Gesellschaft | Hausärzte

Die große Konfusion

Der Sanitätsbetrieb ist anscheinend nicht imstande ein tragbares Protokoll für die Schnelltest zu erstellen. Deshalb müssen die Menschen doppelt so lang in die Quarantäne
Corona Test
Foto: upi
Wir haben das perfekte Durcheinander“, sagt der Südtiroler Hausarzt, „weil der Sanitätsbetrieb nicht imstande ist klare Regeln und Vorgaben aufzustellen, sind vor allem die Bürger die Leidtragenden“.
Es geht um die neuen und viel gepriesenen Antigen-Schnelltests, die man seit Wochen in Südtirol einsetzt. Immer wieder erklären die Sanitätsverantwortlichen, dass man das Testaufkommen gerade in dieser kritischen Phase steigern muss. „Bei den Schnelltests ist es wichtig, dass auch die Hausärzte und die Apotheker mitmachen“, betonte Sanitätslandesrat Thomas Widmann mehrmals.
Die Bereitschaft ist auch durchaus da. Hunderte Südtiroler Hausärzte machen seit Wochen täglich Schnelltests, vorwiegend Abstriche, die innerhalb von 20 Minuten ein Ergebnis zeigen. „Aber aufgrund fehlerhafter oder fehlender Protokolle und einem Hygienedienst, der positive Schnelltests nicht voll anerkennt ist diese ganze Aktion für Katz“, ärgert sich der Hausarzt.
 

Fehlende Rechtsgrundlage

 
Man muss vorausschicken, dass die Rechtslage alles andere als einfach ist. Dennoch zeigen die vergangenen Wochen wie behäbig und selbstgefällig der Südtiroler Sanitätsbetrieb im Umgang mit den Schnelltest vorgeht. Der Skandal mit den fast 1.300 bei den Hausärzten positiv getesteten Patienten, die danach telematisch im Sanitätsbetrieb durch das Raster gefallen sind, ist nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt noch eine Reihe von ungelösten Problemen rund um die Schnelltests. Vor allem in der Frage, ab wann ein Patient in Quarantäne ist, herrschen innerhalb der Südtiroler Sanität anscheinend grundlegend verschiedene Auffassungen.
 
 
Am 9. Oktober 2020 verschickte Santitätsdirektor Pierpaolo Bertoli an die Südtiroler Hausärzte ein Rundschreiben zu den anstehenden Schnelltests. Darin ist die Anweisung enthalten, dass im Schnelltest positiv getestete Personen mit der Diagnose „V29.0“ unter häusliche Isolation zu stellen seien.
Dieser Kodex und die dazugehörige Beschreibung „Osservazione per sospetto condizione morbosa infettiva“ durften von den Hausärzten bisher nur nach schriftlicher Aufforderung durch den Hygienedienst verwendet werden. Auch weil man dadurch der INPS eine Quarantänemaßnahme signalisiert und diese für die betroffenen Personen eine freiheitsentziehende Maßnahme darstellt.
Die Hausärzte-Gewerkschaften warnten deshalb wiederholt ihr Mitglieder, diesen Kodex zu verwenden, da nach ihrer Auffassung nur Hygieniker diesen verhängen dürfen.
Bis heute ist diese Rechtsfrage nicht geklärt.
 

Doppelte Quarantäne


Wie der Umgang mit positiven Schnelltests bei den Hausärzten in Südtirol allerdings ausschaut, zeigen mehrere konkrete Fälle.
Mit einem Rundschreiben des Gesundheitsministeriums vom 12. Oktober 2020 wurde die Quarantäne bei positiv getesteten Personen auf 10 Tage verkürzt. Die Berechnung der 10 Tage hängt auch beim Schnelltest davon ab, ob der Patient Symptome zeigt oder nicht.
Beim Vorliegen von Symptomen rechnet man die 10 Tage ab Beginn der Symptomatik, bei asymptomatischen Patienten laufen 10 Tage ab dem positiven Test. Auf jedem Fall muss der Hausarzt aber eine Anfrage für einen PCR-Abstrich einreichen.
Ich habe einen Patienten nach diesem Prozedere vom 25. Oktober bis 3. November unter Quarantäne gestellt“, erzählt eine Hausärztin Salto.bz. Der Mann hatte Symptome und der Schnelltest war positiv. Die Ärztin teilte das positive Ergebnis umgehend über das eigens eingerichtete Portal dem Hygienedienst mit und forderte gleichzeitig wie vorgesehen einen PCR-Test an. Dieser Test wurde aber erst am 2. November gemacht. Weil er noch positiv war, wurde die Quarantäne bis zum 13. November verlängert. Der zuständige Dienst der Sanitätseinheit erklärte dem Betroffenen dabei, dass das Schnelltest-Datum für die Berechnung der Quarantäne-Dauer nicht zähle, sondern lediglich das Datum des verspätet durchgeführten PCR-Tests.
 
 
Das heißt der Patient befindet sich damit jetzt insgesamt 20 Tage und damit deutlich länger als normalerweise vorgesehen in häuslicher Isolation“, sagt die Ärztin. Nicht nur sie, sondern auch eine ganze Reihe von Kollegen können nicht verstehen, warum das Datum des positiven Schnelltests für die Berechnung der Quarantäne-Dauer nicht zähle. Ein Hausarzt aus der östlichen Landeshälfte sagt, „für mich ist es besorgniserregend, dass immer mehr Bürger von diesem Problem der ungerechtfertigt langen Quarantänemaßnahmen betroffen sind“.
 

Neue Verwirrung

 
Inzwischen ist diese Verwirrung auch auf institutioneller Ebene angekommen. Auf der letzten Sitzung der Task Force am vergangenen Freitag wurde diese Streitfrage ausführlich diskutiert. Das Problem dabei: Anscheinend hat das Gesundheitsministerium diese Rechtsfrage immer noch nicht geklärt. Die Frage ist, ob Südtirol hier einen sinnvollen Sonderweg einschlagen will. 
Nach Informationen von Salto.bz ist für die laufende Woche eine Aussprache zwischen Ressortdirektor Günther Burger und den verantwortlichen Sprengelhygienikern geplant. „Wir hoffen, dass man dabei zu einer klaren Lösung kommt“, sagt der Hausarzt.
 
 
Gleichzeitig hat sich aber etwas am Datenportal getan, mit dem die Hausärzte die Ergebnisse der Schnelltests dem Sanitätsbetrieb mitteilen müssen. Die Plattform ist äußerst kompliziert und Benutzer unfreundlich. Seit Ende vergangener Woche hat man jetzt eine neue Funktion implementiert. Bei einem positiven Schnelltest muss der Arzt ab sofort auch den Testtyp angeben. Unter dem Betreff „tipo test“ kann er dabei unter fünf Test wählen.
Diese Änderung wurde vom Sanitätsbetrieb einfach eingeführt ohne mit den Hausärzten zu reden. Niemand versteht warum es diese zusätzlichen Angaben braucht.
„Ohne Erklärung und Absprache führt das nur zu einer noch größeren Konfusion“, ärgern sich jetzt jene für die das Portal konzipiert wurde.
 
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Elisabeth Hammer Di., 10.11.2020 - 08:18

"Weil er noch positiv war, wurde die Quarantäne bis zum 13. November verlängert." Aufdeckungsjournalismus ist ja schön und gut, aber hier würde ich es als Skandal empfinden, wenn jemand trotz positivem PCR-Test keine Quarantäne-Auflage bekommen sollte. Nach 21 Tagen endet die Quarantäne ohnehin automatisch, auch ohne weitere Testung. Vorher als Positiver wieder unter die Leute zu gehen, wäre doch schlicht und ergreifend hirnrissig.

Di., 10.11.2020 - 08:18 Permalink
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Elisabeth Hammer Di., 10.11.2020 - 14:48

Antwort auf von Michael Kerschbaumer

Na Entschuldigung, das werde ich wohl hoffentlich noch wissen, wenn es mich selbst betrifft - ich gebe allerdings zu, dass ich sehr erstaunt war, als mir die Zuständige im Sanitätsbetrieb versichert hat, meine Quarantäne endet automatisch nach dem 21. Tag. Auf meine explizite Nachfrage hin wurde betont, dass das auch so ist, wenn ich z.B noch zwei Tage vor diesem 21. Tag wieder positiv getestet würde. Laut meinem Hausarzt ist man ab diesem Zeitpunkt nicht mehr ansteckend und darf wieder raus.

Di., 10.11.2020 - 14:48 Permalink
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Christoph Fran… Di., 10.11.2020 - 15:31

Antwort auf von Elisabeth Hammer

Frau Hammer, erlauben Sie mir eine Nachfrage. Entscheidend ist doch ab wann der 21. Tag gerechnet wird. Wird ab dem 25. Oktober gezählt als die Hausärztin dem Sanitätsbetrieb den positiven Schnelltest gemeldet hat und Sie in Quarantäne gehen mussten? Oder wird ab dem 2. November gezählt als das Hygieneamt das positive PCR-Ergebnis bescheinigt hat und damit die "offizielle Quarantäne" eingeleitet hat? Dann nämlich werden Sie frühestens am 24. November aus der Isolation entlassen. Was dann genau 30 Tage sind. Oder?

Di., 10.11.2020 - 15:31 Permalink
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Elisabeth Hammer Di., 10.11.2020 - 19:37

Antwort auf von Christoph Fran…

So steht es auch auf der Homepage des Sanitätsbetriebes in der Mitteilung zur Verkürzung der Quarantäne-Zeit auf 10 Tage:

"Langfristig positive Fälle

Personen, die zwar seit mindestens einer Woche keine Symptome mehr aufweisen, aber weiterhin ein positives Ergebnis bei einem PCR-Test haben, können die Isolation nach 21 Tagen nach dem Auftreten der Symptome abbrechen. Dieses Kriterium kann von den Gesundheitsbehörden im Einvernehmen mit klinischen Experten und Mikrobiologen/Virologen unter Berücksichtigung des Immunstatus der betroffenen Personen angepasst werden (bei immungeschwächten Patienten kann die Dauer der Isolation verlängert werden)."

Di., 10.11.2020 - 19:37 Permalink
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Peter Liensberger Di., 10.11.2020 - 09:05

Ich verstehe, dass die Situation mehr als angespannt und kritisch ist, dass das System kurz vor dem Kollaps steht, und dass deshalb jeder von uns aufgerufen ist, seinen Beitrag zu leisten und die uns auferlegten "Hausaufgaben" zu machen. Was mich einfach ärgert und traurig stimmt ist der Umstand, dass niemand die "Hausaufgaben" anspricht, welche von den verantwortlichen Stellen im Laufe des Sommers, wo es möglich gewesen wäre, NICHT erledigt worden sind. Oder kann mir jemand sagen, welche Maßnahmen getroffen worden sind, um die nächste Welle, welche so sicher war wie das Amen im Gebet, abzufedern?

Di., 10.11.2020 - 09:05 Permalink
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Profil für Benutzer evelin tschenett
evelin tschenett Di., 10.11.2020 - 11:45

Antwort auf von Peter Liensberger

@Liensberger dieselbe Frage stelle ich mir auch. Zudem handelt es sich ja immer um denselben Virus weltweit, aber unser Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps, obwohl wir weniger Infizierte haben als anderswo. Also haben wir das schlechteste Gesundheitssystem der Welt? Wer übernimmt jetzt die Verantwortung und trägt die Konsequenzen? Ich hoffe, nicht nur wir Bürger/Innen?

Di., 10.11.2020 - 11:45 Permalink
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Profil für Benutzer Thomas Unterwinkler
Thomas Unterwinkler Di., 10.11.2020 - 13:47

Antwort auf von evelin tschenett

„… obwohl wir weniger Infizierte haben als anderswo“:
Wo gibt’s denn derzeit mehr Infizierte, Frau Tschenett?? Südtirol hat derzeit eine 7-Tages-Inzidenz von 792 (!). Schaut man z.B. nach Österreich, so stehen derzeit Oberösterreich mit einem Wert von 730 und Vorarlberg mit einem Wert von 715 am schlechtesten da. Und auch in diesen beiden Bundesländern werden bereits die Intensivbetten knapp.

Di., 10.11.2020 - 13:47 Permalink
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Thomas Unterwinkler Di., 10.11.2020 - 12:07

Antwort auf von Peter Liensberger

Was getan wurde: Die Anzahl der Intensivbetten wurde fast verdreifacht, von 35 auf ca. 90. Ein weiterer Ausbau wäre wohl schon allein deshalb nicht möglich gewesen, weil nicht ausreichend Personal zur Verfügung steht, um weitere Betten zu bepflegen. Es ist - im Übrigen europaweit - auch kein entsprechendes Personal „auf dem Markt“.
Was verabsäumt wurde: Es wurde kein funktionierendes bzw. belastbares Contact Tracing-System aufgebaut. Soweit bekannt, besteht das Team, das Kontakte nachverfolgen soll, aus insgesamt 18 (!!) Personen. Das ist viel zu wenig! Zum Vergleich: In Wien besteht dieses Team derzeit aus 460 Personen und soll bis Jahresende auf 750 Personen ausgebaut werden. Setzt man diese Zahlen ins Verhältnis zur Einwohnerzahl, dann müssten in Südtirol 140 Contact Tracer im Einsatz sein, um auf die (derzeitige) Ausstattung von Wien zu kommen.
Der fehlende Ausbau des Contact Tracing-Teams ist meiner Meinung nach ein schwerwiegender Fehler, zumal für diese Tätigkeit keine besondere Ausbildung notwendig ist und eine Einschulung in relativ kurzer Zeit erfolgen kann. In Deutschland z.B. werden Bundeswehrsoldaten nach kurzer Einschulung für das Contact Tracing eingesetzt.
Das Versäumnis ist auch deshalb so groß, weil es nach einem Lockdown und einem gesunkenen Infektionsgeschehen essenziell ist, dass das Contact Tracing gut funktioniert, um die Zahlen niedrig zu halten.

Di., 10.11.2020 - 12:07 Permalink
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Stefan S Di., 10.11.2020 - 19:54

Am Besten wäre es Prof. Gänsbacher mehrfach zu klonen dann bräuchte man sich auch nicht über die Wirksamkeit von Bildern auseinander zu setzen.

Di., 10.11.2020 - 19:54 Permalink
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Nadine Laqua Di., 10.11.2020 - 21:10

Die kommenden Massentests werden einen Großteil der Südtiroler in die Quarantäne befördern und das überlastete Laborwesen endgültig kollabieren lassen. Eine völlige Verdummung... freiwillig und gratis.

Di., 10.11.2020 - 21:10 Permalink