Umwelt | Pestizid-Prozess

„Beide Seiten können ihr Gesicht wahren“

Landesrat Arnold Schuler über die Einigung mit Alexander Schiebel und Karl Bär, die Angst vor dem internationalen Medienecho und die Frage, wer die Anwälte zahlt.

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Foto: Salto.bz
Salto.bz: Herr Schuler, heute sollte es zum Prozessauftakt gegen Karl Bär vom Münchner Umweltinstitut und gegen den Buchautor Alexander Schiebel kommen. Gestern wurde bekannt, dass Sie und die 1.400 Bauern ihre Strafanzeigen zurückziehen. Im letzten Moment doch noch gescheiter geworden?
 
Arnold Schuler: Ich kann nur sagen, dass seit dem Zeitpunkt als wir die Klage eingereicht haben, inzwischen drei Jahre vergangen sind. Heute haben wir eine völlig andere Stimmung im Land als damals. Ich glaube, dass es einfach vernünftig ist diese Geschichte jetzt zu beenden. Es macht keinen Sinn, dass sich das Ganze noch zwei, drei Jahre vor Gericht hinzieht.
 
Wäre es nicht vernünftiger gewesen mit dieser Geschichte, also den Strafanzeigen, erst gar nicht anzufangen?
 
Im Nachhinein ist es immer leicht zu reden. Aber in diesen Klagen ging es nie darum, so wie man es jetzt darstellt, die Meinungsfreiheit zu beschränken. Denn Meinungsfreiheit ist einer der wichtigsten Grundbestandteile unserer Demokratie. Es ist darum gegangen, die famose rote Linie zu ziehen. Wann hört die Meinungsfreiheit auf und beginnt die Rufschädigung? Nach unserer Auffassung wurde diese rote Linie überschritten, deshalb auch diese Klage. Hier hat uns auch die Staatsanwaltschaft Recht gegeben. Unsere Klage war nicht aus der Luft gegriffen oder völlig haltlos. Die Staatsanwaltschaft wollte Anklage erheben. Dennoch glaube ich, ist es besser, dass wir uns vernünftig einigen.
Heute haben wir eine völlig andere Stimmung im Land als damals. Ich glaube, dass es einfach vernünftig ist diese Geschichte jetzt zu beenden
Erst gestern war ein ZDF-Fernsehteam des Magazins „Frontal 21“ bei Ihnen in Plaus für ein Interview. Man kann die Einigung auch so sehen, dass Sie und die Landesregierung Angst vor dem internationalen Medienecho bekommen haben?
 
Nein. Denn Alexander Schiebel hat in seinem Buch bereits angekündigt, dass man die Diskussion – nachdem hier bei uns nicht mehr recht viel weitergeht – nach Deutschland und ins Ausland verlegen und uns dort als Tourismusland treffen will. Wir haben gesehen, dass vor allem in Deutschland ein riesiges Medieninteresse besteht und wir uns schwertun, zu kommunizieren, um was es in Wirklichkeit geht. Auch deshalb habe ich auch in den Gesprächen mit der Obstwirtschaft für eine friedliche Lösung plädiert, mit der beide Seiten ihr Gesicht wahren können.
 
Die Frage ist, was hat dem Land Südtirol mehr geschadet: Schiebels Buch und Bärs Plakat oder diese Klage?
 
Schauen Sie, uns war von vornherein klar, dass es bei diesem Prozess wieder zu einer solchen Welle kommen wird. Wir haben einen solchen Medienrummel schon zu Beginn erlebt, als das Umweltinstitut in das Thema eingestiegen ist. Deshalb haben wir schon damit gerechnet, dass es auch diesmal ein massives Pressecho geben wird. Wir haben vor Gericht eine Art Teilerfolg erzielt, in dem der Staatsanwalt Anklage erhoben hat. Deshalb kann diese Klage dem Land auch nicht schaden. Wir sollten jetzt aber nach vorne schauen und wieder mit Respekt einander begegnen können.
 
 
 
Wurden Sie vom Landeshauptmann zurückgepfiffen?
 
Nein. Ich habe Arno Kompatscher am Montagvormittag über die Einigung informiert. Mehr gibt es nicht.
 
Was wurde wirklich zwischen den Streitparteien vereinbart?
 
In mehreren gemeinsamen Gesprächen wurde ausgemacht, dass wir die Klage zurückziehen und dass wir uns künftig im gegenseitigem Respekt begegnen. Das war das, was wir mündlich ausgemacht haben. Dazu stehen wir. Denn wir haben Tiroler Handschlagqualität.
 
Ist man sich in diesen Gesprächen persönlich und menschlich nähergekommen?
 
Es waren offene und gute Gespräche. Inhaltlich sind wir natürlich anderer Meinung. Aber das ist Ok. Ich bin überzeugt, dass Kritik auch befruchtend sein kann. Wir alle wissen, dass sich die Landwirtschaft weiterentwickeln muss. Daran arbeiten wir. Wir wollen in Zukunft die Pflanzenschutzmittel reduzieren und Europas Obstgarten mit der größten Artenvielfalt werden. Leider ist das alles in dieser Diskussion untergegangen. Aber ich denke, dass man jetzt gemeinsam in die Zukunft schauen wird.
Es war wichtig aufzuzeigen, dass man sich nicht alles gefallen lassen kann.
In der Gegenwart geht es aber auch ums Geld. Wer zahlt jetzt die Anwälte?
 
Jeder selbst und sicher nicht das Land.
 
Sie haben diese Klage aber als Landesrat eingebracht. Damit wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten?
 
Nein. Wie gesagt, das Land wird keinen Cent für dieses Verfahren zahlen. Ich wollte diese Klage anfänglich als Privatperson machen, als einfacher Bauer. Darauf hat man mir gesagt, dass es gewichtiger ist, wenn ich das als Landesrat mache. Aber ich habe von Anfang an gesagt: Alle Kosten zahle ich aus meiner privaten Tasche. Ich kann garantieren, dass dem Land weder Prozess- noch Anwaltskosten aus diesem Verfahren entstehen.
 
Am Ende also außer Spesen nichts gewesen?
 
So sehe ich es nicht. Es war wichtig aufzuzeigen, dass man sich nicht alles gefallen lassen kann. Man hat uns fahrlässige Tötung von Menschen durch Vergiften vorgeworfen. So etwas brauchen sich nicht nur eine Bäuerin oder ein Bauer nicht gefallen zu lassen, sondern jede Bürgerin und jeder Bürger würde hier reagieren. Jeder hat das Recht sich auch gegen solche schwerwiegenden Vorwürfe zur Wehr zu setzen.

 

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Karl Trojer Di., 15.09.2020 - 09:11

Wenn Menschen zuhören und im gegenseitigen Respekt zur Einsicht fähig werden, dann ist Dialog möglich und Lösungsfindung wahrscheinlich.
Wunderbar, dass dieser Dialog nun, mit Rücknahme der Anklage, möglich wurde. Danke für Südtirol !

Di., 15.09.2020 - 09:11 Permalink
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Mart Pix Di., 15.09.2020 - 09:49

Kompliment an Schuler. Die 600€ reichen da wohl nicht aus. Damit ist er für mich vollständig rehabilitiert. Ich hätte es zwar gerne gesehen, wie dieser Prozess weitergeht, denn die reißerischen Personen dieses deutschen Vereins sollten doch für die Rufschädigung aufkommen, aber bitte, es ist nicht mein Bier.

Di., 15.09.2020 - 09:49 Permalink
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Stereo Typ Di., 15.09.2020 - 12:03

Gute Lösung, Hut ab. Die 600-Euro-Affäre war von Anfang an ein Sturm im Wasserglas. Schuler denkt da größer. Eine Frage drängt sich aber doch auf: Was darf künftig noch gegen das Ausbringen von Pestiziden gesagt werden? So gesehen ist die Aktion Schulers eine Win-win-Situation: Die Obstbauern werden künftig weniger angegangen werden und den größten Kritikern ist der Wind aus den Segeln genommen worden.

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rotaderga Di., 15.09.2020 - 12:25

Vielleicht gibt es zukünftig die Infodurchsagen im Radio.
Heut schützen wir unsere Obst-, Gemüse-, Getreide-, Mais- und Weinkulturen damit sie weiterhin sauberes Essen auf dem Tisch haben. Wir arbeiten für sie!

Di., 15.09.2020 - 12:25 Permalink
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Johann Georg B… Di., 15.09.2020 - 15:07

Herr Schuler hat ein schlechtes Bild abgegeben, schon die Aussage von Schiedel, nachdem hier bei uns nicht mehr recht viel weitergeht, nach Deutschland und ins Ausland verlegen und uns dort als Tourismusland treffen will, schon diese Drohung ist Grund genug ,den Kerl anzuzeigen, diese Menschen verdienen es nicht, dass sie respektiert werden.
Schuler hat auf ganzer Ebene versagt, die Bauern werden es ihm danken.
Viel Geschrei um Nix:

Di., 15.09.2020 - 15:07 Permalink
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Johann Georg B… Mi., 16.09.2020 - 13:56

Herr Schuler lassen sie sich weiter von diesen verlogenen Ausländer an der Nase herumführen,denn von dem versprochenen Respekt gegenüber der Obstwirtschaft war gestern bei den Nachrichten nichts zusehen und zuhören.

Mi., 16.09.2020 - 13:56 Permalink
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Sebastian Felderer Mi., 16.09.2020 - 18:48

Wer "A" sagt, sollte auch "B" sagen. Ich bin überhaupt nicht der Meinung des Landesrates. Selbst als Steuerzahler diesmal nicht. Dann hätte ich als selbstbewusster Bauernstand von einer Anzeige prinzipiell abgesehen. Aber jetzt zurückziehen, nein. Die schlachten dies als Sieg aus und das Medienecho ist sowieso negativ. Das wird es beim Thema "Pestizide" immer sein, kann ja nicht positiv sein. Darum geht es nicht. Es geht vielmehr darum, ob sich Organisationen und Einzelpersonen es leisten können, einen ganzen Wirtschaftszweig in den Dreck zu ziehen. Wenn der Obstbau sich bewusst ist, dass er kontinuierlich die Schädlingsbekämpfung reduziert und "unschädlicher " für den Menschen macht, dann hat er seine Hausaufgaben gemacht und basta. Ich frage mich, was ein Tierarzt spritzt, wenn eine Kuh krank ist. Nur Bio? Was ein Herr Fagner in seiner Apotheke den ganzen Tag den Leuten verkauft, alles Bio? Dann zieht er den weißen Kittel aus und geht zur Versammlung und predigt den "Malser Weg". Nicht mit mir, meine Herren. Aktuelle Meldung: Die Spritzhefte der Obstbauern wurden beschlagnahmt und liefern den Gegnern nun lauter Beweise. Ich lache. Erstens wurden sie vom Staatsanwalt sequestriert und ein Herr Bär wird gar nichts zu Gesicht bekommen. Und zweitens sind diese Spritzhefte die Auflage des Agrios-Programms und somit schon Jahrzehnte lang registriert und genauestens kontrolliert. Hier sieht man die Falschmeldungen und Manipulationen. Gegen diese Angriffe haben 1.800 Obstbauer und starke Verbände Anzeige erstattet und die Sache wäre durchzuziehen gewesen. Schade.

Mi., 16.09.2020 - 18:48 Permalink
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Johann Georg B… Mi., 16.09.2020 - 19:04

Herr Bernhard.S., haben die Angeklagten nicht zugesagt sie wollen Achungsvoll und Respektvoll mit den Obstbauern umgehen, sie wollen eine Diskusion führen.
Wenn so ein Versprechen aussieht , dann gute Nacht.
Herr Felderer ich bin voll Ihrer Meinung.
Der Pillendreher und der Viehdokter sind die Haupt Verursacher dieser Hetzkampagnie.

Mi., 16.09.2020 - 19:04 Permalink