Gesellschaft | Schule

„Wir hatten ein Riesenglück“

Die ladinische Schulamtsleiterin Edith Ploner verteidigt das Vorgehen der Abteier Schulleitung, die Vorgaben kommen vom Sanitätsbetrieb und alle Maßnahmen sind rechtens.
Ploner, Edith
Foto: LPA
Salto.bz: Frau Schulamtsleiterin Ploner, in der Grundschule St. Kassian durften Schülerinnen und Schüler, die am freiwilligen Massentest nicht teilgenommen haben, am Dienstag nicht in die Schule gehen. Sie verteidigen diese Vorgangsweise?
 
Edith Ploner: In der Grundschule St. Kassian gibt es eine positiv getestete Lehrperson. Aufgrund der geltenden Bestimmungen hat die Direktorin als Vorsorgemaßnahme die betroffenen Klassen in Fernunterricht versetzt. Ich hatte persönlich am Sonntag Kontakt mit dem Departement für Hygiene und Prävention, normalerweise hätten alle fünf Klassen in Quarantäne versetzt werden müssen. Nun hat der Hygienedienst gesagt, wer beim Massentest zwei Tage vorher negativ getestet wurde, der braucht nicht in Quarantäne zu gehen. Das wurde mit der Direktion vereinbart. Wir hatten also ein Riesenglück: Dank des Massentests zwei Tage vor der Wiederöffnung des Präsenzunterrichts mussten nicht fünf Klassen, sondern nur einige wenige Schüler*innen im Fernunterricht bleiben, und auch das nur für weitere 1 bzw. 2 Tage, weil die Klassen ja schon vorher eine Woche in Fernunterricht waren wie alle anderen auch.
 
Und Sie haben kurzerhand ein neues Gesetz geschrieben?
 
Diese Bestimmungen zu erlassen, ist schon Aufgabe des Landeshauptmanns. Und die nimmt er auch verantwortungsvoll wahr: Sie brauchen sich nur die Dringlichkeitsmaßnahme Nr. 68 des Landeshauptmannes vom 08.11.2020 durchzulesen, da heißt es in Artikel 19: “Falls eine Schulführungskraft Kenntnis über ein positives COVID-19-Testergebnis eines/einer Schüler*in, einer Lehrperson oder eines/einer Mitarbeiter*in für Integration der jeweiligen Schule erlangt, verfügt sie auf Grund der ihr vorliegenden Informationen in Erwartung der Handlungsanweisungen des Sanitätsbetriebs organisatorische Maßnahmen zum Wechsel von Präsenzunterricht auf Fernunterricht und leitet gegebenenfalls die Sanifikation in die Wege“.
 
Das, was man in Abtei gemacht hat, steht hier aber keinesfalls?
 
Die Schuldirektorin ist befugt, im Falle von positiv getesteten Personen in der Schulgemeinschaft umgehend den Fernunterricht einzuleiten. Das ist auch richtig so: Diese erste Vorsichtsmaßnahme kann die Direktorin sofort ergreifen. Wie wir alle wissen, kommt das offizielle Ergebnis eines PCR-Tests oft erst nach mehreren Tagen. Es wäre doch fahrlässig, bei einer positiv getesteten Lehrerin die Klasse weiter in Präsenzunterricht kommen zu lassen. In diesen Fällen müssen wir alle Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Das bedeutet, Verantwortung wahrzunehmen und die Familien vor Ansteckung zu schützen.
 
Sie sagen also, dass eine Schulführungskraft die Eltern auffordern kann zu erklären, ob sie ihre Kinder getestet haben oder nicht. Wer nicht getestet hat, muss zuhause bleiben. Und all das fußt auf einer Testaktion, die „freiwillig“ und vom Gesetz her nicht bindend ist?
 
Wir hatten Glück im Unglück: Jene Kinder, die durch den Massentest einen druckfrischen negativen Schnelltest vorzuweisen hatten, durften gleich wieder zum Präsenzunterricht – das ist doch gut! Denn wer ein negatives Testergebnis vorlegen konnte, wurde vom Hygienedienst dank Massentest sofort von Test und Quarantäne befreit, ohne einen weiteren Test machen zu müssen. Wer, warum auch immer, nicht beim Massentest dabei war, musste eben auf den Test durch den Hygienedienst warten, wie er nun einmal vorgeschrieben ist.
 
Mit Verlaub, niemand musste einen Test vorweisen. Wie Sie wissen, können und dürfen minderjährige Kinder nicht mit einem Testresultat herumwedeln. Sondern die Schule hat vorab jene herausgefischt, die am freiwilligen Test nicht teilgenommen haben und ihnen den Schulbesuch am Dienstag untersagt.
 
Schauen Sie, es geht alles von einer positiv getesteten Lehrperson aus. Vielleicht hätte man das in Ihrem Artikel von Anfang an kommunizieren sollen. Der Hygienedienst und die Schuldirektion haben gut zusammengearbeitet, mit gutem Ergebnis: Die meisten Kinder derselben Direktion wurden zum Präsenzunterricht zugelassen, ähnlich gut funktionierte es in einem analogen Fall in einer anderen Gadertaler Grundschule.
Wer, warum auch immer, nicht beim Massentest dabei war, musste eben auf den Test durch den Hygienedienst warten, wie er nun einmal vorgeschrieben ist.
Seit Freitag 13. November sind die Südtiroler Schulen aber geschlossen. Das heißt, seit einem möglichen Kontakt mit der positiv getesteten Lehrperson sind 11 Tage vergangen. 
 
Auch das war eine glückliche Fügung, diese Woche allgemeiner Fernunterricht: wenn die nicht gewesen wäre, hätte sich theoretisch gerade in dieser Zeit jemand anstecken können.
Und weil die Quarantäne nach den derzeitigen Bestimmungen bei nicht-getesteten Personen nicht länger als 14  Tage dauern darf, geht es bei den wenigen Kindern, die tatsächlich in Quarantäne mussten, nur noch um einen oder zwei Tage. Noch einmal zur Erinnerung: Die meisten Kinder durften, da sie der Gesundheitsbehörde einen frischen negativen Test vorlegen konnten, sofort zurück in den Präsenzunterricht!
 
Per Dekret haben Giuseppe Conte und auch Arno Kompatscher die Quarantäne – wie überall in Europa – vor sechs Wochen auf 10 Tage verkürzt. Und in Südtirol müssen Grundschulkinder, die zu einem überall als „freiwillig“ apostrophierten Test nicht hingegangen sind, 14 Tage in die häusliche Isolation. Ist das nicht absurd?
 
Die 14 Tage Quarantäne sind vorgegeben, das entscheiden ausschließlich die Gesundheitsbehörden. Die Direktorin kann diese Zeit nicht verkürzen. Dann schon würde sie fahrlässig handeln.
 
Spätestens mit dieser Auslegung kann von einem freiwilligen Test aber wohl nicht mehr die Rede sein?
 
Der Test am Wochenende war freiwillig. Über 350.000 Südtirolerinnen und Südtiroler haben sich daran beteiligt. Die Eltern können freiwillig entscheiden, ob es ihnen ein Anliegen ist, ihre Kinder früher in die Schule zu schicken und sie testen zu lassen oder die Tage der vorgeschriebenen Frist ohne Test abzuwarten. In diesem Fall geht es glücklicherweise um maximal 2 Tage. Hätte es am Wochenende nicht den Massentest gegeben, wären sämtliche Schülereltern dieser Schule vom Departement für Gesundheitsvorsorge zum Test eingeladen worden.
 
 
Weil nicht alle Eltern die E-Mail vom Montagabend gelesen haben, wurden einzelne Kinder am Dienstagfrüh von der Schulleitung vor ihrer Klasse wieder nachhause geschickt. Sie halten diese Vorgangsweise bei Grundschulkindern für eine pädagogisch vertretbare Maßnahme?
 
Mir ist nicht bekannt, dass Schüler*innen heute nach Hause geschickt worden wären.
 
Hat die Schule vordergründig nicht einen pädagogische Auftrag oder gehören die Schulverantwortlichen jetzt zur Gesundheitspolizei?
 
Noch einmal: Es ist verantwortungsbewusst und entspricht der Vorschrift, wenn eine Schulführungskraft bei einem positiven Fall die Klasse sofort in Fernunterricht versetzt.
Was die gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen anbelangt, müssen wir nach Protokoll und Vorschrift vorgehen. Dies ist Auftrag und Verpflichtung zugleich, abgesehen vom Verantwortungsbewusstsein, das wir alle haben sollten.
 
Man hat nie daran gedacht, die Schule ganz einfach zwei Tage später zu eröffnen?
 
Das wäre zwar möglich gewesen, aber unverhältnismäßig. Etwas deutlicher: Das wäre ungerecht gewesen gegenüber den vielen Familien, die gerade einen frischen negativen Test ihrer Kinder in Händen hielten, die länger als nötig daheim geblieben wären. Und diese sind weitaus in der Mehrheit.
Fernunterricht ist im übrigen auch Unterricht. Die Kinder wurden also nicht in ihrem Recht auf Unterricht beschnitten.
Die Schule hat noch am Sonntag die Namen der Nicht-Getesteten dem Sanitätsbetrieb mitgeteilt und am Montag wurden diese Kinder noch einmal zum Test vorgeladen. Gehört auch das zum Bildungsauftrag?
 
Welche Daten dem Departement für Gesundheitsvorsorge genau mitgeteilt wurden, kann ich derzeit nicht bestätigen. Wir sind verpflichtet, die Daten der Kontakte zu infizierten Personen dem Departement für Gesundheitsvorsorge mitzuteilen. Denn das ist im Contact-Tracing so vorgesehen. Nur so kann die Sanität die Vorsorgemaßnahmen umsetzen.
 
Sie gehen also davon aus, dass diese Vorgangsweise in Abtei völlig rechtens ist?
 
Die Direktorin hat korrekt und rechtens gehandelt, indem sie die fünf betroffenen Klassen sofort in Fernunterricht versetzt hat. Ebenso korrekt und angemessen war: Nachdem die meisten Kinder, dank dem Massentest zwei Tage vorher, ein negatives Testergebnis vorlegen konnten, durften all diese Kinder trotzdem weiter in den Präsenzunterricht. Letztendlich mussten, da bereits eine Woche allgemeiner Fernunterricht vergangen war, nur einzelne wenige Kinder im Fernunterricht bleiben, und auch das nur für ein bis zwei Tage. Fernunterricht ist im übrigen auch Unterricht. Die Kinder wurden also nicht in ihrem Recht auf Unterricht beschnitten. Im Gegenteil, die Schule hat durch den Aufwand des Fernunterrichts das Bildungsrecht auch für diese Kinder sichergestellt.
 
 
 
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Sanin Julian Mi., 25.11.2020 - 08:23

Uhm, also auf dem PDF des freiwilligen Massentests mit Titel "Bestätigung des Antigen-Schnelltest-Ergebnisses" von der Direktorin des Departements für Gesundheitsvorsorge, Dr. Dagmar Regele steht aber in kursiver Schrift:

"Gegenständliche Mitteilung stellt keinen Befund gemäß den geltenden Bestimmungen dar"

Abgesehen davon, dass der Schnelltest nur bei höherer Virusbelastung anschlägt, finde ich es ein wenig komisch, dass ein Ergebnis eines solchen Tests der ausdrücklich nicht als offizieller Befund gekennzeichnet wird, hergenommen wird um zu entscheiden wer zur Schule geht und wer nicht.

Mi., 25.11.2020 - 08:23 Permalink
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ceteris paribus Mi., 25.11.2020 - 08:54

In diesem Fall sehe ich auch keinen Skandal und möchte der Schulleiterin zur pragmatischen Vorgehensweise zustimmen.

Der Mutter und RA sei geraten, dass der Blick auf die Gemeinschaft manchmal ergiebiger ist, als ausschließlich jener auf die eigenen Interessen.

Mi., 25.11.2020 - 08:54 Permalink
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Frank Hofer Mi., 25.11.2020 - 09:33

Ich möchte vorausschicken, dass ich Christoph Franceschini für seine Recherchequalitäten bewundere. Seine Veröffentlichungen haben in der Vergangenheit des Öfteren bewiesen, dass in unserem Land viele Dinge nicht gut laufen und einzelne Personen sich zum Schaden der Öffentlichkeit bereichern wollen.

Die Recherche Fähigkeiten von Herrn Franceschini haben sich in diesem Artikel leider für kurze Zeit in den Lockdown verabschiedet. Die positive getestete Lehrperson und somit der Grund für die differenzierte Behandlung der Schüler in der Grundschule St. Kassian wurde vom Autor im vorhergehenden Artikel nicht genannt und auch in diesem Interview nur beiläufig erwähnt. Aus meiner Sicht sollte sich ein Journalist vorab die Frage stellen, warum die Direktorin einer Schule als Amtsperson solch weitreichende Maßnahmen ergreift. Ein Gespräch mit der Direktorin hätte hier schnell Klarheit verschafft.

Die Entscheidungsträger sind in diesen bewegten Zeiten nicht zu beneiden: Jede Maßnahme (wenn auch in guter Absicht ergriffen und im Sinne der Schüler) wird einseitig kritisiert bzw. im schlimmsten Fall rechtlich belangt…

Mi., 25.11.2020 - 09:33 Permalink
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Andreas Mozzelin Mi., 25.11.2020 - 21:19

Christoph Franceschini führt hier ein Verhör und nicht ein Interview. Frau Ploner hat bereits im ersten Absatz die Motivation sachlich und nachvollziehbar begründet.

Mi., 25.11.2020 - 21:19 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 25.11.2020 - 22:03

Es wäre besser, wenn Christoph Franceschini die Finger von den Themen lassen würde, von denen er nichts versteht. Es gibt genug andere Themen, wo er durchaus mitreden kann.

Mi., 25.11.2020 - 22:03 Permalink