Politik | Gemeinderatswahlen

Abgeblitzte Volkspartei

Peter Volgger bleibt Bürgermeister von Sterzing. Das Verwaltungsgericht hat den Rekurs der SVP wegen „fehlender Indizien“ als unzulässig abgewiesen
sterzing
Foto: Italien
Rudi Benedikter ist mehr als nur zufrieden. „Das Verwaltungsgericht hat den Rekurs als unzulässig erklärt“, sagt Benedikter „weil die minimalen Erfordernisse der Beweislast nicht erfüllt wurden“. Die Aussage des Anwalts und grünen Politikers dürften für seinen Gegenpart in diesem Fall, dem amtierenden SVP-Senator Meinhard Durnwalder wie eine Watschen klingen. Denn Durnwalder hatte als Anwalt in diesem Verfahren seine Partei vertreten, die sich anschickte den Ausgang der letzten Gemeinderatswahlen vor Gericht zu korrigieren. Der Versuch ist aber ordentlich misslungen.
 

Drei Stimmen

 
Es geht dabei um den Bürgermeistersessel der Stadt Sterzing. Peter Volgger der Liste „Für Sterzing Wipptal“ wurde mit 1.416 Stimmen zum Bürgermeister gewählt. Der SVP-Herausforderer Walter Gögl schaffte nur 1.413 Stimmen.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Ergebnisse wurde bekannt, dass die SVP dieses knappe Wahlergebnis anfechten und eine Nachzählung beantragen will. „Wir wollen nicht als schlechte Verlierer dastehen, aber das sind wir unseren Wählern schuldig“, erklärte der Sterzinger Verlierer Walter Gögl kurz nach der Wahl die rechtlichen Schritte.
 
 
Zuständig für solche Rekurse ist das Verwaltungsgericht. Der Rekurssteller muss dazu aber die öffentliche Proklamation der Gewählten abwarten. Danach hat er 30 Tage Zeit den Rekurs beim Verwaltungsgericht einzureichen. Aber auch hier kann eine Liste oder eine Partei nicht so einfach eine Nachzählung verlangen. Denn im Rekurs müssen klare Tatbestände und Beanstandungen für jede einzelne Wahlsektion angegeben werden.
Und genau diese Bestimmung wurde am Ende der SVP zum Verhängnis.
 

Sterzinger Phonetik

 
Dabei hatten sich Meinhard Durnwalder und die Sterzinger SVP Einiges einfallen lassen, um am Bozner Verwaltungsgericht das Wahlergebnis noch korrigieren zu können. Das Hauptargument: Bei der Bürgermeisterwahl in Sterzing seien 254 Stimmen für nichtig erklärt worden. Laut SVP-Rekurs seien in den fünf Wahlsprengeln der Stadt damit die ungültigen Stimmen ungewöhnlich hoch und deshalb beantrage man eine Nachzählung dieser Stimmen.
Die SVP-These: Man habe Stimmen auf denen eindeutig der Wählerwille erkennbar war, nicht dem SVP-Spitzenkandidaten zugewiesen.
Als Beweiselement dieser These führte Anwalt Meinhard Durnwalder im Verfahren gleich mehrere konkrete Fälle an. So habe ein Stimmzähler des Wahlsprengels 3 erklärt, dass mindestens zwei Stimmzettel, welche die Angabe der Vorzugsstimme („Gögele Hermann“ und „Gögele Markus“) enthielten, für ungültig befunden und somit nicht dem Kandidaten Walter Gögl für das Amt des Bürgermeisters zuerkannt worden seien.
 
 
Eine Wählerin des Wahlsprengels 2 erklärte: „Ich habe bei den Gemeinderatswahlen vom 20. und 21. September 2020 in der Gemeinde Sterzing in der Wahlsektion Nr. 2 meine Stimme für die Wahl des Bürgermeisters auf dem grauen Stimmzettel wie folgt abgegebenen: als Zuname habe ich „Gögl“ und als Vorname „Werner“ mit dem Kopierstift eingetragen. Es war mein Wille, damit Gögl Walter als Bürgermeister zu wählen.“.
Mindestens zwei Stimmzettel wurden für ungültig befunden, welche die Angabe der Vorzugsstimme („Gögele Hermann“ und „Gögele Markus“) enthielten und somit nicht dem Kandidaten Walter Gögl für das Amt des Bürgermeisters zuerkannt wurden.
Die SVP bot zudem eine weitere Wählerin auf, die als Zuname „Gögl“ und als Vorname „Hermann“ auf dem Stimmzettel geschrieben hat und laut Eigenerklärung "damit Gögl Walter als Bürgermeister wählen wollte“.  Ein anderer SVP-Wähler erklärte schriftlich: „Ich habe bei den Gemeinderatswahlen vom 20. und 21. September 2020 in der Gemeinde Sterzing in der Wahlsektion Nr. 4 meine Stimme für die Wahl des Bürgermeisters auf dem grauen Stimmzettel wie folgt abgegebenen: als Zu- und Vorname habe ich „Gögl Walter“ mit dem Kopierstift eingetragen und darunter als Zu- und Vorname „Frick Evi“. Es war mein Wille, damit Gögl Walter als Bürgermeister zu wählen und Frick Evi als Gemeinderätin zu wählen.“.
Der Pusterer Rechtanwalt Meinhard Durnwalder argumentierten in seinem Schriftsatz zudem, dass „auch die Phonetik im Sprachgebrauch der Sterzinger Bevölkerung berücksichtigt gehört, da bei der Verschriftlichung von in der Lautsprache ähnlicher Zunahmen leicht materielle Fehler gemacht werden könnten.“
 

Klare Entscheidung

 
Am 25. November 2020 ging die Hauptverhandlung am Bozner Verwaltungsgericht über die Bühne. Peter Volgger und sein Anwalt forderten die Abweisung des Rekurses wegen Unbegründetheit. Der Richtersenat, der aus Alda Dellantonio, (Präsidentin), Sarre Pirrone, Michele Menestrina und Stephan Beikircher (Urteilsverfasser) bestand, folgte am Ende auch weitgehend dieser These.
 
 
Denn die Richter wiesen nach, dass die Anzahl der ungültigen Stimmen im Vergleich zu den Gemeinderatswahlen 2015 keineswegs übermäßig angestiegen sei. Außerdem hätten die SVP-Stimmzähler nur in einem Wahlsprengel, während der Auszählung die „nicht gezählten Stimmen mit dem falschen Vornamen“ beanstandet, was ihr Recht ist. Würde man diese zwei Stimmen auch Gögl zuerkennen, würde Peter Volgger aber immer noch Bürgermeister bleiben.
Vor allem aber lehnten die Richter die nachträglichen Erklärungen der SVP-Wähler ab.
Dieses Kollegium ist der Auffassung, dass diese Erklärungen das verfassungsrechtlich garantierte Rechtsgut des Wahlgeheimnisses verletzen und daher nicht als Beweismittel bzw. als Beweisansätze dienen können“, schreibt Stephan Beikircher im Urteil.
Die Verwaltungsrichter gehen aber noch einen Schritt weiter. Denn laut Gericht geht aus den Anträgen der SVP und die von den Einbringern geforderten Ermittlungen in allen fünf Wahlsprengel eindeutig „der Sondierungscharakter des gegenständlichen Rekurses“ hervor, "der auf eine Nachzählung der gesamten ungültigen Stimmen in allen fünf Wahlsprengeln abzielt“. Das heißt: Man will durch einen Vorwand eine Nachzählung erzwingen, in der Hoffnung dann irgend etwas zu finden.  „Derartige sondierende Ermittlungen sind als solche in den Wahlrekursverfahren nicht zulässig“, heißt im Urteil.
Deshalb wurde eine Nachzählung der Stimmen vom Gericht abgelehnt, der Rekurs der SVP als unbegründet abgewiesen und die Rekurssteller zur Zahlung der Verfahrenskosten verpflichtet.