Umwelt | Pestizidprozess

„Wir haben nichts zu verbergen“

Landesrat Arnold Schuler über die geplatzte Einigung mit den Pestizidgegnern, die Betriebshefte und seine Überzeugung, dass kein Bauer nichtzugelassene Mittel spritzt.
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Foto: arnoldschuler.com
Salto.bz: Herr Landesrat Schuler, ist die Einigung mit Karl Bär und Alexander Schiebel geplatzt?
 
Arnold Schuler: Ja, leider. Ich war wirklich guter Hoffnung, Am vorletzten Samstag hatte wir eine Aussprache über Videokonferenz und danach war ich eigentlich recht zuversichtlich, dass wir uns einigen und das Ganze beenden können. Aber die Geschichte ist dann etwas anders ausgegangen.
 
Weil Sie und die Obstwirtschaft darauf bestanden haben, dass die Pestizidgegner die Daten aus den Betriebsheften der klagenden Bauern nicht öffentlich machen dürfen?
 
Das war ganz sicher nicht das Entscheidende. Es stimmt: Die Rechtsanwälte haben sich darüber ausgetauscht, was im Falle einer Einigung festgeschrieben wird. Wie es halt bei einer außergerichtlichen Einigung üblich ist. Dort wird nicht nur fixiert, wie man miteinander umgeht, sondern auch was mit den aufliegenden Akten und Dokumenten passiert. Aber nochmals, das war sicher nicht der Grund dafür, dass jetzt alles geplatzt ist. Auch weil wir hier überhaupt nichts zu verbergen haben.
 
Die Beklagten sollten sich schriftlich verpflichten, die Betriebshefte und damit den dokumentierten Spritzmitteleinsatz, nicht öffentlich zu verwenden.
 
Nein, das war nie eine schriftliche Bedingung. Und das stand auch nicht im letzten Schreiben der Anwälte drinnen. Es gibt nichts, was in den Betriebsheften steht, das man verstecken muss.
Es gibt nichts, was in den Betriebsheften steht, das man verstecken muss.
Wenn das so ist, stellt sich die Frage, warum sich die klagenden Bauern dagegen gewehrt haben, die Betriebshefte im Rechtsstreit herauszurücken und sie letztlich von der Staatsanwaltschaft und Carabinierisondereinheit NAS beschlagnahmt wurden?
 
Auch das stimmt so nicht. Die Staatsanwältin hat die Kläger darauf aufmerksam gemacht, sollten sie die Betriebshefte nicht abgeben, dass sie diese dann beschlagnahmen wird. Alle haben dann umgehend kooperiert. Wir haben die Betriebshefte digital gesammelt und übergeben. Es hat keine Beschlagnahme, sondern eine offene Zusammenarbeit gegeben.
 
 
 
Sie sagen, dass sich die Bauern freiwillig in den „Spritzpanzen“ schauen lassen?
 
Ja. Denn es gibt kaum ein anderes Lebensmittel, das so geprüft ist wie der Apfel. Es gibt eine Vielzahl von Verfahren, die hier vorgeschrieben sind. Einmal gibt es die Agrios-Programme, wo alle 6.500 Mitglieder kontrolliert werden. Dazu gibt es Betriebskontrollen bei 10 Prozent der Teilnehmer. Blattkontrollen und Rückstandsanalyse stehen an der Tagesordnung. Zusätzlich machen die Obstgenossenschaften bei der Anlieferung Stichproben-Kontrollen. Aber auch im Programm des Apfels als „Geschützte geographische Angabe“ g.g.A. wird jeder Betrieb alle drei Jahre kontrolliert. Auch „Globalgap“ führt jährlich eine Betriebskontrolle durch. Es gibt demnach mindesten drei verschiedene Kontrollmechanismen, die garantieren, dass es keinen Betrieb gibt, der nicht in Ordnung ist. Oder, dass irgendein Mittel eingesetzt wird, das nicht zugelassen ist. Also mehr Transparenz kann ich mir kaum vorstellen.
 
Ist es auch allgemein bekannt, wie oft ein Bauer spritzt und wieviel Spritzmittel er verwendet?
 
Auch das wurde xmal öffentlich kommentiert. Wie oft und wieviel Kilo gespritzt wird. Wobei beides relativ ist. Denn es kommt nicht darauf an, wie viele Behandlungen du machst und auch nicht welche Mengen man verwendet, entscheidend ist, was man spritzt.
 
Rückstandsanalysen macht man nur auf eine gewisse Anzahl von Mitteln. Was man aber nicht sucht, kann man auch nicht finden. Sie schließen aus, dass man in Südtirol Mittel einsetzt, nach denen nicht oder nicht mehr gesucht wird?
 
Das kann ich kategorisch ausschließen. Ganz einfach, weil das kein Bauer riskieren würde. Es geht nicht an, dass ich etwas in Betriebsheft schreibe und dann etwas Anderes spritze. Die Kontrollen sind viel zu engmaschig. Denn auch der Markt, also die Händler und Käufer führen selbst Kontrollen durch. Wenn jemand jetzt etwas spritzt, das nicht zugelassen ist, dann hätte das enorme Konsequenzen für die Obstwirtschaft. Das ist für mich undenkbar.
 
 
Hier ist nicht der Eindruck entstanden, dass von der anderen Seite wirklich die Bereitschaft da ist, sich die Hand zu reichen.
Sie sind selbst Bauer. Haben Sie beim Spritzmittelhändler nie die Frage gehört: „Willst du das zugelassene Mittel spritzen oder das Gute“?
 
Das ist absurd. Das sind Fake News. Das gibt es nicht. Kein Mitglied einer Genossenschaft kann diese Risiko eingehen. Die Folgen wären verheerend. Zudem gibt es auch keine Notwendigkeit. Denn bei dem, was heute zugelassen ist, braucht es das nicht. Wobei man hier sagen muss, dass 70 Prozent der Mittel, die im integrierten Obstanbau eingesetzt werden, auch im Bioanbau zugelassen sind. Tendenz stark steigend.
 
Am 27. November wird der Pestizidprozess am Bozner Landesgericht also in die Hauptverhandlung gehen?
 
Ich gehe davon aus. Wir haben die Verhandlungen jetzt abgebrochen, weil wir gesehen haben, dass es so keinen Sinn macht. Jeder kann nachverfolgen, was in den letzten Tag in den sozialen Medien abgelaufen ist. Hier ist nicht der Eindruck entstanden, dass von der anderen Seite wirklich die Bereitschaft da ist, sich die Hand zu reichen. Das ist leider nicht erkennbar.
 
 
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rotaderga Do., 01.10.2020 - 06:56

Allerdings, Herr Schuler, gibt es in Südtirol viele Imker, die insgesamt eine differenziertere Sichtweise und Beurteilung der Gesamtlage immer wieder versuchen in der Gesellschaft darzustellen. Und wie reagieren sie selbst dazu?
Viele ihrer Kompetenzen zur Bienenhaltung, so spricht die Imkerschaft wären, an Landesrat Achammer abgegeben worden.

Do., 01.10.2020 - 06:56 Permalink
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Manfred Klotz Do., 01.10.2020 - 07:17

Hier wird allerdings der springende Punkt ausgeklammert: Es geht im Verfahren um Verleumdung und Verletzung des Markenrechts. Wenn also auch einige von den 1.400 klagenden Bauern vielleicht zu viel oder etwas Verbotenes gespritzt hätten, ist das kein Beleg für Bärs und Schiebels Behauptung, man nehme Tote in Kauf (Schiebels Buch bezog sich ja sowieso nur auf die Situation in Mals) und ganz Südtirol sei pestizidverseucht oder leide an schlechter Luft. Das sind die beiden Hauptargumente für die Verleumdung. Ein Tatbestand, den die Staatsanwaltschaft übrigens schon als gegeben ansieht.
Ich habe das Verhalten der beiden in den Socials verfolgt und auch die Pressemitteilung des Umweltinstituts bei Aufnahme der Gespräche über eine außergerichtliche Einigung gelesen. Vom Willen auf Einigung keine Spur, im Gegenteil, man hat das Entgegenkommen als Schuldeingeständnis verkauft.

Do., 01.10.2020 - 07:17 Permalink
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Christoph Gatscher Do., 01.10.2020 - 13:50

Ich würde Herrn Schuler empfehlen in einigen Dorfgasthäusern aufmerksam zuzuhören was so alles unter vorgehaltener Hand abgesprochen wird was man alles zum spritzen im Keller hat

Do., 01.10.2020 - 13:50 Permalink