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Maskenball(e)

Nach einem neuen „weitgehend positiven“ Gutachten der deutschen DEKRA sollen die KN95-Masken eingesetzt werden. In Wirklichkeit lautet das Prüfergebnis: Nicht bestanden!
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Foto: DEKRA Ag
Manchmal kommt eine spektakuläre Meldung ganz leise daher.
Wie in den vergangenen Tagen. Nachdem die Beamten der Carabinieri-Sondereinheit NAS am Donnerstag im Büro Josef Unterholzners E-Mails und Whatsapp-Nachrichten gesichert haben, wurde bekannt, dass der Team K-Landtagsabgeordnete dem Sanitätsbetrieb  geholfen habe, ein neues Gutachten für die aus China importierten Atemschutzmasken bei der deutschen Prüfanstalt DEKRA anzufordern.
Die Vorgeschichte ist bekannt: Die renommierte deutsche Prüfanstalt aus Essen hatte die sogenannten Oberalp-Schutzmasken bereits am 27. März 2020 geprüft. Damals kamen die Prüfer aber zu keinem Testergebnis. Der Grund: Die Masken lagen so schlecht im Gesicht an, dass man den zentralen Test des Atemwiderstands beim Aus- und Einatmen nicht machen konnte. Demnach blieb das Testgutachten auch ohne Prüfergebnis.
 

Jetzt hat man aber bei der DEKRA in Essen ein zweites Gutachten angefordert. Mit einem durchaus überraschenden Ergebnis.
China-Masken sollen nun doch zum Einsatz kommen“, vermeldete RAI Südtirol am Freitag. Und weiter: „Ein Gutachten der deutschen Prüfstelle DEKRA bringt ein weitgehend positives Testergebnis - Nun wird geprüft, wo ein Einsatz möglich sei.“
 

„Experten evaluieren“

 
Diese Meldung ist ein journalistischer Scoop und eine frohe Botschaft zugleich.
Denn es geht um insgesamt 2 Millionen KN95-Atemschutzmasken, die seit Monaten nach den negativen Gutachten des Wiener Amtes für Rüstung und Wehrtechnik (ARWT) und des römischen Arbeitsversicherungsinstitutes INAIL in Lagern des Sanitätsbetriebes in Südtirol und in Lagerhäuser in China verstauben. Laut dieser Meldung können sie jetzt endlich eingesetzt werden.
Der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes Florian Zerzer, sagte am Samstag in einem Interview mit RAI Südtirol zum neuen DEKRA-Gutachten: „Es ist grundsätzlich in vielen Parametern absolut positiv ausgefallen. Aber jetzt muss das Ganze noch vertieft werden. Und dann kann man erst definitiv eine Nutzung und unter welchen Voraussetzungen diese Mittel eingesetzt werden, festlegen.
 
 
Auf Nachfrage der RAI-Journalistin wird Zerzer deutlicher:
Es liegt ein Prüfergebnis vor. Man darf sich das aber nicht so einfach vorstellen, dass da steht: Ok die Maske ist gut oder die Maske ist schlecht. Es gibt da eine ganze Reihe von Parametern, die eine Maske einhalten muss. Es ist eine komplizierte und vielschichtige Angelegenheit, deshalb wird das Ergebnis, das uns DEKRA jetzt geliefert hat, gemeinsam mit Experten evaluiert.
Allein die Tatsache, dass man das Gutachten eines renommierten Prüfinstitutes, dessen Erstellung nach Informationen von Salto.bz um die 10.000 Euro kostet, noch einmal „vertiefen“ muss, mutet zumindest merkwürdig an.
Noch skurriler werden die Aussagen von Florian Zerzer aber, wenn man sich das neue DEKRA-Gutachten genauer anschaut.
Das Gutachten liegt Salto.bz exklusiv vor.
 

Das Gutachten

 
Der Prüfbericht No. 3419011.10-CPA Rev 1 wurde – wie bereits das Gutachten im März - von der DEKRA Testing and Certification GmbH in Essen am 30. Juni 2020 erstellt. Wie üblich steht dabei das Prüfergebnis bereits auf dem Deckblatt des Gutachtens.
Dort heißt es unmissverständlich: „Prüfergebnis: Die Pandemie-Atemschutzmaske entspricht nicht den Corona SARS-CoV-2 Prüfanforderungen“. Das Wort „nicht“ ist dabei fettgedruckt.
Eigentlich eine klare Aussage.
Verständlich auch für jene, die mit der deutschen Sprache Probleme haben. „The pandemic respiratory protective mask does not meet the Corona SARS-CoV-2 test requirements“, steht gleich darunter auf Englisch.
 
 
Im Klartext: Laut DEKRA-Gutachten haben die Oberalp-Masken die Prüfung nicht bestanden.
Dass Florian Zerzer den Test jetzt trotzdem als weitgehend positiv verkauft, liegt an einigen Details. In dem 14-Seiten-Gutachten der DEKRA stehen auch einige Tests, die die Masken durchaus bestanden haben.
Etwa die Sichtprüfung, bei der die Verpackung kontrolliert wird. Ebenso die Anlegeprüfung. Die DEKRA hat drei Masken getestet und ist zum Schluss gekommen, dass „die Kopfbänderung kräftig genug ist, um die Maske in Position zu halten“. Ebenso hat ein Trageversuch keinerlei „offensichtliche Undichtigkeiten“ an den Wangen und am Kinn ergeben. Auch der Test des Filtermediums ging positiv aus.
Das Problem liegt aber bei einem der wichtigsten Prüfbereiche: Dem Atemwiderstand.
Liegt der Atemwiderstand beim Einatmen in der Norm, ist er beim Ausatmen deutlich zu hoch. Das ist letztlich auch der zentrale Punkt warum das Gutachten am Ende negativ ausgefallen ist.
Hier geht es direkt um die Materialbeschaffenheit der Atemschutzmaske.
 

Der Trick

 
Dabei hat man sich im Sanitätsbetrieb durchaus Mühe gegeben.
Denn eine Frage dürfte sich trotz des neuen negativen DEKRA-Gutachtens selbst ein Laie stellen.
Wie kann dasselbe Prüfinstitut, das im März erhoben hat, dass die KN95 Masken so schlecht anliegen, dass man sie nicht prüfen kann, drei Monate später jetzt zum entgegengesetzten Ergebnis kommen?
 
 
 
Auch hier gibt es eine klare und einfache Antwort.
Denn die Verantwortlichen im Südtiroler Sanitätsbetrieb haben auch hier getrickst.
Nur Insider wissen, dass die aus China importierten KN95-Atemschutzmasken nicht alle vom selben Hersteller stammen. Es gibt in der Lieferung mindestens drei verschiedene Hersteller von durchaus unterschiedlicher Qualität.
Man hat diesmal deshalb aus der Oberalp-Lieferung Masken einer anderen Firma und Charge zur DEKRA nach Essen geschickt.
 
 
Das geht eindeutig hervor, wenn man die beiden DEKRA-Gutachten vergleicht. Denn ein Abschnitt der Gutachten ist der photografischen Dokumentation der getesteten Masken gewidmet.
Es sollte ein bauernschlauer Schachzug sein, der am Ende aber nicht (ganz) aufgegangen ist.
Deshalb braucht es jetzt die Südtiroler Expertengruppe, die das DEKRA-Gutachten „evaluieren“ soll. Und aus einem X ein U macht.
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Martin Daniel Mo., 03.08.2020 - 07:27

Die Frage ist, ob nicht Medien, die die Meldung vom positiven Gutachten bringen, fake-news verbreiten. Natürlich kann sie unter Anführungszeichen auch als persönliche Meinung vermittelt werden, dann aber stets mit dem Zusatz: meint X, sagt Z.

Mo., 03.08.2020 - 07:27 Permalink
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rotaderga Mo., 03.08.2020 - 08:58

Das Glas ist halb leer oder halb voll. Eben nur eine halbe Sache.
Halbieren wir mal, bis zur eventuellen endgültigen Entlassung, die Löhne der Beteiligten und legen die Gelder für die Zukunft zurück.

Mo., 03.08.2020 - 08:58 Permalink
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Klaus Delueg Di., 04.08.2020 - 07:38

Prinzipiell sind 2 Sachen festzuhalten:

1. Es ist eine reine Vermutung, dass die 3 zur Prüfung geschickten Masken hand-selektiert sind und nicht den auf Lager oder gar in China befindlichen Masken entsprechen. Prinzipiell wäre es vielmehr sogar unglaubwürdig, dieselben Masken nochmals zur Prüfung zu schicken und dann ein anderes Ergebnis zu erhalten.
2. Ein erhöhter Ausatemwiderstand ist prinzipiell kein sicherheitsrelevantes Ergebnis, was der Schutzwirkung der Maske einen Abbruch tut. Eventuell entsprechen die Masken ja sogar einer höheren Schutz-Klasse, wo ein höherer Widerstand zulässig wäre.

Ohne dass komplette Ergebnis oder die Norm zu kennen, für welche getestet wurde, macht der Artikel genau dasselbe, was er anderen vorwirft: Teilaspekte hervorheben und andere unter den Tisch kehren.

Di., 04.08.2020 - 07:38 Permalink