Politik | Interview

“Spalten passt nicht zu Meran”

Das erste Interview mit dem neuen alten Meraner Bürgermeister: Was sagt Paul Rösch zu seinem knappen Wahlsieg? Und wird sein Kontrahent Dal Medico sein neuer Vize?
Paul Rösch
Foto: Facebook/David Augscheller

Meran hat einen neuen Bürgermeister – und es ist der alte. Paul Rösch hat Dario Dal Medico in der Stichwahl geschlagen. Mit 50,1 zu 49,9 Prozent. Bis zum Schluss sah es nach einem Sieg für den Kandidaten der beiden italienischen Bürgerlisten aus. Bis zum Ergebnis der vorletzten Wahlsektion – Meran Stadtzentrum – lag Dal Medico vorne. Am Ende waren es 37 Stimmen, die Rösch zum Sieg und dazu verhalfen, Bürgermeister zu bleiben.

Wie deutet Rösch das Ergebnis? Und wie will er jetzt weitermachen? Als salto.bz den Meraner Bürgermeister erreicht, ist es bereits nach Mitternacht und er beim Feiern mit seinen Mitstreitern.

salto.bz: Herr Rösch, Dario Dal Medico lag bis zuletzt vor Ihnen. Haben Sie damit gerechnet, dass es so knapp wird?

Paul Rösch: Nein. Ich war optimistisch, dass ich gewinne, und zwar höher gewinne, mit mindestens 55 zu 45 Prozent.

Haben Sie schon realisiert, dass Sie dank 37 Stimmen Bürgermeister bleiben?

Ich muss schauen, dass ich morgen meinen Psychologen erreiche (lacht). Nein, ich bin schon erschrocken, als ich das Ergebnis gesehen habe.

Nach der heutigen Wahl werden wir gerade einen Dal Medico sicherlich nicht draußen lassen können

Wie zufrieden kann man mit einem Sieg sein, der so knapp errungen wurde?

Wissen Sie, meine erste Reaktion war folgende: Endlich sind die Italiener einmal wählen gegangen. Vor fünf Jahren, als es die Stichwahl zwischen Gerhard Gruber und mir gab, ist kein Italiener hingegangen. Und jetzt haben sich die Italiener, die irgendwo auch immer ein bisschen diesen disagio verspüren, endlich auch gemeldet. Das finde ich gut so. Wir sind eine interethnische Gruppe und haben getan, was wir konnten, aber eben nicht alle angesprochen. Jetzt haben sich die Italiener, auch die in den Vierteln draußen, gemeldet und gesagt fein, wir haben jetzt einen italienischen Bürgermeisterkandidaten, den wir wählen.

Also war es eine ethnische Wahl?

Nein, ich glaube nicht, dass es eine rein ethnische Geschichte war, aber auch. Dazu kommt, dass die von der SVP halt geschaut haben, dass Leute nicht zur Wahl gehen. Deshalb ist es letztendlich trotzdem gut ausgegangen.

Eine Ihrer ersten Reaktionen auf das Wahlergebnis war eine herzliche Umarmung mit Ihrem Kontrahenten, begleitet vom Satz: “Meran ist eine demokratische Stadt.” Was meinen Sie damit?

Meran war stets eine offene Stadt. Weltoffenheit und Liberalismus ist die DNA der Stadt. Wenn man spaltet, dann passt das nicht zu Meran. Wir haben fünf Jahren gezeigt, dass man miteinander, über die Sprachgruppen hinweg, gut arbeiten kann. Deshalb freuen mich diese Wahlen auch. Es haben unglaublich viele Leute kandidiert, wir hatten neun Bürgermeisterkandidaten. Ich finde, das sind einfach schöne Zeichen. Denn es gibt in Südtirol Dörfer, wo sich nur mit großer Mühe ein Bürgermeisterkandidat findet. In Meran wird gedacht und gemacht – und da müssen wir einfach weitermachen.

Endlich sind die Italiener einmal wählen gegangen

Sie und Dal Medico haben einen fairen, respektvollen Wahlkampf geführt und schätzen sich gegenseitig. Wird Ihr gutes persönliches Verhältnis zueinander nun in einer Regierungsmehrheit münden? Das Wahlergebnis würde es nahelegen und die SVP könnte dadurch außen vorgelassen werden.

Als Demokrat muss man den Wählerwillen ernst nehmen: Die SVP hat im ersten Wahlgang viele Stimmen bekommen – sie ist die meist gewählte Partei – und jetzt hat Dal Medico noch einmal einen Haufen Stimmen bekommen. Man wird jetzt miteinander überlegen, welche die für Meran wirklich wichtigen Sachen sind und schaut dann, wer trägt das mit. Aber ich glaube, dass wir nach der heutigen Wahl gerade einen Dal Medico sicherlich nicht draußen lassen können.

Können Sie sich vorstellen, dass er Ihr neuer Vizebürgermeister wird?

Das traue ich mich jetzt nicht zu sagen, aber vorstellen kann ich mir das sehr gut. Er ist ein kultivierter, sozial eingestellter Mensch. Aber es hängt ganz viel davon ab, wie all die Verhandlungen jetzt verlaufen.

Wann beginnen Sie mit den Sondierungsgesprächen für Ihre nächste Stadtregierung?

Morgen (heute, Montag, Anm.d.Red.) geht es los.

Ich war optimistisch, dass ich gewinne, und zwar höher gewinne

Hat Ihnen jemand von der SVP bereits zum Sieg gratuliert?

Ich hatte mein Handy bis eben auf Flugmodus geschalten und noch nicht die Gelegenheit, die unzähligen Nachrichten durchzulesen. Deshalb weiß ich es nicht.

Und persönlich?

Nein, persönlich noch nicht.

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Karl Trojer Mo., 05.10.2020 - 09:24

Dem Bürgermeister Paul Rösch einen herzlichen Glückwunsch !
Seine bedachte, respektvolle, partizipative und zukunftsfähige Politik haben noch einmal, wenn auch nur sehr knapp, gewonnen !
Warum liegt in Meran die Wahlbeteiligung unter 50% ? Dieser Frage müsste nachgegangen werden, wenn Politikmüdigkeit nicht noch krasser werden soll ...

Mo., 05.10.2020 - 09:24 Permalink
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△rtim post Mo., 05.10.2020 - 11:12

Die Welt ist mehr als mehr als nur ein Like.
Selbstvermarktung kann Rösch allemal besser als die anderen. Seine Auftritte sind bekannt: seine Zebra-Läufe, seine Schuhputzaktion... bis zu seinem Auftritt letztlich beim Pferderennen mit seiner rotchinesischem Nasen-Mundschutz-Maske und Zylinder, die hier politisch wohl die eigene Vorstellung vun Wirtschaft, den sozialen Ausgleich zwischen den Villen-und Laubenbaronen und den knapsenden Schichten nach dem Vorbild Chinas signalisieren soll.
PR und Wirklichkeit zu verwechseln sind selten ratsam. Auch nicht im rosa-grünen Meran.
Ja, es stimmt, die Erwartungen und Hoffnungen der Stimmbürger-innen vor über fünf Jahren waren parteiübergreifend sehr groß. Vielleicht auch zu groß. Auch bei ökologisch-denkenden Bürgern, den Natur- und Heimatschützern.
Als die Grünen noch in der Opposition waren, ging es Merans Mit- und Umwelt jedenfalls besser. Der Tunnel und eine Autostadt Meran waren Tabu. Da setzten sie sich sogar noch für den Baum, das Grüne ein. Wer hätte vor über fünf Jahren je gedacht, dass ausgerechnet die Grünen all den Verkehr im Umweg (von Bozen, Reschen... bis Passeier) und die Abgase über Tunnel, Kavernengarage unbedingt durch das Zentrum, zur Lauben-Shoppingmall führen würden. Alles ganz ohne kontroverse Debatten, Bürgerbefragung oder gar Referendum ...
https://www.salto.bz/de/article/01092020/tram-statt-tunnel-fuer-klimaki…
Was bleibt von all dem ökologischen und ethischen Selbstanspruch?
Da wird öffentlichkeitswirksam von der bisherigen Stadtregierung alles getan, damit der Tappeinerweg den UNESCO-Titel bekommt.
Was macht die rosa-grüne Stadtregierung konkret am Tappeinerweg hingegen?
Anstatt einer treffsicheren Planung und Kostenwahrheit, um die Belastungen für Natur und Mensch möglichst zu minimieren, hält sie im Wesentlich an einer alten Planung von vor über 40 Jahren fest: https://www.salto.bz/de/article/23072014/tunnel-politik-der-nordwest-um…
Was macht diese scheidende Stadtregierung neben dem Kavernengarage-Projekt mit Verkehrsabgasschächten sonst noch für den Tappeinerweg?
Sie baut eine grelle Wegbeleuchten, während weltweit Menschen ihr Recht auf den nächtlichen Sternenhimmel fordern und versucht wird das Insektensterben durch die Lichtverschmutzung zur reduzieren Bislang reichte stets all das indirekte Licht von der Stadt aus.
Wasserabführungen wurden im Rahmen dieser Maßnahmen beinträchtigt und zerstört und rund um den Pulverturm wurde alles durch Beton versiegelt. Da ist ökologisches Bewusstsein offensichtlich noch nicht angekommen.
Wie heißt es auf Italienisch sehr treffend: "ne arte, ne parte" - Hauptsache Selbstvermarktung und Posten.
Meine Solidarität gehört den betroffenen Anwohnern amf Tappeinerweg, Tiroler Steig, die wohl als einzige hierzulande nicht mal eine Zufahrt für Rettungs- und Sicherheitsfahrzeuge haben und nun durch die Baumaßnahmen, dem Nord-West-Tunnel und die Kavernengarage mit ca. 600 Fahrzeugen, auch noch um ihr Leben, Gesundheit und Heim bangen müssen. Alle ihre Eingaben, Einschreiben blieben trotz angeblicher Bürgerbeteiligungsmöglichkeit in Meran ohne Interesse. Warum sollten dann die Bürger-innen Rösch wählen?
Das ist ein Beispiel von vielen. Das Problem ist, dass es die natürliche Opposition, die früheren Grünen lange und jetzt noch länger nicht mehr gibt. Verständlich, wenn sich Bürger-innen mit PR-Inszenierungen, Selbstlob und Slogans des BM Röschs und seines Teams nicht mehr zufrieden geben. Auch wenn es Paul Rösch in seiner Welt gerne anders sieht. Es sind also bestimmt nicht die bösen SVP-Wähler-innen, die ja traditionell ethnisch wählen und Rösch gewählt haben, die zu Hause geblieben sind.

Mo., 05.10.2020 - 11:12 Permalink
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Mart Pix Mo., 05.10.2020 - 11:42

Rösch hat es vor allem der SVP zu verdanken, dass er BM geworden ist, hätte diese sich nicht enthalten, wäre es jetzt DM. Und kommt mir nicht mit der Freud Sache. Unterberger hat sich für Rösch eingesetzt, das war ebenso ein Fehler.

"ein bisschen diesen disagio verspüren, endlich auch gemeldet" - Diesen hat Rösch dann wohl selbst verschuldet. Wem will er das in die Schuhe schieben?

"Dazu kommt, dass die von der SVP halt geschaut haben, dass Leute nicht zur Wahl gehen." - Die ständigen Seitenhiebe Richtung SVP hören niemals auf. Rösch ist ein schlechter Sieger der die gesamte Zeit andere in Verruf brachte.

Auch ist es auffallend, dass die Autorin die Fragen stark zu Lasten der SVP ausrichtet (siehe letzte zwei Fragen).

Gut dass ich STF gewählt habe um nicht Teil dieses Affenzirkus zu sein.

Mo., 05.10.2020 - 11:42 Permalink