Politik | Unwort des Jahres

Die Unverhältnismäßigkeit

Es wird langsam unerträglich. Der Werteverlust in unserem Lande ist unaufhaltsam. Wer nach Wahrheit, Recht und Moral ruft, wird als Anstandswärter deklassiert.
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Wir erleben es jeden Tag. Die Politik macht katastrophale Fehler. Entpuppt sich als gemeiner Selbstbedienungsladen. Jede Aktion ist mit einem Skandal verbunden. Und wohlgemerkt, nur jene Skandälchen, die auffliegen.  Die anderen bleiben uns für immer verheimlicht. Wenn wir mit dem Rentenskandal starten und dort beobachten, wie die Politik, die Landesregierung reagiert hat, dann reicht es eigentlich schon an Beweisen, um sich von der Politik für immer abzuwenden und sich anderen, schöneren Dingen zu widmen.  

Doch ich erinnere mich noch gut an die Worte von Dr. Jenny in den Siebzigerjahren: "Die Politik ist zu wichtig, um sie den Politikern zu überlassen".   Ja genau, das ist nachweislich richtig. Die Politik bestimmt unser Leben. Da können wir noch so großen Abstand nehmen zu Parteiideologien und politischen Organisationen.  Die Politik setzt Maßstäbe, Verordnungen und Gesetze, die unser tägliches Leben bestimmen. Sie finanziert sich mit unserem Steuergeld. Sie bestimmt auch über den Landeshaushalt, der uns einschneidend beeinflusst, gerecht oder ungerecht. Wir sind Kassierende und Nutznießer oder ganz einfach Nettozahler und basta.

Es ist bei Gott nicht leicht, immer die richtigen Maßstäbe zu finden, man hat auch nicht immer die ideale Besetzung in der Politik. " Es tuat ibroll menschelen".  Aber, und nun kommt das Wichtigste in meinen Augen, wer den Weg der Moral und der Ehrlichkeit verlässt, wenn er Macht ausübt und verwaltet, der ist am falschen Platz in der Politik. Wen wundert's, dass der Bürger  langsam hellhörig wird. Die Medien informieren besser als früher, die Mittel der Kommunikation sind idealer geworden. Es bleibt kaum mehr ein Fehler unbeobachtet. Und das ist gut so. Ich habe Jahrzehnte lang im Umweltschutz gekämpft und alle Varianten des Widerstandes mitgemacht. Nicht ohne Erfolg. Es hat sich vieles zum Besseren gewendet durch den langatmigen, unermüdlichen Einsatz von "Spinnern", Grünen und  sonstigem Unkraut.

Nun passiert aber etwas, was mir nicht in den Kopf gehen will.  Es hat den Anschein, als würde das Opfer plötzlich zum Täter. Der Protest aus dem Volk auf Skandale, die man "mit Latten greifen kann", ist unverhältnismäßig. Menschen, die Unehrlichkeit, Moralverlust anprangern, werden als Anstandswärter kategorisiert und  es wird ihnen das Recht abgesprochen, sich dagegen aufzulehnen.  Wir haben nach dem Rentenskandal eine ununterbrochene Kette an Skandalen und Ungereimtheiten im Lande, die seinesgleichen sucht. SEL und Flugplatz springen mich als erstes an. Und der Höhepunkt war sicher corona mit den Halstüchern, der Schutzkleidung aus China und dann der 600 Euro als Notstandshilfe. Ich will darauf nicht weiter eingehen, zu viel ist schon geschrieben worden, zu viel Theater gespielt, zu viel Scheinheiligkeit geübt. Eines steht aber fest: Wenn Volksvertreter sich erwischen lassen, aus dem Topf der Ärmsten herauszufressen, dann ist der Zeitpunkt gekommen, wo es keinen Pardon mehr geben darf. Es hat ihn trotzdem gegeben, den Pardon, ja sogar politisches Gelächter und Witz. Ein Locher sucht an und erwischt die falsche Taste. Was gibt es da zu lachen?  Ein Florian Kronbichler weiß nichts Besseres als festzustellen, dass der Wutbürger immer nur versteht, dass Geld verschwendet wird.  Was soll er denn sonst verstehen? Es geht ja um das liebe Geld, immer und überall. Der Landeshauptmann beklagt sich und mahnt zur Verhältnismäßigkeit. Die wäre für mich sein Rücktritt gewesen in dieser Situation. Aber scheinbar haben wir nicht dieselben Maßstäbe. Schon klar, ich bin ja nicht in der Politik, ich bin im Volk. Das Volk hat zu schlucken, sich beim A ... nehmen zu lassen, hat dann Wahlwerbung zu lesen und das Kreuzchen dort zu setzten, wo Zukunft gesichert wird, wo ehrlich verwaltet wird, wo Bürokratie abgebaut wird, wo die Umwelt geschont wird. Kurzum, wo das Paradies versprochen wird. Dann dürfen sich die Auserwählten wieder fünf Jahre im Selbstbedienungsladen vergnügen und wehe, wenn einer aus dem Volke die Stimme erhebt.  Oh ja, wir hatten das immer schon, die Partei der Unzufriedenen, die Wutbürger, die Moralapostel, die Anstandswärter.  Und dazu noch, das ist besonders schlimm, eine Kritik in völliger Unverhältnismäßigkeit.  Das Volk bittet deshalb demütigst um  Nachsicht, geschätzte Politiker, macht ruhig weiter so.

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Franz Linter So., 23.08.2020 - 11:33

Antwort auf von Sebastian Felderer

Es geht um die Fehlerkultur:
Niemand ist ohne Fehler, deshalb Fehler eingestehen (möglichst schon bevor die Leute drauf kommen), Fehler gut machen, kompensieren, Initiativen setzen, damit der Fehler nicht öfter oder anderen passieren. Manche mögen es auch "beichten, büßen, bessern" nennen.

Wenn ihr Maßstab gelten würde, hätten wir nicht fehlerlose Politiker sondern Politiker, die sich nichts mehr trauen oder gar keine Politiker mehr.

So., 23.08.2020 - 11:33 Permalink
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Sebastian Felderer So., 23.08.2020 - 12:49

Antwort auf von Franz Linter

Franz Lintner, nun machen Sie sich nicht lächerlich und werden Sie nicht päpstlicher als der Papst. Sie sprechen immer von Fehlern. Aber die 600 Euro sind für mich kein Fehler, sondern ein Verbrechen den Ärmsten der Gesellschaft gegenüber, ganz gleich, wie der Gesetzestext gelautet hat. Und wenn Sie dann behaupten, dass Politiker sich nichts mehr trauen würden, weil sie Angst vor Fehlern haben, dann sage ich nur eines: Warum führen dann soviele Unternehmer ihre Betriebe, wo banale Formfehler schon zu horrenden Strafen führen und warum übernimmt dann überhaupt noch jemand Verantwortung, auch mit einem Zehntel des Gehaltes eines Politikers? Habe es schon öfters gesagt: Das "System Südtirol" wird lächerlich, wenn nicht fatal. Weil den Unterstützern jedes Mittel Recht ist, um es weiterzuziehen und zu verteidigen.

So., 23.08.2020 - 12:49 Permalink
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Manfred Gasser So., 23.08.2020 - 13:42

Antwort auf von Sebastian Felderer

"Aber die 600 Euro sind für mich kein Fehler, sondern ein Verbrechen den Ärmsten der Gesellschaft gegenüber, ganz gleich, wie der Gesetzestext gelautet hat". Dann sollten Sie mal darüber nachdenken, wie viele Verbrechen an den Ärmsten Sie schon begangen haben. Sicher nicht direkt, aber so über kleine Umwege, wie z.B. Kauf von Kleidern, von Elektronikwaren, natürlich alles Made in China, Bangladesh, Vietnam, usw. Natürlich ist das was anderes, aber macht es das besser?

So., 23.08.2020 - 13:42 Permalink
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Peter Gasser So., 23.08.2020 - 11:58

„Diejenigen, die aus finanziell gesicherter Position um die 600 € angesucht haben, stehen verdient am Pranger“:
dem ist nichts hinzuzufügen.

So., 23.08.2020 - 11:58 Permalink