Gesellschaft | lifelong learning

Ignoranz

Wenn die Überwindung der Ignoranz Leben rettet
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Das Fremdwort „Banause“ drückt eine ganz fein austarierte Variante des Unwissens aus, die nicht einfach als Unwissenheit apostrophiert werden kann, aber auch nicht als Dummheit oder mit anderen Wörtern aus dem semantischen Umkreis des Wortes. Der Banause benimmt sich wie ein Experte, ohne jedoch über das Wissen eines Experten zu verfügen, er gibt Urteile ab, er redet über Kunst, über Wissenschaft, über Politik, über alles, worüber er eben redet, wie jemand, der etwas von der Sache versteht.

Kunstbanausen, Musikbanausen, usw. sind also nicht Menschen, die nichts von Kunst oder von Musik verstehen. Sie werden zu Banausen erst in dem Moment und genau in dem Moment, in dem sie den Mund aufmachen und sich zu einem Thema öffentlich äußern, von dem sie nichts verstehen.

Da Banausen oft in Gesellschaft von anderen Banausen das Wort ergreifen, ist der gesellschaftliche Schaden, den sie anrichten, beschränkt.

Eine ganz andere Dimension – auch im Bereich des angerichteten Schadens – eröffnet sich den Banausen, wenn sie die große Öffentlichkeit erreichen. Da das Banausentum sich vornehmlich an künstlerischen Werken äußert, ist es angebracht, in den Bereichen der täglichen Kommunikation, wo es nur um Kleinigkeiten geht, nicht den Begriff des Banausentums zu bemühen, sondern den weniger spezifischen der Ignoranz. In Analogie zum Banausen möchte ich auch den Ignoranten erst im Moment der Kommunikation als Ignoranten definieren. Solange er schweigt, ist er einfach ein Mitmensch, über dessen Anteil am Wissen zu einem bestimmten Thema nichts bekannt ist. Das individuelle Wissen und Nicht-Wissen gehört dem Bereich des Datenschutzes an. Nichtwissen ist eine persönliche Eigenschaft und verdient Respekt und Schutz wie Krankheiten und nicht offenkundige genetische Veranlagungen.

In dem Moment, in dem ein Mensch sein Nicht-Wissen öffentlich macht, tritt er in den Bereich des kommunikativen Austausches, er hat einen strategischen Zug gemacht und muss mit einem Gegenzug oder mit Gegenzügen rechnen. Er gibt sich als Unwissender zu erkennen - und wird zum „Ignoranten“.

Sprechen ist ein auf Konventionen beruhendes Verhalten. Auch die Sprechakte von Ignoranten sind regelgeleitetes Verhalten vernünftiger Menschen. Ignoranten kann man nicht zurechtweisen. Sie werden weiter so handeln wie bisher. Was wir tun können und tun müssen, ist, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass immer mehr Menschen Zugang zu Bildung und zu Wissen erhalten, und dafür zu sorgen, dass sie Lebensbedingungen vorfinden, die es ihnen nahelegen, den Zugang zum Wissen anzustreben.

Ein Text, den ich 2006 im Umfeld der Diskussion um die neue Bibliothek geschrieben habe. Nun gibt es einen dringenderen Anlass, ihn zu veröffentlichen:

https://www.bloomberg.com/news/articles/2020-08-25/this-starbucks-in-south-korea-became-a-beacon-for-mask-wearing

oder:

https://www.marketwatch.com/story/anti-maskers-might-want-to-take-a-look-at-what-just-happened-when-a-woman-with-coronavirus-visited-a-starbucks-2020-08-25?mod=mw_quote_news

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Salto User
Manfred Gasser So., 30.08.2020 - 12:21

Ein Ignorant hat das Wissen des anderen, ignoriert es aber bewusst. Ein Banause hat kein Wissen.
Und jetzt frage ich mich, was schlimmer ist für die Gesellschaft, ignorieren, oder nicht wissen?

So., 30.08.2020 - 12:21 Permalink