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Gesellschaft | Lockdown-Tagebuch

Tag 1: Eisbecher

Der James Bond hatte halt wieder einmal recht, als er meinte: Sag niemals nie. Jetzt ist also wieder strenges Fasten angesagt.

Liebes Tagebuch,

jetzt sind wir also wieder da, wo wir dachten, dass wir nie mehr sein werden: im Lockdown. Ich habe überall herumposaunt, dass der nicht mehr kommen wird, weil das ja mehrfach so versichert wurde, aber schau her: Der James Bond hatte halt wieder einmal recht, als er meinte: Sag niemals nie. Ich hätte im Moment auch lieber James Bond als Entscheidungsträger. Der würde im Maßanzug Martini schlürfen und das Virus einfach erschießen, Ende aus, aber stattdessen haben wir Landesrat Widmann. Landesrat Widmann meinte gestern in der Tagesschau sowas wie Tja liebe Leute, ihr wolltet alles offen haben, wir sind euch entgegengekommen: Jetzt haben wir den Salat. Das ist doof. Eine Bekannte hat mir erzählt, dass sie als Kind den Vater einmal so lange um Eis gebettelt hat, bis er sie bis zum Bauchkrampf hat Eis essen lassen. „Iatz speib lei!“ Offenbar ist das also die Erziehungsstrategie, die wir derzeit erfahren. Das ist ernüchternd, weil man doch mit dem wohlwollenden pater familiae gerechnet hat, der rechtzeitig „Stopp!“ sagt, und nicht erst, wenn uns das Eis schon bei den Ohren rauskommt. Nun gut. Jetzt ist also wieder strenges Fasten angesagt. Dabei winkt in der Ferne schon der nächste üppige Eisbecher, dessen Anblick zum derzeitigen Moment nur Übelkeit verursachen kann: Dolomiti Superski plant die Wintersaison, Motto: „We care about you“. Ich care so langsam about das, dass wir nicht zu einer Gesellschaft mit bipolarer Störung mutieren, vom depressiven Lockdown in die euphorische Aufhebung desselben und dann pronto wieder zurück und immer so weiter. Dass wir uns langfristig bei bestimmten Dingen einschränken statt diesem „Alles zu, alles auf“. Aber was weiß ich schon, außer: Alles wird gut.

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Elisabeth Garber Mo., 09.11.2020 - 20:16

Genau das kann ich nimmer sehen und hören " Alles wird gut" - " Tutto andra' bene", nie geglaubt. Und nachdem mir der Satz eines "Alten" (sorry!) in die Quere kam, nämlich, dass der einzige Grund eine Maske zu tragen *für ihn* jener sei, dass die Intensivbetten in den Spitälern begrenzt seien...hätte ich, die Ohrenzeugin, einem wildfremden Senior nicht nur gerne eine geschmiert sondern auch die anderen beiden Senioren zurechtgewiesen, dass in Innenräumen, wenn nicht grad beim Essen & Trinken, der M/N-schutz angesagt wäre.
Seitdem weiss ich es ganz genau (seit 1 Woche ca.): nicht nur die Landesregierung samt Opposotion hält einen zum Narren, nein, auch eine ganze Reihe von Artgenossen tun es ihnen gleich.

Mo., 09.11.2020 - 20:16 Permalink
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Cornelia Kupa Di., 10.11.2020 - 15:58

Ich muss mir mal meine Gedanken von der Seele schreiben, denn mittlerweile kocht es in mir.
Leider kommt sich ein Großteil der Bevölkerung wirklich, entschuldigt den Ausdruck, mittlerweile verarscht vor.
- Seit 2 Wochen haben wir anhaltend jeden Tag neue Regelungen, wo man sich fragt, ob die Verantwortlichen sich vorher mal 5 Gedanken gemacht haben.
- Jeder hat im Sommer von dieser famosen 2.Welle gesprochen. Die Bevölkerung durfte ja hoffen, dass dies nicht geschieht, doch die Politik hätte reagieren müssen. Wir leben wie in einer Kriegssituation, also hätten meiner Meinung nach Container als Lazerette aufgestellt werden müssen, damit das System nicht wieder an die Grenzen kommt. Ein Department im Land hat versagt und nun müssen es Wirtschaft samt Handel, Handwerk, Tourismus, Bildung, Kultur, usw. büsen?
- So tragisch es ist, dass viele mit dem Virus sterben, so ist jedoch nicht zu verachten, dass wir mittlerweile viele Menschen und Familien im Land haben, die um ihre Existenz bangen. Die Schließung von Geschäften und Hotels lässt manch einen Unternehmer nachts nicht mehr schlafen. Die Zahlen an Suiciden, Arbeitsunfähigen aufgrund Depressionen beachtet hier wohl niemand.
- Die Aussetzung anderer medizinischer Leistungen verstehen wohl auch jene nicht, die seit Monaten auf Operationen oder Visiten warten. Vorsorgeuntersuchungen, bei denen man teilweise schon über ein Jahr wartet (z.B. Mammografie), verschieben sich wieder. Sind dann solche Patienten, die an Krebs oder Herzinfarkten sterben, weil sie ihre Behandlungen oder Operationen nicht mehr bekommen, auch an oder mit Covid gestorben?
- Die Strategie, der Bevölkerung die Schuld an dem ganzen Dilemma zu geben, finde ich schon sehr bedenklich. Und auch die heutige neue Ansage, dass die Schulen nur öffnen, wenn sich 80% der Bevölkerung testen lässt. Die Politik redet mit uns wie mit einem Kind: "wenn du das machst, dann kriegst du ein Bonbon." (Angstmachkampagne nicht zu vergessen) Und wie bitte sollen diese Test in einer Woche durchgeführt werden, wenn wir bereits am Limit bei den Tests sind und so manch einer bis zu 10 Tage momentan auf einen Testtermin wartet?

Fragen über Fragen, die ich mir als Südtiroler Bürgerin jeden Tag stelle, um zu verstehen, wieso wir uns wieder in so einem Alptraum befinden, der so schnell nicht zu enden scheint. Ich hoffe, dass ich wirklich bald von diesen Traum aufwache und sagen kann: Es war ja nur ein böser Traum. Alles wird gut.

Di., 10.11.2020 - 15:58 Permalink
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Profil für Benutzer G. P.
G. P. Di., 10.11.2020 - 19:41

Antwort auf von Cornelia Kupa

"Und auch die heutige neue Ansage, dass die Schulen nur öffnen, wenn sich 80% der Bevölkerung testen lässt."
Das nenne ich mal eine versteckte Erpressung.

"Und wie bitte sollen diese Test in einer Woche durchgeführt werden"
Nein, nicht in einer Woche, in drei Tagen (20./21./22.11.).

Di., 10.11.2020 - 19:41 Permalink