peter nicht zuschieben lassen. In einer Stellungnahme, die er salto.bz am Donnerstag zukommen lässt, schreibt Fraktionssprecher Karl Freund:

“Die SVP Meran hat sich bereits bei der Abstimmung im Jahr 2018 eindeutig dafür ausgesprochen, die Straße nicht mehr nach General Cadorna benennen zu wollen. Deshalb hat auch gestern die SVP dafür gestimmt, die Straße nach Elena Stern de Salvo zu benennen. Bei der gestrigen Abstimmung wurde geheim abgestimmt, daher bin ich sehr enttäuscht von David Augscheller, den ich in den letzten 10 Jahren sehr geschätzt habe, dass er der SVP solche Vorwürfe macht. Fakt ist, dass dieses Thema kurz vor den Wahlen wohl zu wenig mit den italienischen Parteien abgesprochen worden ist und leider zum Wahlkampfthema degradiert worden ist, denn es gab von italienischer Seite nur kritische Worte bzw. gar keine Wortmeldung. Dies sollte Kollege Augscheller auch bedenken, bevor er solche Anschuldigen macht, aber er ist eben auch im Wahlkampf.”

 

Vom falschen Zeitpunkt

 

Auf Nachfrage von salto.bz bekräftigt Freund: “David Augscheller kennt mich, ich und meine Partei sind immer hinter der Umbennenung gestanden. Bei so einer Frage hätte man allerdings einen Konsens mit den zwei großen italienischen Parteien finden müssen – was offensichtlich nicht passiert ist.” Freund spricht von der Lista Civica und Alleanza per Merano. Dass diese allerdings nicht für die Namensänderung stimmen würden, hatte sich bereits vor der Abstimmung abgezeichnet. Doch die Stimmen von Civica und Alleanza wären auch gar nicht notwendig gewesen, wenn sich “alle an die Abmachungen gehalten hätten”, wie es von der Liste Rösch/Grüne heißt. Deren 7 Stimmen sowie jene von PD (2), M5S (1), STF (1), Team K (2), einem Freiheitlicher, Augscheller und 5 SVP-Stimmen hätten gereicht. Das weiß auch Karl Freund. Er versichert, dass fünf der 17 Ja-Stimmen von der SVP stammen. Auf die Frage, wer dann die Heckenschützen gewesen seien, meint der SVP-Fraktionssprecher, er habe “eine andere Vermutung”, will sie aber nicht äußern.

Vehement wehrt sich Freund dagegen, dass seine Partei, die mit Rösch seit 2015 in Meran regiert, dem Bürgermeister absichtlich eine Niederlage habe bescheren wollen. “Nein, absolut nicht. Der SVP war Cadorna stets ein Dorn im Auge” – schließlich betreffe die Angelegenheit die SVP als Vertreterin der deutschen und ladinischen Minderheit auch mehr als die interethnische Liste Rösch/Grüne, so Freund.

Er bedauere es “auf jeden Fall”, dass die Umbenennung gescheitert ist – und wiederholt: “In meinen Augen war es der falsche Zeitpunkt, darüber abstimmen zu lassen. Man muss davon ausgehen, dass man mit einem ethnischen Thema so kurz vor den Wahlen und mitten im Wahlkampf baden geht.” Zugleich ist Freund überzeugt: “Der nächste Bürgermeister, wer auch immer es wird – Rösch, Stampfl oder ein italienischer Kandidat – wird die Umbenennung vornehmen.”

 

Beigeschmack und bloßgestellt

 

Tatsächlich hat Richard Stampfl – er tritt als unabhängiger Kandidat am 20./21. September für die SVP als Bürgermeisterkandidat an – am Donnerstag Vormittag auf Facebook angekündigt: “In der nächsten Legislaturperiode, und dafür verpflichte ich mich, wird die Straße den Namen von Elena Stern de Salvo tragen.” Zugleich schreibt Stampfl: “Diese Situation hat für unsere Stadt einen faden Beigeschmack.” In den Kommentaren unter dem Facebook-Post tun gar einige ihren Unmut kund. “Ja, es hat tatsächlich einen ‘faden Beigeschmack’, wenn man als BM-Kandidat etwas, das durch die Stimmen der eigenen (unterstützenden) Fraktion bereits erledigt werden hätte können, als Wahlversprechen für die nächste Legislatur instrumentalisiert”, schreibt ein User.

Die These der SVP, dass die Umbenennung an einer ethnischen Frage bzw. den Italienern gescheitert sei, lässt zumindest eine nicht so stehen. Gemeinderatspräsidentin Francesca Schir (gemischte Fraktion) schickt voraus, dass es sich um eine geheime Abstimmung gehandelt hat, die vom Reglement so vorgesehen ist, und will sich deshalb nicht an Spekulationen beteiligen. Eines aber steht für sie fest: “Anstatt die Chance zu ergreifen, ein schönes Zeichen der Gerechtigkeit zu setzen, wurde die Situation von jenen ausgenutzt, die den Bürgermeister haben bloßstellen wollen.”

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Christian Mair Sa., 25.07.2020 - 14:30

Vom Wein trinken und Wasser verkaufen

Vielleicht muss man den Herren der SVP aber auch dankbar sein. Zeigt dieses Beispiel doch, dass auf Landes- und Gemeindeebene Interessenspolitik vor Ssche und Inhalt gestellt wird. Das ist nicht nur schlecht für die Institution des Landtags oder Gemeinderats, sondern schwächt das Vertrauen in die Demokratie. Ich bin der Meinung, dass nur durch tiefgreifende Reformierung von Parteien- und Wahlkampfsystem eine Linderung der Zustände zu erreichen ist. Daher:
- verpflichtende offene Parteivorwahlen ( denn dzt. kann jede Stimme für die SVP kann im Zweifel ein Torpedo für die Sache sein)
- jede Partei bringt einen Geyetzes- oder Durchführungsvorschlag zur direkten Abstimmung bei Gemeinde- und Landtsgswahlen
- Abschaffung det demokrstisch nicht legitimierten Bezirke

Rösch müsste eigentlich genau sowas fordern, oder?

Sa., 25.07.2020 - 14:30 Permalink
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△rtim post Sa., 25.07.2020 - 17:59

Das demokratische Grundverständnis mit Mut zum Denkmalsturz muss hierzulande wohl noch entwickelt werden (https://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=59066&fbclid=IwAR0zALlYYdFOriv…)
Die Demokratie ist hier offensichtlich noch immer hinter einer sogenannten kulturpessimistischen Italianità mit der Verteidigung von Kriegsverbrechen, der Gewalt- und Terrorherrschaft, den faschistischen Machtemblemen ... und Duceverherrlichungen nachgereiht.
Im hellen Italien wurden bereits 1943 begonnen die Relikte dieser dunklen Zeit zu demontieren.
https://video.repubblica.it/edizione/bologna/memoryscapes-il-filmato-in…

Sa., 25.07.2020 - 17:59 Permalink