Gesellschaft | Coronatest

„Maßnahme immediat umzusetzen“

Die Sanitätsspitze hat jetzt eine schriftliche Dienstanweisung erteilt, um die Misere mit den Schnelltests der Hausärzte zu regeln. Es ist aber nur eine halbe Lösung.
Regele, Dagmar
Foto: LPA
Es ist die Tageszeitung-Online, die das Originalschreiben veröffentlicht hat.
In dem Brief, der an die Leiterin des Departments für Gesundheitsvorsorge Dagmar Regele geht - und zur Kenntnisnahme an Landesrat Thomas Widmann sowie an die ebenfalls zuständigen Amtsdirektoren im Sanitätsbetrieb Isabella Mastrobuono und Michele Balsamo - wird eine klare Dienstanweisung erteilt.
Der Generaldirektor des Sanitätsbetriebes, Florian Zerzer, und Sanitätsdirektor Pierpaolo Bertoli wollen mit dem Schreiben eine absurde Situation beenden. Im Brief mit dem Betreff „Antigen-Schnelltests - Quarantäne- und Isolationsverfügungen“ heißt es:
 
Frau Primarin Dr. Regele.
hiermit fordern wir sie auf, ab sofort Menschen, die von Hausärzten mit Antigen-Schnelltests positiv auf SARS-Cov-2 getestet worden sind und eindeutige Symptomatik aufweisen, die vom Hausarzt bestätigt wird, unverzüglich in Erwartung der Bestätigung durch einen PCR-Test in häusliche Isolation zu versetzen.
Es ist aus unserer Sicht unverantwortlich, das Risiko einzugehen, dass solche Patienten aufgrund verspäteter Quarantäne- oder lsolationsverfügungen weitere Tage frei zirkulieren können und zusätzliche Menschen anstecken.
 
 
Aufgrund der aktuellen lnfektionslage in unserem Lande ist diese Maßnahme absolut dringlich und daher immediat umzusetzen.
Diese Information ist umgehend allen ÄrztInnen des epidemiologischen Dienstes weiterzuleiten.“
 
Dabei ist diese Dienstanweisung nur ein erster Schritt, aber noch keine Lösung.
 

Die Problematik

 
Seit Wochen liegen Südtirols Hausärzte der Sanitätsführung und der für die Quarantäne zuständigen obersten Verantwortlichen im Südtiroler Sanitätsbetrieb, Dagmar Regele, in den Ohren.
Die Ärzte haben dabei ein großes Problem benannt. Seit Anfang Oktober führen Südtirols Hausärzte Antigen-Schnelltests durch. Ist ein Patient positiv, melden sie diesen umgehend dem Hygieneamt. Das Problem dabei: Die Hausärzte sind anscheinend nicht befugt, eine amtliche Quarantäne über den positiven Patienten zu verhängen. Diese Amtsgewalt hat in Südtirol nur das Hygieneamt, das aber für diese Verfügung bisher den positiven PCR-Test abgewartet hat. Bis es dazu kommt, vergehen aber meistens einige (auch 5 bis 10) Tage.
 
 
Die Folgen: Entweder der positiv getestete Patient begibt sich in der Zwischenzeit aus Eigenverantwortung selbst in Isolation, oder er bewegt sich bis zur offiziellen Bestätigung und Verfügung des Hygieneamtes frei herum. Was formal sein Recht ist.
 

Politische Rückendeckung

 
Mehrmals haben die Vertreter der Hausärzte und Hausärztinnen auf den Sitzungen der eigens eingerichteten Task Force auf diese absurde Situation hingewiesen. Zuletzt auf der Sitzung am vergangenen Freitag.
Die Präsidentin der Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SÜGAM) Doris Gatterer musste nach der Sitzung ihre Kollegen in einer Rundmail vertrösten:
 
„Wir sind immer noch in Erwartung eines Algorithmus für die Antigen-Schnelltests und einer Verordnung, die uns die Möglichkeit gibt, jemand unmittelbar in Quarantäne zu versetzen, der einen positiven Schnelltest oder eindeutige Symptome aufweist. ..[…]… Zu dieser Möglichkeit, unmittelbar die Quarantäne zu verhängen, wird es ein Treffen zwischen Dr. Burger und den Sprengelhygienikern geben, die diese Aufgabe übernehmen könnten. In der nächsten Woche werden wir klarereVorstellungen haben, wie diese Lösung ausschauen könnte.“
 
 
Günther Burger ist der Ressortchef von Gesundheitslandesrat Thomas Widmann. Damit wird klar, dass die Sanitätsspitze sich nicht getraut hat, diese Entscheidung alleine zu treffen. Man wollte sich eine Kurskorrektur, die Wochen zu spät erfolgt ist, politisch absegnen lassen. Das dürfte jetzt passiert sein. Nur ist damit wieder eine Woche vergangen, in der Hunderte Positive potenziell frei herumlaufen bzw. effektiv herumgelaufen sind.
Vor allem aber ist die klare Dienstanweisung, die Florian Zerzer und Pierpaolo Bertoli jetzt erteilt haben, nur die halbe Lösung. Sie betrifft nur „Menschen, die von Hausärzten mit Antigen-Schnelltests positiv auf SARS-Cov-2 getestet worden sind und eindeutige Symptomatik aufweisen“.
Was aber passiert mit den asymptomatischen Fällen? Jenen, die beim Schnelltest beim Hausarzt positiv sind, aber keinerlei Symptome zeigen?
Es ist ein großer Teil der Patienten. Sie werden weiterhin so behandelt werden wie bisher.
Und man kann nur hoffen, dass sie freiwillig zuhause bleiben.
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Peter Gasser Fr., 13.11.2020 - 12:42

Wundern wir uns über unsere katastrophale Situation und über 820 neue Infektionsfälle innerhalb eines Tages, wenn positiv getestete Person amtlich bescheinigt und mit Wissen von Ärzten und Sanität, frei zirkulieren dürfen/können?
... denn Die wissen nicht, was sie tun...

Fr., 13.11.2020 - 12:42 Permalink
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Bruno Pasquazzo So., 15.11.2020 - 12:39

In dem beigefügten Schreiben der Sanitätsdirektion fällt neben der von Herrn Franceschini bereits gerügten Uneindeutigkeit bezüglich des Vorgehens bei positiv Getesteten die rüde Anrede auf. Kein "Sehr geehrte", "Werte" oder gar "Geschätzte". Das ist nicht schlechter, das ist überhaupt kein Stil. Des weiteren taucht am Ende des Schreibens das interessante Wörtchen "immediat" auf. Nun, mit Fremdwörtern ist es so eine Sache: oft klingen sie bloß gut und täuschen Kompetenz vor. Im Südtiroler Deutsch haben einige Italianismen ihren Platz gefunden, man denke etwa an die im Deutschen unsinnigen Pluralformen von Problematik, Thematik, oder Polemik. Letzteres hat hierzulande das Wort "Auseinandersetzung" unnötigerweise fast vollkommen verdrängt, während man es im deutschsprachigen Ausland nur dann findet, wenn die Qualität einer Auseinandersetzung beschrieben werden soll (sachlich oder eben polemisch). Ein eindeutiger Italianismus begegnet uns auch in dem erwähnten "immediat". Im Schreiben ist eindeutig "sofort, unverzüglich" (=immediatamente) gemeint. Immediat bedeutet zwar unmittelbar, aber nicht in einem zeiträumlichen, sondern in einem hierarchischen Sinne, man denke hier an reichsunmittelbare, also direkt dem Kaiser unterstellte Städte, Abteien o.ä. Man kann nur hoffen, daß dieses Wort sich nicht in falschem semantischem Gewand in unserer Sprache einnistet, wie es mit der im Duden unauffindbaren "Modulistik" für "Vordrucke" bereits geschehen ist. Was ist bitte so schlecht an dem deutschen Wort? Beim Gebrauch von Fremd- oder Lehnwörtern ist jedenfalls Vorsicht geboten, man steht sehr schnell im Unterhemd da - wie geschehen.
Gibt es unter der Heerschar von Landesangestellten wirklich niemand, der offizielle Schreiben korrekturlesen könnte?

So., 15.11.2020 - 12:39 Permalink