Umwelt | Crowdfunding

Streit um den letzten Auwald

Im Streit um den letzten Auwald in Brixen wollen einige Aktivisten nun rechtlich vorgehen. Umweltgruppe Eisacktal: „Das sind Polemiker, die in die Medien wollen.“
Auwald Brixen
Foto: SOS Auwald

Der Streit um das letzte Stück Auwald in der Industriezone von Brixen zieht sich seit fast einem Jahr. Jetzt wollen einige Umweltaktivisten rechtliche Schritte ergreifen. Wieder andere Umweltschützer sehen diesen Schritt als reine Polemik.

Zur Vorgeschichte: Ende letzten Jahres wurde bekannt, dass die Firma Progress das, was vom Auwald in der Brixner Industriezone übriggeblieben ist, roden will, um neue Gebäude darauf zu setzen. Umweltschützer protestierten dagegen- mit Initiativen wie SOS Auwald, Menschenketten, und Reden von Umweltschützern wie Magdalena Gschnitzel. Der große Einsatz der Aktivisten liegt zum einen daran, dass Auwälder besonders biodivers sind, und Lebensraum für 64 Vogelarten bieten, manche davon vom Aussterben bedroht. Zum anderen zählen die 3 Hektar Auwald in Brixen zum letzten Gebiet dieser Art im Eisacktal, und auch im restlichen Südtirol wachsen kaum mehr Auwälder. Aus diesem Grund stehen Auwälder in Südtirol unter Naturschutz, und auch EU-Richtlinien bezeichnen sie als besonders schützenswerte Lebensräume. Die Initiativen der Aktivisten blieben jedoch erfolglos: Der Brixner Gemeinderat genehmigte Anfang 2020 den Ausbau der Firma Progress auf dem Auwaldgebiet. Als Kompensation für das verlorene Waldstück, soll im Süden von Milland eine Ausgleichsfläche entstehen. Diese Maßnahme wurde gemeinsam mit der Umweltgruppe (UG) Eisacktal und weiteren Umweltvertretern von der Gemeinde Brixen ausgearbeitet. Diese Maßnahmen gingen vielen Umweltaktivisten aber nicht weit genug, denn die Erweiterung der Millander Au um 1,6 Hektar, führe immer noch zum Verlust von wertvollem Lebensraum, klagten Organisationen wie WWF, Legambiente und SOS Auwald.

Jetzt geht der Kampf um den Erhalt des letzten Auwalds in die zweite Runde. Gemeinsam mit dem Artenschutzzentrum St. Georgen haben die Mitglieder von SOS Auwald Brixen, Claire Idan-Sun und Margit Brugger, eine Crowdfunding Kampagne gestartet, um Geld zu sammeln für ein Gerichtsverfahren. Die Gruppe benötigt ungefähr 10.000 Euro, um am regionalen Verwaltungsgericht in Bozen Rekurs gegen die Entscheidung der Gemeinde Brixen einlegen zu können. Gesammelt wurden bisher 1.355 Euro. Auf deren Webseite heißt es:

Der Wald ist mit seiner lebendigen Kronenstruktur, seiner Pflanzenvielfalt und seinem reichen Boden voller Pilze, ein dringend schützenswerter Lebensraum unzähliger, zum Teil gefährdeter Arten. Wir lieben diesen Auwald und möchten gemeinsam mit dir alles tun, um ihn davor zu bewahren abgesägt und durch ein Industriegebäude ersetzt zu werden. Der Brixner Gemeindeausschuss hat das geplante Gebäude der Firma ‘Progress’, dem der Auwald weichen soll, zwar schon genehmigt, aber noch ist es nicht zu spät! Es stehen noch weitere Entscheidungen aus und gemeinsam mit dem Artenschutzzentrum St. Georgen ist nun alles vorbereitet, um Rekurs gegen die erste Genehmigung des Ausschusses einzuleiten - die Chancen stehen sehr gut! 

Martin Prader, der als Vorsitzender der UG Eisacktal die Ausgleichsmaßnahmen für die Rodung des Auwaldes miterarbeitet hat, hält diese Crowdfunding Aktion für einen destruktiven Schritt: „Das sind keine Umweltschützer, sondern Polemiker, die gerne in die Medien wollen,“ so Prader. Mehrmals hätte man den Aktivisten Gespräche angeboten, ohne Antwort. Aus diesem Grund wolle die UG Eisacktal keine Kommentare mehr abgeben, denn das führe nur zu weiteren Polemiken. Die Position der Gruppe sei in der letzten Presseaussendung bereits dargelegt worden.

Darin erklärt die UG, es sei im Laufe von 1,5 Jahren zu acht Treffen mit der Gemeinde Brixen, der Firma Progress und weiteren Biologen und Umweltgruppierungen gekommen, bei denen der Austausch zwischen dem Waldstück der Industriezone mit Ausgleichsflächen in Milland beschlossen wurde. In ihrer Pressemitteilung schreibt die Umweltgruppe, dass „durch das Projekt in Summe keine Waldflächen verloren, sondern neue, qualitativ hochwertigere Biotopflächen dazu gewonnen werden.“ Denn der Auwald in der Brixner Industriezone sei kein Ökosystem Auwald mehr, welches sich durch regelmäßige Überschwemmungen und einen hohen Grundwasserspiegel auszeichnet, sondern ein „trockengefallener Rest“. Bei den neuen Flächen südlich von Milland hingegen sei eine ökologische Aufwertung und Renaturierung, sowie Vernetzung bestehender Flächen, besser möglich. Gleichzeitig wurde beantragt, die neuen Flächen als Biotop auszuweisen, um sie somit zu schützen. Abschließend hält die UG fest, ihr sei es ein Anliegen, „mit Wirtschaftstreibenden vor Ort, der Gemeinde Brixen und anderen beteiligten Akteuren, in einen Dialog zu treten und gemeinsame Lösungen zu finden, die auf einer fachlich richtigen und sachlichen Argumentation basieren.“ Es sei eine noch nie dagewesene Zusammenarbeit von Wirtschaft und Umweltschutz gelungen, welche hoffentlich in Zukunft Schule mache, denn „Umweltschutz sollte alle Sparten gleichermaßen betreffen.“