Chronik | Meinunggsfreiheit

Information unter Druck

Die Einschüchterung von Journalisten und Zeitungen durch Zivilklagen ist eine Bedrohung für die Demokratie.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Libertà stampa
Foto: Fabio Petrini Cgil-Agb

Alle Versuche, eine Regel zur Beschränkung dieser Methoden einzuführen, waren bisher vergeblich.

Nicht nur durch Morde, Angriffe und Drohungen ist die Tätigkeit von Journalisten gefährdet. Auch haltlose Zivilverfahren bei Gericht gegen Einzelpersonen oder Zeitungen, um durch exorbitante Geldforderungen die Veröffentlichung unbequemer Nachrichten und Untersuchungen zu verhindern, gehören zum Repertoire.

Es handelt sich um ein wachsendes Phänomen, das die freie Information untergräbt und gegen das man sowohl auf europäischer, als auch auf italienischer Ebene, Maßnahmen ergreifen muss. Das italienische Parlament hat in der jüngsten Geschichte mehrfach versucht, den Straftatbestand der Verleumdung und der unbegründeten Klagen zu regeln und, im Falle einer Niederlage, durch die Einführung einer angemessenen Geldstrafe für den Kläger einzudämmen.

Es handelt sich um ein Problem das auch Europa betrifft. Auch wenn eine Anklage von den Gerichten als unbegründet beurteilt wird, bleibt der Angeklagte auf den Anwaltskosten sitzen.  Dies kann sehr teuer werden, denn meist wird die Gegenseite von prominenten Anwaltskanzleien vertreten, die langwierige Verfahren meist nicht scheuen.

Wenn man zusätzlich bedenkt, dass besonders junge Journalisten wenig bezahlt werden und auch keinen großen Rechtsschutz genießen, ist eine Selbstzensur fast die logische Folge.

Der Einsatz vieler Reporter, auch mit Gefahren für das eigene Leben, hat das Bewusstsein bezüglich die Gefahren durch organisierte Kriminalität und Korruption in ganz Italien und im übrigen Europa geschärft. Ein Gesetzesentwurf von Primo De Nicola, Senator der Fünf-Sterne-Bewegung und ehemaliger Journalist, der mit solchen Klagen bestens vertraut ist, sollte mehr Schutz gegen Gerichtsverfahren garantieren.

Der Vorschlag liegt allerdings unbearbeitet im Parlament. Böse Zungen behaupten, dass dies kein Zufall sei, denn auch Parteien und Politiker treten häufig als Kläger auf. Laut dem Präsidenten des FNSI, Giulietti, entsteht der Verdacht, „dass man die Ermittlungen gegen Misswirtschaft, die Mafia und die Korruption blockieren will, indem man diejenigen, die offen reden möchten, daran hindert”.

Laut Giulietti „steht nicht die Freiheit der Journalisten auf dem Spiel, sondern die Lebensfähigkeit der Demokratie im Lande, besonders in der momentanen Krise des Gesundheitswesens“.

Im Englischen ist die Klage-Methode als Slapp bekannt. Es steht für "strategische Klage gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit“. Konkret entspricht es einer Klage gegen Einzelpersonen oder Gruppen, mit dem alleinigen Ziel, sie angesichts einer eventuellen Entschädigung im Falle einer Niederlage vor Gericht, zu entmutigen oder einzuschüchtern.

Vor allem in den Vereinigten Staaten werden von Unternehmen Klagen gegen Verbände und Bürger eingereicht. Das Ziel ist eine präventive Verteidigung der eigenen Interessen gegen mögliche Sammelklagen, die sich gegen den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen oder die Vermarktung fehlerhafter oder gesundheitsschädlicher Produkte richten.

Im Bereich des Journalismus hingegen will man mit Zivilklagen gegen Zeitungen oder Journalisten unbequeme Nachforschungen unterbinden. Dies kann die freie Information einschränken, insbesondere von Freiberuflern oder Bloggern, die keinen Verleger mit einem effizienten Rechtsbüro im Rücken haben.

Das Risiko mit Schadensforderungen in der Größenordnung von Hunderttausenden von Euro wirkt meist lähmend. Aber auch Zeitungen und Fernsehen mit mittlerer und hoher Auflage müssen sich mit möglichen rechtlichen Vergeltungsmaßnahmen auseinandersetzen und sind gezwungen, beträchtliche Mittel in ihren Haushalten bereitzustellen, um sich notfalls in fragwürdige Rechtsstreitigkeiten mit ungewissem Ausgang einzulassen.

In den letzten Jahren waren auch Gewerkschaften, Berufsverbände und nationale und internationale Gremien nicht nur mit Gewalt und Drohungen konfrontiert, sondern haben sich auch mit einer Unzahl von fragwürdigen Klagen befassen müssen.

Früher zerrten Unternehmen und Politiker die Journalisten und die Medien vor Gericht. Heute benützen manchmal sogar verdächtige oder verurteilte Personen diese Methoden, um Geldforderungen zu stellen.  

Eine korrekte Berichterstattung und eine genaue Recherche sind Werte, an die sich die Journalisten aufgrund ihrer, von der Verfassung garantierten Rechte, halten müssen. Dies umso mehr seit die Social-Media voll von Falschnachrichten sind.

Auch darf niemand beleidigt oder diffamiert werden und besonders der Schutz von Minderjährigen und der Privatsphäre ist vom Gesetz streng geregelt. Aber auch die beruflichen und ethischen Regeln der Journalistenkammer sind klar einzuhalten. Es braucht daher eine Norm, die vor haltlosen Anschuldigungen schützt, indem auch der Kläger, im Falle eines Freispruches des Beschuldigten, zur Kasse gebeten wird.  

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△rtim post Fr., 27.11.2020 - 12:48

Das ist seit vielen Jahren leider schon ein sehr großes Problem - auch demokratiepolitisch.
Auf der rechtlichen Ebene ist uns im Bereich Meinungs- und Pressefreiheit die USA seit über 200 Jahren voraus.

Fr., 27.11.2020 - 12:48 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Mi., 02.12.2020 - 19:42

Antwort auf von △rtim post

Auf das Recht ungestraft Lügen zu verbreiten kann ich gerne verzichten. Ebenso auf das Recht ungestraft zur Rache an Minderheiten aufzurufen.
Da fühle ich mit mit unserer Meinungs- und Redefreiheit eigentlich gut aufgehoben.
Und was die Problematik des Artikels betrifft, dafür braucht es eine gesetzliche europäische Regelung, keinen Hinweis auf Artikel 1.

Mi., 02.12.2020 - 19:42 Permalink