Wirtschaft | Interview

“Bio ist auch nicht perfekt”

Der Biobauer Andreas Gschleier verurteilt die Polemiken rund um den “Pestizidprozess”, warnt vor Schwarz-Weiß-Denken und sagt zugleich: “Wir haben alle Fehler gemacht.”
Andreas Gschleier
Foto: Facebook/Andreas Gschleier

Fast exakt drei Jahre sind vergangen, seit sich der Auerer Biobauer Andreas Gschleier und der damals noch integriert wirtschaftende Apfelbauer Klemens Kössler zum salto Gespräch getroffen haben. Es ging nicht nur darum, zwei häufig gegeneinander ausgespielte Anbauweisen zu durchleuchten, sondern auch um einen ehrlichen und konstruktiven Dialog, so wie er vielfach versprochen wurde, aber ebenso oft verhindert – durch gegenseitige Schuldzuweisungen, Anfeindungen und Misstrauen. “Wir würden das Gespräch heute vermutlich genau gleich wie damals führen”, sagt Gschleier nicht ohne Bedauern.

Denn vor Kurzem ist der so genannte “Pestizidprozess” angelaufen, den Landesrat Arnold Schuler und weit über 1.000 Bauern 2017 gegen den Autor und Filmemacher Alexander Schiebel wegen seines Buches “Das Wunder von Mals” und gegen Karl Bär und dessen Arbeitgeber Umweltinstitut München wegen der “Pestizidtirol”-Kampagne angestrengt haben. Und wieder stehen sich zwei Parteien offensichtlich unversöhnlich gegenüber: die selbst erklärten “Pestizidrebellen” und die Bauernschaft.

Andreas Gschleier hat sich anlässlich der jüngsten Entwicklungen im Prozess Gedanken gemacht – und diese auf Facebook niedergeschrieben. Einer seiner ersten Sätze: “Ich bin Biobauer und ein massiver Kritiker der Arbeitsweise von Umweltinstitut & Co.”

salto.bz: Herr Gschleier, auf Facebook schreiben Sie unter anderem: “Ich fühle mich von der Art der Argumentation, von der Intensität der Medienschlacht und von der argumentativen Aggressivität als Bauer in meiner Freiheit bedroht.” Was meinen Sie damit?

Andreas Gschleier: Vielleicht ist die Formulierung leicht übertrieben. Ich fühle mich nicht in meiner Freiheit eingeschränkt. Aber ich bin immer sehr hellhörig, wenn in der Gesellschaft Feindbilder kreirt werden. Dabei läuft es immer nach demselben Muster ab: Man sieht gut gegen böse und lässt die Schattierungen außer acht. Landwirtschaft und unser landwirtschaftliches System allgemein sind hoch komplex und ganz schwierig, auf schwarz oder weiß hinunterzubrechen. Wenn aber so vereinfacht wird, treten Tendenzen auf, dass die freie Meinungsäußerung bzw. auch die Weiterentwicklung von Ideen einseitig bekämpft werden. Das ist kein Vorwurf direkt auf den Gerichtsprozess bezogen, aber wenn so harte Geschütze aufgefahren werden, wird einfach über das Ziel hinausgeschossen. Und es wird das Gegenteil von dem bewirkt, was man eigentlich möchte.

Haben Sie verstanden, worum es den Pestizidgegnern geht?

Man möchte eine positive Veränderung der Gesellschaft. Das unterstelle ich jetzt dem Umweltinstitut einfach mal – dass sie dort ein hehres Ziel verfolgen und sicherlich keine bösen Absichten haben. Aber leider sind sie in dieser Sache über das Ziel hinausgeschossen und haben Gräben aufgeworfen, die einer gesellschaftlichen Entwicklung im Wege stehen. Ich als Bauer bin nicht mehr akzeptiert und der Gedankenprozess, die Landwirtschaft weiterzuentwickeln, steht immer unter dem Vorzeichen: böser Bauer-guter Bauer. Das hilft uns nicht weiter. Das schränkt mich in meiner Freiheit als Bauer, zu denken, ein.

Wir haben es verabsäumt, uns wirklich Gedanken zu machen und offen darüber zu diskutieren, was in den letzten Jahren alles falsch gelaufen ist

Wobei Sie als Biobauer ja ein “guter Bauer” wären und könnten sich hinter Schiebel und Bär stellen.

(lacht) Das ist eben genau der Punkt, bei dem man aufpassen muss. Wenn man sich auf die Seite von jemandem stellt, nur weil er gerade für einen kämpft, man aber die Art des Kampfes ablehnt, dann macht man einen Fehler. Denn es geht immer um das Wie, nicht nur um das Was. Das nächste Opfer könntest du selbst sein. Und ein Opfer zu sein, möchte ich niemandem wünschen. Wir wissen, dass es nie gut ausgeht, wenn in einer Gesellschaft Opfer und Feindbilder konstruiert werden.

Es heißt immer, man misst eine Gesellschaft auch daran, wie mit kleinen Problemen umgegangen wird. Insofern sehe es so: Entweder man hat eine gewisse Umgangsform und versucht auch Veränderungen in einer Dialogbereitschaft herbeizführen oder man scheitert. Dagegen schießen und Provokationen funktionieren vielleicht als Eisbrecher. Aber irgendwann muss Schluss damit sein und auf die inhaltliche Ebene gewechselt werden. Das ist hier völlig verabsäumt waren.

Die Bühne dafür, dass Schiebel, Bär & Co. so auftreten können, hat ihnen doch Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler mit seiner Klage gegeben? Sie selbst haben vor drei Jahren gesagt, Sie finden die Klage nicht gut. War es rückblickend in Ihren Augen doch richtig von Schuler, rechtlich vorzugehen?

Nein, ich bin immer noch derselben Meinung. Für die öffentliche Wirkung war es ein Fehler, zu klagen, weil man damit jemanden größer macht, als er ist, ihm eine Relevanz gibt, die er eigentlich nicht hat.

Wenn ich – rückblickend –  andererseits sehe, wie stark der Widerhall in der Bauernschaft war, muss ich sagen, dass Arnold Schuler als Vertreter und Verteidiger der Südtiroler Bauern das einzige gemacht hat, was er tun konnte: Er hat seine Leute geschützt. Auf die einzige ihm mögliche Art. Er kann ja nicht hergehen und dem Schiebel und dem Bär mit dem Baseballschläger eins überziehen. Er hat sein das letzte legitimes Mittel genutzt, das ihm noch geblieben ist: die Anzeige. Klarerweise haben wir alle Fehler gemacht.

Ich sehe mich nicht als Oppositioneller innerhalb der SVP

Wie meinen Sie das?

Wir hätten die Geschichte als Anlass nehmen können, um offen darüber zu diskutieren, was in den letzten Jahren eigentlich alles falsch gelaufen ist, dass es überhaupt erst so weit hat kommen können. Stattdessen haben wir seit nun mittlerweile drei Jahren nicht viel getan. Wir haben gewartet und jetzt ist auf einmal dieser Prozess da, ohne dass wir in der Zwischenzeit einen breiten gesellschaftlichen Diskurs geführt haben, wie man dem begegnen sollte. Und jetzt sind wir wieder ein bisschen vor den Kopf gestoßen und fast entsetzt, was da passiert. Das nimmt niemanden, keine Seite aus, nicht den Gegner, nicht den Befürworter: Wir haben es verabsäumt, uns wirklich Gedanken zu machen.

Wenn man ihn nicht angeht, wird ein solcher Diskurs immer schwieriger – weil sich die ohnehin verhärteten Fronten immer weiter verhärten, die Diskussion immer weiter erhitzt, die Geschütze immer schärfer werden und immer mehr eine Verteidigungshaltung eingenommen wird. Das ist ein Teufelskreis…

Genau.

Wie kann man den durchbrechen?

Im Endeffekt bleibt meiner Meinung nach jetzt nur mehr der Weg des Prozesses. Denn was will man noch tun? Ich finde, der Landesrat hat sich sehr zuvorkommend verhalten. Er hat die Hand für ein Friedensangebot gereicht. Hätte das Umweltinstitut klare Argumente gehabt, wie sie dort die Landwirtschaft verändern möchten, hätten sie meiner Meinung nach eigentlich die Pflicht gehabt, das Angebot anzunehmen. Aber entweder hatten sie die Argumente nicht oder die Bühne war ihnen wichtiger. Das weiß ich nicht. Jedenfalls bleibt jetzt nur mehr der Prozess. Wenn man an den Rechtsstaat glaubt, ist der Prozess ein legitimes Mittel, um eine Schuld oder Nicht-Schuld nachzuweisen.

Es geht in einer Gesellschaft nie gut aus, wenn Opfer und Feindbilder konstruiert werden

Sie haben bei den heurigen Gemeinderatswahlen für die SVP kandidiert, deren Ortsausschuss Sie auch angehören, und sind in den Gemeinderat von Auer gewählt worden. Sind Sie jetzt also gezwungen, Ihren Parteikollegen Schuler zu verteidigen? Oder sind Sie unabhängig von der Parteipolitik überzeugt von dem, was Sie sagen?

Also wenn ich wegen einer Parteizugehörigkeit jetzt meine Meinung zu dem Thema geändert hätte, wäre ich ein armes Schwein – das können Sie ruhig so schreiben. Egal, für wen ich im Gemeinderat sitze: Meine Meinung ändert sich in dieser Sache nicht. Die Frage ist aber legitim und ich weiß auch, dass sich das sicher viele denken. Wenn man sich gesellschaftlich in der Mitte befindet, fällt es immer schwerer, sich zu rechtfertigen, als wenn man eine radikale Position einnimmt. Es ist klar, dass ich viel freier argumentieren und alles mögliche sagen könnte, wenn ich bei den Grünen wäre. Dann würde es heißen ja, ja, der Gschleier ist bei den Grünen, dem verzeihen wir es. Wenn ich aber Mitglied in einer so großen Partei bin, muss ich sicher besser und tiefgründiger argumentieren, als wenn ich bei einer kleinen Partei bzw. einer Partei wäre, die links oder rechts der Mitte angesiedelt ist. Nichtsdestotrotz glaube und hoffe ich, dass meine Kritik immer konstruktiv bleibt und so aufgefasst wird.

Ist in der SVP Platz für einen Biobauern?

Das ist ehrlich eine schwierige Frage. Ich glaube nicht, dass die SVP eine Anti-Biobauern-Partei ist, sicher nicht. Ich habe die SVP als Sammelpartei erlebt und bin selbst überrascht, dass ich für sie im Gemeinderat sitze. Ich muss zugeben, das hätte ich mir vor zehn Jahren nicht gedacht. Aber ich habe mich nicht geändert, ich bin immer noch derselbe Mensch.

Dringen Sie mit Ihren Ansichten und Anliegen überhaupt durch?

Aber ich sehe mich nicht als Oppositioneller innerhalb der SVP. Ich glaube, in einer so großen Partei haben viele Leute Platz. Und wenn ich an die SVP als Sammelpartei denke, dann können wir in der gemeinsamen Auseinandersetzung – ob wir nun unterschiedlicher Meinung sind oder nicht – beide eigentlich nur wachsen. Ich bin noch nicht so lange Mitglied, aber habe mich bisher nie unwohl oder fehl am Platz gefühlt. Außerdem haben sich die Zeiten etwas geändert, die SVP vertritt längst nicht mehr die konservativsten oder radikalsten Positionen und inzwischen leben wir in derart volatilen Zeiten, dass man eine Parteizugehörigkeit auch nicht überschätzen darf. Man sollte nicht dem Vorurteil unterliegen, dass das Parteibuch ganz viel über einen Menschen aussagt. Aber Ihre Frage ist legitim, ich habe sie mir selbst auch gestellt (lacht).

Rein unter dem Gesichtspunkt Klimaschutz betrachtet, ist die Bio-Landwirtschaft auch nicht perfekt

Sie haben Alexander Schiebel und Karl Bär zu sich auf den Hof eingeladen. Meinen Sie das ernst?

Logisch, das ist ein durchaus ernstes Angebot. Ich glaube, man muss mit gutem Beispiel vorangehen. Ich will niemandem eine böse Absicht unterstellen, denn jeder Mensch hat Gründe und seinen persönlichen Background, warum er so argumentiert. Und ich höre mir jede Argumentation gerne an.

Worüber möchten Sie bei dem Besuch sprechen?

Ich würde ihnen zeigen, dass es gar nicht so einfach ist, diese Diskussion einfach schwarz-weiß zu sehen. Der Obstbauer ist, auch wenn er Bio ist, immer ein industrieller, hoch effizienter Obstbauer, der auf kleiner Fläche extrem viele Äpfel bzw. Kalorien produziert. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, kann ich als einzelner nicht beurteilen. Ich kann nur anbieten, ihnen meinen Hof zu zeigen, ich werde ihnen keine Antwort geben können auf die Fragen, die sie haben. Denn Antworten geben sollten in meinen Augen immer entweder eine wissenschaftliche Analyse oder eben ein Prozess, in dem man den Beweis antreten muss, dass das, was man macht, funktioniert. Denn Visionen sind gut und recht, aber sie müssen in der Realität auch umsetzbar sein.

Leider wurde in dieser Sache über das Ziel hinausgeschossen und Gräben aufgeworfen, die einer gesellschaftlichen Entwicklung im Wege stehen

Ist die Vision von einer Bioregion Südtirol realistisch?

Der Ruf nach mehr Öko-Landwirtschaft ist legitim. Aber man darf nicht vergessen, dass es abseits von Bio noch ganz viele andere Ansätze gibt, um ökologische Landwirtschaft zu betreiben. Der Bio-Landbau ist eine Möglichkeit, um sich der Ökologisierung zu nähern, im Sinne der Artenvielfalt und des Bodenlebens. Aber aus Sicht des Klimaschutzes – wenn wir jetzt radikal klimaschützerisch unterwegs sind – könnte es passieren, dass der Öko-Landbau gar nicht mehr so gut wegkommt, weil er auf gleicher Fläche mit gleichem Mitteleinsatz zum Teil weniger Menge produziert. Sprich, die Effizienz 1:1 umgerechnet ist teilweise kleiner. Wenn Artenvielfalt und Klimaschutz gleich wichtig sind und erstere den zweiteren aufwiegt, ist Bio ein Argument. Aber wenn wir nur den einen Gesichtspunkt Klimaschutz betrachten, ist die Bio-Landwirtschaft auch nicht perfekt bzw. müssen wir uns alle der Diskussion stellen, wie wir wir in Zukunft wirtschaften wollen. Aber genau diese Diskussion braucht es, in der Gegensätze offen und ehrlich diskutiert werden.

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Urban Nothdurfter Fr., 02.10.2020 - 13:00

Kompliment für die differenzierte Sichtweise und das Engagement gegen die Konstruktion von Feindbildern. Aber: Wie kommen Sie auf den Gedanken, dass man bei den Grünen bzw. als Grüner nicht gut argumentieren müsste? Mir scheinen die Beiträge der Grünen durchschnittlich durchaus besser informiert und argumentiert als viele der Meldungen politischer Vertreter*innen, die vom Mehrheitsbonus profitieren und geschützt durch ihre Sammelpartei und deren Vorhöfe ihre Meinungen kundtun. Oder ist es wichtig, dass Sie diesbezüglich auch Feindbilder aufrecht erhalten?

Fr., 02.10.2020 - 13:00 Permalink
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Johann Georg B… Fr., 02.10.2020 - 14:37

Ein sehr informativer Bericht, ich kann den Biobauern nur gratulieren und weiterhin viel Erfolg wünschen, es ist interessant wie er zu den ganzen Anschuldigungen steht, würden auch andere so denken wäre es zu keinem Prozess gekommen. Herr Gschleier hat es richtig gesagt Schiebel und Bär wollen die Bühne, wollen Medien, sie wollen den Prozess. LR Schuler hat den Pestizidgegner die Hand gereicht und diese haben das Angebot nicht angenommen, ich hoffe dass es immer noch zu einer vernünftigen Lösung kommt.
Biobauer Andreas viel Glück im Gemeinderat und hilf den Bauern aus der Sackgasse.

Fr., 02.10.2020 - 14:37 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Fr., 02.10.2020 - 16:25

Antwort auf von Johann Georg B…

"Herr Gschleier hat es richtig gesagt Schiebel und Bär wollen die Bühne,"
Das ist eine Unterstellung Herr Bernhart, Herr Gschleier hat nichts dergleichen behauptet. Mit solchen Kommentaren helfen Sie nicht unbedingt einen konstruktiven Diskurs zu fördern, aber daran sind Sie wahrscheinlich auch nicht interessiert.

Fr., 02.10.2020 - 16:25 Permalink
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Stereo Typ Fr., 02.10.2020 - 16:19

Ich sehe jetzt nicht, dass Schiebel oder Bär Feindbilder in der Gesellschaft kreiert hätten. Sie haben ihre Meinung zu einem Thema kundgetan, couragiert, ausführlich und pointiert. Ein ganz normaler Vorgang in einer Demokratie. Dass es so ein Mega-Echo gibt, zeigt doch, dass sie einen wunden Punkt getroffen haben. Statt auf die einzelnen Thesen der beiden einzugehen und sie zu entkräften, sollen sie nun gerichtlich in die Mangel genommen werden. Ein demokratischer Disput sieht anders aus.

Fr., 02.10.2020 - 16:19 Permalink
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Christian Mair Fr., 02.10.2020 - 22:01

Gutes Interview!
Neben der Debatte um konventionelle und biologische Landwirtschaft muss es wohl neue Debatten über Absatzmärkte, Arbeitsbedingungen und Anbaupflanzen geben.

Ist es nicht sinnvoll, vielleicht sogar legitim zu fordern, dass Landwirtschaft, die öffentlich subventioniert wird, für die Region und nicht den Export produzieren muss?

Fr., 02.10.2020 - 22:01 Permalink
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Pallino Pinco Fr., 02.10.2020 - 23:45

Antwort auf von Christian Mair

Da Herr Gschleier den Punkt der Effizienz in der Landwirtschaft angesprochen hat, möchte ich daran anknüpfen: ausschließlich für die Region und nicht für den Export zu produzieren ist nämlich genau ineffizient. Betrachten wir das so, in Südtirol z.B. wird auf relativ geringer Fläche (wie im Interview angesprochen) mit bestimmtem Mitteleinsatz ein relativ hoher Ertrag erzielt. In Skandinavien z.B. wäre das nicht der Fall. Das Klima ist zu kühl und die Böden sind zu karg, um mit unserem Produktionsniveau mithalten zu können. Um den gleichen Ertrag wie bei uns zu erzielen, müsste eine deutlich größere Fläche mit Äpfeln bepflanzt werden. Außerdem würde der Mitteleinsatz aufgrund des skandinavischen Wetters deutlich höher ausfallen. Das ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. (Ganz zu schweigen davon, dass der skandinavische Apfelpreis aufgrund des höheren Mitteleinsatzes und Arbeitsaufwandes in die Höhe schnellen würde...). Würde in Südtirol (oder dehnen wir unser Gedankenexperiment aus, weltweit) nur für den regionalen Markt und nicht für den Export produziert werden, dann müssten unsere skandinavischen Nachbarn gegebenenfalls auf Äpfel verzichten.

Andererseits, wie würde es dann bei uns aussehen, würden weiltweit nur noch Lebensmittel für den eigenen Markt produziert werden? Im Winter sind unsere Böden gefroren, manche Feldfrüchte sind allerdings sehr gut lagerfähig, dazu zählen z.B. Kartoffeln oder Kürbis. Würden wir keine Importe aus südlicheren Ländern erhalten, dann würde es bei uns im Winter sehr mager mit frischem Obst und Gemüse aussehen. Anstatt uns im Supermarkt mit frischem Salat, Tomaten, Zucchini, Ananas oder Orangen versorgen zu können, bliebe uns nichts anderes übrig, als von Sauerkraut und Erdäpfeln zu leben, bis die Tage wieder länger werden... ;-)
Ergo: offener Welthandel macht schon doch einen Sinn. Auch in der Landwirtschaft.

Fr., 02.10.2020 - 23:45 Permalink
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Michael Bockhorni Sa., 03.10.2020 - 11:51

Antwort auf von Pallino Pinco

unter dem Aspekt des Klimaschutzes schneidet eine regionale, saisonale und biologische Ernährung auf jeden Fall besser ab. Da nur die Kalorieneffizienz zu betrachten ist absolut unzureichend, es gibt haufenweise fundiertere Vergleiche. Die Angst von Sauerkraut und Erdäpfel zu leben zeigt nur wieviel Wissen (und auch Angebot) von vielfältigen Wintergemüse verloren gegangen ist. Klingt ähnlich wie ohne Atomkraft gehen uns die Lichter aus ;-)

Sa., 03.10.2020 - 11:51 Permalink
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m s Sa., 03.10.2020 - 12:54

Ich behaupte mal wir haben generell ein Problem mit unserer Art des Wirtschaftens. Ein gewisser Austausch und Export ist in Ordnung, aber wie man gerade in der Coronakrise gesehen hat, ist die völlige Konzentration auf Effizienz und Erlös mit langen Lieferketten (wobei die Kolleteralschäden momentan nicht verrechnet werden) auch gefährlich und könnte zukünftig auch die Versorgungssicherheit von Ländern gefährden. Mehr Anbauvielfalt wäre z.B auch von Vorteil, zumindest für das Artenreichtum und auch um Pestizide einzuschränken. Über das Wie wird noch lange zu diskutieren sein, aber ein Weiterso ist wohl auch nicht mehr auf längere Sicht möglich.

Sa., 03.10.2020 - 12:54 Permalink