Wirtschaft | Interview

“Cannabis-Konsum ohne Rausch”

Hanf-Experte Markus Trojer spricht über CBD und drogenpolitische Widersprüche zwischen der Legalisierung von Cannabis und dem drohenden Cannabis-light-Verbot.
Markus Trojer
Foto: Markus Trojer

Anstatt wie bisher die Zulassungs-Anträge zur Novel Food Deklarierung von Produkten mit natürlichem Cannabidiol, kurz CBD weiterzubearbeiten, macht die EU-Kommission eine unerwartete Kehrtwende und plant die Einstufung von CBD als Betäubungsmittel. Damit würde der nichtberauschende Inhaltsstoff der Cannabispflanze verboten werden und ein junger, nahezu explodierender Wirtschaftszweig untergehen. salto.bz hat mit Markus Trojer gesprochen, dem Geschäftsführer des Meraner Unternehmens Sea of Green, der ersten Südtiroler Hanfzuchtanlage unter Laborbedingungen.

salto.bz: Herr Trojer, erklären Sie in ein paar einfachen Worten Ihr Produkt.

Markus Trojer: Unsere Produkte enthalten CBD, welches oft auch Cannabis light genannt wird. CBD ist ein natürlicher Wirkstoff aus der Hanf-Pflanze. Die WHO hat das Cannabinoid aus der weiblichen Hanfpflanze aufgrund der guten Verträglichkeit und dem fehlenden Missbrauchspotenzial als unbedenklich eingestuft. Der berauschende Wirkstoff THC liegt bei CBD-Produkten bei unter 0,2%. Der Inhaltsstoff CBD wirkt auf viele Menschen bewiesenermaßen positiv und wird zur Behandlung verschiedener Krankheitsbilder eingesetzt. Medizinische Erfolge wurden beispielsweise bei Krebs, Multiple Sklerose, ADHS und Depressionen erzielt. CBD wirkt angstlösend, beruhigend, entzündungshemmend, schlaffördernd und schmerzlindernd. CBD wird in Altersheimen und in der Komplementärmedizin angewendet. Die meisten unserer Kunden sind über 35 Jahre alt und genießen den Konsum ohne Rausch.

Wie erklären Sie sich das drohende Verbot der EU-Kommission?

Die CBD-Branche verzeichnet seit ein paar Jahren eine unvergleichliche Erfolgsgeschichte. In den USA ist die Legalisierungs-Welle nicht mehr aufzuhalten: In 15 Bundesstaaten wurde Cannabis bereits komplett legalisiert, in 16 weiteren US-Bundesstaaten wurde Cannabis entkriminalisiert und in 35 von 50 US-Bundesstaaten ist der Gebrauch von Cannabis zur medizinischen Behandlung legalisiert. In Ländern wie Kanada und Colorado, wo Cannabis bereits seit längerer Zeit legal erworben werden darf, sank der Bedarf an opiathaltigen Medikamenten drastisch, was eine Reduzierung der Todesfälle bewirkte. In Colorado beispielsweise ist der Konsum von opiathaltigen Medikamenten um 28% und die Todesfallrate durch eine Überdosierung um 8% zurückgegangen. Auch in Europa erfreut sich Hanf an zunehmender Beliebtheit und das hauptsächlich durch das CBD. Aber bevor die Welle komplett überschwappt, wird sie plötzlich versucht zu stoppen. Und das obwohl die EU bereits ein erhebliches Maß an Kosten und Zeit in die Verfahrenszulassungen für CBD investiert hat.

Durch die Legalisierung von Cannabis light weiß der Kunde über das Produkt und seine Inhaltsstoffe Bescheid

Glauben Sie, dass die Pharmalobby dahintersteckt?

Ob die Pharmalobby dahinter steckt können wir so nicht behaupten, da wir hierfür keine Belege haben. Aber wir wissen, dass synthetisch hergestelltes CBD auf jeden Fall weiterhin erlaubt sein soll. Künstliches Isolat kann bislang nur von wenigen Unternehmen hergestellt werden, die bestimmte technische wie auch rechtliche Bedingungen erfüllen können. Die Herstellung von Isolaten mit höchsten Reinheitsgrad kann nur mit speziellen, hochentwickelten Geräten produziert werden und diese können sich bisweilen nur große Pharmaunternehmen leisten. Selbstverständlich geht es hier um jede Menge Geld.

Dieses drohende Verbot ist nicht der erste Stein der euch in den Weg gelegt wurde?

Nationale verwaltungstechnische Schritte gegen unsere Branche sind wir fast schon gewöhnt. Zuerst drohte Matteo Salvini im Frühjahr 2019, alle Hanf-Shops zu schließen. Erst kürzlich hat ein Rundschreiben des Gesundheitsministeriums dafür gesorgt, dass in der Corona-Pandemie das medizinische Cannabis aus der Apotheke im Gegensatz zu anderen Medikamenten nicht mehr per Post versendet werden darf, obwohl es Menschen gibt, deren Gesundheit davon abhängt. Über Nacht zum 30.Oktober 2020 wurde CBD in Italien plötzlich als Betäubungsmittel eingestuft und ein paar Tage später wurde dieses Dekret vom Gesundheitsministerium unter Roberto Speranza wieder ausgesetzt. Man möchte meinen, diese Verwaltungsorgane hätten in Zeiten einer Pandemie andere Sorgen... Übrigens gab es in Italien vor vier Jahren ein Volksreferendum bei dem 65.000 Unterschriften für die Legalisierung von Cannabis gesammelt wurden, aber die Kiste mit den Unterschriften scheint irgendwo in einem Büro zu verstauben.

Während es in Südtirol gesellschaftlich akzeptiert ist, sich am frühen Morgen mit Weißwein zu betrinken, wird ein Schmerzpatient, der drei Marihuana-Pflanzen zu Hause hat, als krimineller Drogendealer mit Hanfplantage abgestempelt

Wäre Ihrer Meinung nach, eine komplette Legalisierung von Cannabis sinnvoll?

Unbedingt! Menschen therapieren sich mit Cannabis schon seit Ewigkeiten selbst und werden das auch immer tun. Wie sinnvoll ist da eine Kriminalisierung? Kontrollierter Anbau und Verkauf würden Arbeitsplätze schaffen und somit die Wirtschaft und den Staat stärken. Vom illegalen Marihuana-Geschäft profitieren vor allem mafiöse Strukturen und Terrororganisationen, wie der Jihad, während Hersteller, Verkäufer und vor allem Konsumenten sich einer hohen Gefahr aussetzen. Auf dem Schwarzmarkt gibt es kein natürlich extrahiertes CBD, der Konsum ohne den berauschenden Wirkstoff THC ist also kaum möglich. Die Verbraucher bekommen ein gestrecktes, undurchsichtiges Produkt. Durch die Legalisierung von Cannabis light weiß der Kunde über das Produkt und seine Inhaltsstoffe Bescheid. Es gibt mittlerweile empirische Befunde, die zeigen, dass in den Ländern in denen Cannabis legalisiert wurde, der Konsum bei Jugendlichen stark zurückging. Aus den Studien geht hervor, dass die hauptsächlichen Konsumentenzuwächse bei Menschen über 60 Jahren stattfindet und eben nicht bei Jugendlichen. Dafür soll es mehrere Gründe geben, einer der wichtigsten ist der kontrollierte Absatz. Die Schwarzmärkte sind weniger geworden und somit haben die Jugendlichen es schwerer an Cannabis zu gelangen. Ein weiterer Grund ist, dass Cannabis vermehrt als Therapeutikum gesehen wird und nicht mehr als Partydroge.

 

Kritiker sprechen gerne von Cannabis als Einstiegsdroge oder von Langzeitfolgen für das Gehirn. Sehen Sie hier gar keine Gefahren?

Viele Kritiker sehen Cannabis als Einstiegsdroge. Doch diese Behauptung wurde längst von Studien widerlegt. In unserer Gesellschaft ist die Einstiegsdroge der Tabak. Dies ist die erste Substanz, die uns in die Abhängigkeit geleiten lässt. Gefolgt auf Tabak kommt Alkohol. Wie wir wissen, ist bis heute noch niemand direkt oder indirekt am Konsum von Cannabis gestorben. Bei Alkohol sieht die Situation wesentlich anders aus. Laut dem Landesgesundheitsbericht von 2019 weisen 38% der Einwohner in Südtirol einen Alkoholkonsum mit erhöhtem Risiko auf. Aber die Situation ist sehr zwiespältig. Auf einer Seite ist jeder Konsum von Cannabis mit Risiken verbunden und auf der andren Seite wird Cannabis als Medizin eingesetzt. Alkohol habe ich bis heute noch nie von einem Arzt verschrieben bekommen.

Die Einstellung der Strafverfolgung von Cannabisdelikten und die Einführung einer Cannabis-Steuer würden dem Staat Millionen bringen

Wie stehen die Chancen für einen legalen Cannabis-Konsum Südtirol?

Das Thema ist bei uns noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Während es in Südtirol gesellschaftlich akzeptiert ist, sich am frühen Morgen mit Weißwein zu betrinken, wird ein Schmerzpatient, der drei Marihuana-Pflanzen zu Hause hat, als krimineller Drogendealer mit Hanfplantage abgestempelt. Hier leisten natürlich auch die Medien ihren Beitrag. In Italien gibt es durchaus Politiker, die sich für eine Legalisierung aussprechen. Südtirol könnte unter diesen Voraussetzungen richtige Pioniers-Arbeit leisten. Wir wissen beispielsweise, dass wir in Südtirol 35-40 Kilogramm medizinisches Cannabis pro Jahr herstellen müssten um die Nachfrage abdecken zu können. Eine zugelassene, medizinische Produktion wäre durchaus realistisch und könnte von Betrieben wie uns umgesetzt werden. Wir und andere Kolleginnen und Kollegen in der Branche haben bereits jetzt den Anspruch super transparent zu sein, damit unsere Kundinnen und Kunden genau wissen, was das jeweilige Produkt enthält und wie die Inhaltsstoffe wirken. Es gibt ja bereits einen sehr gut funktionierenden, illegalen Markt, der nur auf eine legale Ebene gebracht werden müsste. Sehr wichtig dabei wäre der direkte Kontakt zu Fachärzten und der verstärkte Aufbau von Aufklärungs- und Präventionsprogrammen. Die Einstellung der Strafverfolgung von Cannabisdelikten und die Einführung einer Cannabis-Steuer würden dem Staat Millionen bringen. Dieses Geld könnte wiederum sinnvoll investiert werden.

Was würde hingegen das EU-Verbot für euch und die Branche bedeuten?

Wir müssten zusperren und alle anderen Kollegen in der Branche ebenso.

Was wäre mit Shops in den Niederlanden oder Spanien, wo Cannabis bereits legalisiert wurde?

Die holländischen Coffeeshops und die spanischen Social Clubs widersprechen bereits der EU-Norm, weil sie Cannabisprodukte auch mit berauschendem Wirkstoff anbieten. Diese Shops wurden bis heute geduldet und werden auch weiterhin bestehen. Ein gut etablierter Coffeeshop in Amsterdam verkauft im Schnitt 100 Kilogramm Cannabis am Tag. Wenn man sich ausrechnet, wie viele Steuereinnahmen dadurch generiert werden, bin ich sicher, dass dort niemand zusperren muss.

Viele Kritiker sehen Cannabis als Einstiegsdroge, doch diese Behauptung wurde längst von Studien widerlegt

Wie sieht Sea of Green mit dieser Ungewissheit in die Zukunft?

Ich sehe für unsere Zukunft eine 50/50 Chance. Einen Tag wache ich mit einem guten Gefühl auf, weil die Branche stetig wächst und enormen Zuspruch bekommt. Am nächsten Tag lese ich von einem neuen Attentat auf die CBD-Branche und plötzlich ist wieder alles offen.

Was gibt Hoffnung?

Wir erfahren tagtäglich Unterstützung von unseren Kundinnen und Kunden, aber auch von den öffentlichen Körperschaften wie beispielsweise der Handelskammer und dem Amt für Landwirtschaft. Wir sind sehr froh, dass wir im Standort Südtirol angesiedelt sind, denn auch die örtliche Verwaltung hat uns in unserem Vorhaben immer bestmöglich unterstützt. Eine weitere Chance sehen wir in der Kommunikation dieses Themenkomplexes und einer Sensibilisierung dafür, um die Mitte der Gesellschaft zu erreichen. Das beseitigt Vorurteile und ermöglicht einen öffentlichen Diskurs.

 

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    Manfred Gasser Fr., 20.11.2020 - 10:08

    Antwort auf von Arne Saknussemm

    Na dann erklären Sie mal bitte, was in Ihrem ersten Kommentar steht, das man verstehen sollte, und das mit dem Humor sollten Sie noch etwas üben.
    Ich habe die Petition schon vor einiger Zeit unterschrieben, da ich persönlich involviert bin. Oder anders gesagt, ich lache gerne wie Herr Troyer, wenn die Schmerzen dank Cannabis mal für ein paar Stunden erträglich sind.

    Fr., 20.11.2020 - 10:08 Permalink